Diese Handy-App soll Staus in Bielefeld vermeiden - wer sie nutzt, fährt anders

Bielefeld. Eine Stadt ohne Staus, das wünschen sich Bielefelder Bürger, Politik und Händler gleichermaßen. Wenn es nach Sven Kronshage geht, wird das bald Realität – durch eine kluge Umverteilung des Verkehrs per App. Der 37-Jährige arbeitet für die Firma Graphmasters. 50 Mitarbeiter entwickeln am Firmensitz Hannover ein Verkehrsleitsystem für Smartphone und Tablet. Kronshages zweiter Arbeitsplatz ist die Bielefelder Founders Foundation an der Artur-Ladebeck-Straße. Von hier aus will er den City-Verkehr revolutionieren. Zum Termin kommt Kronshage direkt vom Hermes-Logistikzentrum in Melle. In Deutschland seien bereits alle Hermes-Fahrzeuge mit der Technologie von Graphmasters ausgestattet, erzählt er. &bdquo;Wenn sie vorne im Auto der Hermes-Fahrer ein Tablet liegen sehen, ist da unsere App installiert." Dank der spare Hermes pro Woche bereits 800.000 Kilometer Anfahrtstrecke. Die Mindener Edeka sei gerade als neuer Großkunde hinzugekommen. Es läuft. Autofahrer sollen sich absprechen Das mehrfach preisgekrönte Produkt heißt &bdquo;Nunav Courier" für Logistiker und einfach &bdquo;Nunav" als Version für jedermann. Das Besondere an der Navigationssoftware: Sie berechnet für jedes einzelne Fahrzeug eine individuelle Fahrtroute und optimiert Lieferwege – je nach Verkehrsaufkommen und in Vernetzung mit anderen Autofahrern rundherum. Was Städte verstopfe, sei, dass 90 Prozent der Autofahrer nur 10 Prozent der Straßen nutzten, so Kronshage. &bdquo;Alle Verkehrsteilnehmer im Individualverkehr, die von A nach B reisen wollen, haben ähnliche Ideen, wie sie von A nach B kommen, wenn sie die Route aus dem Kopf fahren. Straßen stoßen an Kapazitätsgrenzen, weil wir uns nicht absprechen: Du nimmst die Straße, ich die andere." Auf Schleichwegen zum Arminia-Spiel Gut zu beobachten, sagt Kronshage, sei das bei Veranstaltungen. Viele Autos, ein Ziel. &bdquo;Wenn zum Beispiel Arminia gegen Münster spielt, sind hier drei, vier Straßen immer stark belegt. Die Stapenhorststraße ist oft dicht und auch an der Abfahrt vom Ostwestfalendamm ist es voll." Eine Alternativroute könne dann über die Abfahrt an den Stadtwerken und den Nordpark in Richtung Stadion führen. &bdquo;Da ist dann kaum ein Mensch unterwegs." Der Arminia-Fan lacht: Jetzt habe er seinen Schleichweg verraten. Die &bdquo;Nunav"-App navigiere aber nicht nur über einen einzigen Schleichweg. &bdquo;Das ist ja das Problem klassischer Navigationssysteme, dass sie vielen Nutzern immer wieder dieselbe Route vorschlagen." Die Graphmaster-App suche dagegen für viele Autofahrer viele verschiedene Schleichwege, das &bdquo;Multirouting". Ist das nicht ein Umweg? Der Umweg als Verkehrslösung also? &bdquo;Das Wort muss man neu definieren", findet Kronshage. &bdquo;Heute kann die direkte Route ein Umweg sein, weil man dort länger im Stau steht. Es ist der Zeitfaktor, der entscheidend ist. Es kann auch Sinn machen, fünf Minuten später loszufahren, um dann bei weniger Stau trotzdem schneller anzukommen." Die App kontrolliert zudem alle 15 Sekunden, ob die vorgeschlagene Route, noch die Beste ist. Für die optimale Routenberechnung muss die Anwendung von Graphmasters mit Daten gefüttert werden: mit Straßenplänen, aktuellen Sperrungen, Straßenkapazitätsgrenzen, Tempo-Beschränkungen, der Länge der Ampelphasen und so weiter. Die wichtigsten Daten erheben jedoch die Nutzer selbst durch Verwendung der Navigation. Nutzer werden zur Schwarmintelligenz Wer sie aktiviert, gibt &bdquo;Nunav" Zugriff auf seinen Standort. Anhand der GPS-Daten, die das Smartphone übermittelt, lasse sich berechnen, wie schnell ein Auto auf einer Straße zu Stoß- oder Nachtzeiten unterwegs sei, erklärt Kronshage. &bdquo;Die Nutzer bleiben dabei absolut anonym", betont der Informatiker. Durch den Abgleich der Datenmengen entsteht eine Schwarmintelligenz: Statt sich gegenseitig zu behindern, bilden Nutzer und Fahrzeuge ein gemeinsames System. Der Verkehr fließt. Lob für Bielefeld Die App bietet auch eine Feedback-Funktion, mit der Autofahrer Sperrungen, Unfälle oder hohe Verkehrsbelastungen melden können. Denn &bdquo;Nunav" könne nur so gut arbeiten, wie der entsprechende Datensatz zu einer Stadt sei, betont Kronshage. In Bielefeld lobt er die städtische Wirtschaftsförderung. &bdquo;Hier hat man uns mitgeteilt, welche Straßen für den Lieferverkehr zu bestimmten Zeiten frei sind." Wichtiges Wissen für die Hermes-Kuriere, die wiederum auf ihren Wegen durch Bielefeld täglich Daten erheben – für alle Autofahrer. 50.000 Mal sei die kostenlose &bdquo;Nunav"-App im Google-Shop bereits heruntergeladen worden. Ein Autobauer habe ein Testfahrzeug mit &bdquo;Nunav" ausgestattet. Konzertveranstalter und Messen sind Kooperationspartner. Kein Start-up, ein &bdquo;Grow-up" auf Wachstumskurs, nennt Kronshage die Firma, die nach der Logistik jetzt den Individualverkehr umkrempeln will. Verkehrsfluss um 18 Prozent erhöhen Sind denn genug Bielefelder dabei, damit die App auch hier in der Stadt funktionieren kann? Die App arbeite schon bei einer kleinen Nutzerzahl effektiv, sagt Kronshage. &bdquo;Wenn wir ein Prozent der Autofahrer in einer Stadt erreichen, kann der Verkehrsfluss um 18 Prozent erhöht werden." Und weniger Staus bedeuteten weniger stehende Autos, weniger Abgase. Das helfe der Umwelt mehr, als den Jahnplatz einspurig zu machen, kommentiert Kronshage seinen Beitrag zur Verkehrswende. Mehr zum Thema: Kommentar: "Aus drei Gründen ist die Verkehrswende in Bielefeld so schwierig" Stadt ohne Stau: Wie Helsinki seinen Verkehr organisiert

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