Bielefeld

Kapitän Platte hält Kurs: zehn Jahre dicke Fische auf Vinyl und etwas Beifang

Die Scouts finden ihre Bands meist auf Konzerten - bis hoch nach Skandinavien

Ein paar Cover der aktuellen Vinyl-Kollektion von Kapitän Platte. | © Screenshot NW

06.08.2019 | 06.08.2019, 21:09

Bielefeld. Was bitte sind Langspielplatten? Jüngeren, die auch das Zeitalter von Kassetten (höhere Jahrgänge erinnern sich sofort an den unvermeidlichen Bandsalat) und das der CD nicht mehr wirklich durchlebt haben, können mit den schwarzen Vinyl-Scheiben kaum etwas verbinden.

Doch es gibt sie noch, die Fans der kratzigen Nadel-Musik: Zu ihnen zählen auch die Aktiven des Bielefelder Plattenlabels „Kapitän Platte", jetzt seit zehn Jahren am Markt. „Das ist schon ein ziemlich gutes Gefühl – gerade weil wir komplett ohne Erfahrung an die Sache drangegangen sind", sagt Tanja Schrammen, die für Buchhaltung und Verträge verantwortlich ist.

Zusammen mit Karl Geweke (Design) und Christian „Pietsch" Pietschmann (Vertrieb) hat Schrammen „Kapitän Platte" gegründet. Eigentlicher Auslöser dafür war damals der befreundete Liedermacher Gisbert zu Knyphausen. Der hatte im Vorfeld einer Tour mit der Band „Lichter" gegenseitig Coverversionen ihrer Songs eingespielt und auf der Online-Plattform MySpace veröffentlicht. Dort entstand die Idee zu einer Split-Single auf Vinyl.

Vinyl-Anarchie versus Streaming-Dienst

Auch wenn das Platte-Trio Knyphausen als Gründervater ansieht, aus der Split-Single konnte aus rechtlichen Gründen erst zwei Jahre später etwas werden. Die End-2000er-Jahre gehörten immer noch primär der CD. Vinyl hatte sich weitestgehend zu Hip-Hop-DJs und in den Elektro/Technobereich verkrümelt, Streamingdienste steckten noch in den Kinderschuhen.

Schrammen, Pietsch und Geweke wollten mit ihrem Label eine Nische besetzen: Sie wollten Musikern, die sie schätzten, zu ihren bereits veröffentlichten CDs eine limitierte, wertig produzierte Vinyledition anbieten. „Ich habe damals über den Online-Musikdienst Last FM eine Postrock-Playlist gehört", erinnert sich Geweke. „Da lief dann plötzlich ,Hello Scotland’ von der schwedischen Postrock-Band EF. Großartig." Mit Pietsch fuhr er zum EF-Konzert nach Hamburg, sprachen mit der Band – und dann hatte „Kapitän Platte" das erste Projekt unter Dach und Fach: „Mourning Golden Morning" von EF wurde in 600er-Auflage die Katalognummer Kutter 001.

Leidenschaftliche Musikfans: Karl Geweke (v. l.), Christian Pietschmann und Tanja Schrammen haben mit ihrem Label eine kleine, aber feine Lücke gefüllt.  - © Achim Borchers
Leidenschaftliche Musikfans: Karl Geweke (v. l.), Christian Pietschmann und Tanja Schrammen haben mit ihrem Label eine kleine, aber feine Lücke gefüllt.  | © Achim Borchers

„Mittlerweile finden wir unsere Bands primär über Konzerte", erzählt Pietsch. „Ab und zu auch über die klassische Bemusterung, dass uns Leute ihr Material schicken und sie uns begeistern." Und über die gute alte analoge Mundpropaganda. Selbst im Göteborger Raum und darüber hinaus hat es sich längst herumgesprochen, dass es in Bielefeld/Deutschland ein ganz cooles Label gibt. Skandinavien hat inzwischen einen nicht ganz kleinen Anteil am Repertoire.

Helene Fischer gepresst - auf Platte

„Und auf einmal kommt die Musik zu dir, du musst gar nicht mehr viel machen", schwärmt Schrammen. Gleichzeitig bremst sie die Euphorie. Denn das Projekt „Kapitän Platte" ist für die drei Macher auch nach zehn Jahren noch Nebenerwerb. Und soll es auch weiterhin bleiben.

Zeit und Budget sind limitiert, statt in die Breite geht das Team lieber in die Tiefe: Sie sind längst kein Vinyl-only-Label mehr, sondern bieten ihren Künstlern die musikalische Rundumversorgung mit Vinyl, Soundfiles, CD. Bei Letzterem ist die Gewinnmarge immer noch deutlich höher. Allerdings ist Vinyl auch nicht mehr so besonders wie vor zehn Jahren.

Heute bringt jeder Künstler, selbst Helene Fischer, Alben auch auf Schallplatte – der analoge Markt gewinnt an Relevanz. „Kapitän Platte" sieht das gelassen.

Auflagen von 300 bis 500 Exemplaren

Zumal die drei Label-Aktiven nur einen limitierten Output haben. Schrammen: „Wir machen das ja nicht hauptberuflich. Mit unseren fünf bis sechs Platten im Jahr sind wir komplett ausgelastet."

Und Pietsch fügt hinzu: „Ich glaube, allein durch die Art von Musik, die wir veröffentlichen, limitieren wir uns selber. Da hast du eine Auflage von 300 bis 500 Stück. Von der Marge, die davon bleibt, kannst du nicht leben."

Gleichwohl: „Kapitän Platte" haben Träume. Fragt man sie, welche Musiker sie gern auf ihrem Label (gehabt) hätten, sind die Antworten teils überraschend: The Police (Schrammen), Simon & Garfunkel (Geweke), Talk Talk (Pietsch).

Die drei haben aber auch eine Vision. „Wir merken jetzt schon selbst in der Diskussion, wenn es darum geht, wie viel Geld wir für eine Platte nehmen: Wir wollen die Musik primär unters Volk bringen", sagt Schrammen.

„Wir wollen, dass tolle Bands, die noch keine große Plattform haben, gehört und gekauft werden. Deshalb sind unsere Preise sehr moderat." Alles andere entspräche „nicht mehr dem Herz von Kapitän Platte".