Unfassbare Zustände kommen in Bielefelder Mietshaus ans Licht

Bielefeld. Die Liste der Ungeheuerlichkeiten ist so lang, dass einem wirklich die Luft wegbleibt: Riesige Löcher klaffen in Küchen- und Badezimmerwänden, geben den Blick auf Rohrleitungen frei – und das wohl zum Teil seit Jahren. Rollos vor den Fenstern müssen unten bleiben oder werden mit Besenstielen abgestützt, weil die Gurtbänder irgendwann einmal gerissen sind. Reparatur: Fehlanzeige. Lichtschalter fehlen, Klingel- und Türschließanlagen sind defekt. Schimmel an den Wänden. Die Liste ließe sich verlängern. Santijana Alioski ist eine der Mieterinnen in dem Wohnkomplex in Brackwede. Sie muss seit sechseinhalb Monaten ohne Dusche und seit drei Monaten ohne Terrassentür auskommen. Die 27-Jährige bewohnt einen der Mehrgeschosser an der Kreuzung Berliner Straße/Hauptstraße. Sie schildert, dass im Januar plötzlich das Wasser in der Dusche nicht mehr abgeflossen sei. Alle Versuche, mit Rohrreiniger oder Spirale Abhilfe zu schaffen, seien gescheitert. &bdquo;Eine Woche später kam eine Firma und hat die Dusche in meiner Wohnung ausgebaut, um zu sehen, wo der Fehler liegt." Zeitgleich habe es eine Etage höher ein Leck gegeben, so dass die Feuerwehr den Keller leer pumpen musste. Duschen bei der Nachbarin Zwei Monate, schildert Alioski, sei ein Trocknungsgerät gelaufen. &bdquo;Dann hat die Firma das Gerät abgeholt, aber einen Auftrag, meine Dusche zu erneuern, hatten die Mitarbeiter nicht. Ich habe die ganze Zeit über bei einer Nachbarin geduscht." Weil das aber keine Dauerlösung ist, habe sie immer wieder bei der Hausverwaltung angerufen und nachgefragt, wann etwas passiert. Nach den acht Wochen bekam sie dann den Schlüssel für eine leer stehende Wohnung in einem anderen Gebäudeteil, um dort duschen zu können. Das hat sie nur wenige Male genutzt und nun geht es nicht mehr, weil das Bad offenbar zwecks Renovierung der Wohnung rausgerissen wurde. Eigentümer sitzt in Luxemburg Verwaltet wird der Mietkomplex von der Adler Wohnen Service GmbH. Sie ist ein Unternehmen der Adler Real Estate, die nach NW-Recherchen wiederum mit 94 Prozent an der AFP Germany III Sarl mit Sitz in Luxemburg beteiligt sein soll. Dorthin wird entweder seitens des Jobcenters direkt oder von den Mietern die Miete überwiesen. Adler hat immerhin am 16. April auf Alioskis Beschwerden schriftlich reagiert: &bdquo;Bezugnehmend auf Ihre Anfrage teilen wir Ihnen mit, dass wir mit Hochdruck an der Instandsetzung der Dusche arbeiten. Wir bitten noch ein wenig um Geduld. Der Handwerker wird sich mit Ihnen in Verbindung setzen." Jetzt, Ende Juli, ist immer noch nichts geschehen. Fliegenvorhang statt Terrassentür Krass ist auch, dass Alioski seit drei Monaten ohne Terrassentür auskommen muss. &bdquo;Die Tür war verzogen, so dass oben ein Riesenspalt war", erzählt die junge Frau mit mazedonischen Wurzeln und deutschem Pass. Außerdem habe sie nicht richtig geschlossen, so dass an einem stürmischen Tag die nicht richtig eingehängte Tür ins Wohnzimmer geknallt und zu Bruch gegangen sei. Jetzt steht der Türrahmen auf dem Flur. Alle Bemühungen, eine neue Tür zu bekommen, seien gescheitert. Lediglich ein Fliegenvorhang schirmt ihre Wohnung zur Berliner Straße ab. Santijana Alioski hat nun die Nase voll. Weitere Anrufe ihrerseits hätten Adler-Mitarbeiter, so sie denn beim Mieterservice jemanden an die Strippe bekommen habe, mit den Worten quittiert, sie könne sich ja was anderes suchen, wenn es ihr dort nicht passe. Mieter mit problematischem Hintergrund Aber das ist weder für die 27-Jährige noch für die meisten der etwa 60 Mietparteien so einfach. Sie sind zumeist arbeitslos, beziehen Leistungen vom Jobcenter zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes, haben teils psychische Probleme. Und dann kommt bei vielen mit ausländischer Herkunft noch die Sprachbarriere dazu. Auch trägt sicherlich so mancher Mieter mit seinem persönlichen Verhalten dazu bei, dass das Haus nicht unbedingt ein Wohlfühlort ist. 95 Prozent aller Wohnungen hätten einen oder gleich mehrere Defekte, schildert ein anderer Mieter aufgebracht. Mal gebe es kein warmes Wasser, anderorts fehle die Wasseruhr, in den vergangenen beiden Wintern sei über Tage die Heizung ausgefallen. Eine vor einem Jahr eingetretene Haustür ist notdürftig mit Klebeband zusammengeklebt, eine andere hat als Türgriff innen nur einen Draht. Fast keine der Hauseingangstüren schließt. &bdquo;Jeder kann einfach rein", sagt Santijana Alioski. Der zu den Straßen gut abgeschirmte Innenhof wird nach ihren Worten auch gerne für Drogengeschäfte genutzt. &bdquo;Das macht Angst." Schimmel in vielen Wohnungen Ihr Vater, Jasar Ajvazoski (72), wohnt im Gebäudeteil an der Hauptstraße. Bei ihm klafft in der Küche ein riesiges Loch, nachdem vor gut drei Jahren die Versorgungsleitungen zwecks Reparatur freigelegt worden seien. Bei Nachbarin Nadzhie Uygur (46) fehlt nach einer Undichtigkeit der Badewannenarmatur, die die Wand zum Schlafzimmer durchnässt hat, die halbe Tapete. Im Flur haben die Handwerker ein großes rechteckiges Loch hinterlassen. Zwei Monate ist auch in ihrer Wohnung ein Trocknungsgerät gelaufen. Asthmatikerin Ugyur leidet zudem unter dem Schimmel in ihrer Wohnung. Auch andere Wohnungen sind sichtbar von Schimmel befallen. Adler hat den Gebäudekomplex zum 1. Januar 2018 übernommen. Zuvor war er kurz von der WVb Centuria GmbH verwaltet, davor tauchen die Namen Immeo und Peloton auf. Der Zustand, in dem sich die Gebäude mit mehr als 4.100 Quadratmetern Wohnfläche, sind daher nicht allein der Adler Wohnen Service zuzuschreiben. Hausverwalter verspricht Antworten Auf Nachfrage der NW reagiert deren Technischer Geschäftsführer Andreas Liebheit. In einer ersten Stellungnahme räumt er ein, dass Adler Nachholbedarf bei der Kommunikation mit seinen Mietern habe. Man sei aber dabei, ein komplett neues Mieterportal im Internet einzurichten. Er bestätigt eine hohen Sanierungsstau, doch werde massiv in die Anlagen in Deutschland investiert. Zum konkreten Fall in Brackwede werde er im Konzern recherchieren und weitere Antworten geben. Die NW hat zwischenzeitig auch mit dem Jobcenter und Mieterbund über den Fall gesprochen. Beide könnten den Mietern helfen. Die Redaktion wird weiter berichten.

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