Bielefelds größte Planungs-Irrtümer: Ein Autobahnkreuz mitten in der City

Bielefeld. Braucht Bielefeld ein Autobahnkreuz im Zentrum? Diese Frage dürfte bei vielen Bielefeldern heute wohl nur Kopfschütteln auslösen. Vor 60 Jahren ist das anders: Der Ostwestfalendamm, ohne Frage für Bielefeld ein wichtiger Zubringer, wird in den 1960ern und 1970ern in ganz anderen Dimensionen geplant. Er soll Teilstück einer Autobahn 47 von Rheda-Wiedenbrück nach Herford sein und auch eine Autobahn 35 anschließen. Die Anschlussstelle liegt, im Trend damaliger Verkehrspolitik, mitten in der Großstadt Bielefeld. Riesiges Kreuz in Mitte &bdquo;Der Ostwestfalendamm sollte als richtige Stadtautobahn weiter nach Norden führen und dann in Richtung Löhner Kreuz", erinnert sich Abteilungsleiter Dirk Vahrson (59) zuständig für Verkehrswegebau bei der Stadt. Zusammen mit seinem ehemaligen Chef Hans-Werner Neumann (83) hat er für die NW-Lokalredaktion in Bielefelds Verkehrsvergangenheit gestöbert. Die beiden erzählen von einem Großprojekt, das Bielefeld als Autostadt groß machen sollte und die Stadt spaltete – erst auf dem Planpapier, dann in der Bürgerschaft. Zwischen heutigem Bahnhofsviertel und Nordpark soll nach damaligen Plänen ein großes Schnellstraßenkreuz entstehen. Es soll neben Ossi/ A 47 auch eine neue Landesstraße 785 Richtung Uni anschließen (mitten durch den Bielefelder Westen) sowie eine geplante A 35 Richtung Lage. 130 Häuser müssen weg Dafür weichen muss das alte Kamphofviertel, beschließt man. &bdquo;Ungefähr dort, wo der der OWD heute im Tunnel endet, sollte das Kreuz hin", sagt Vahrson. Ein Autobahnkreuz mittendrin. 130 Häuser sollen im Kamphofviertel für das gigantische Projekt abgerissen werden. Doch damit nicht genug der Visionen: Eine Studie des damaligen Verkehrsexperten Karlheinz Schächterle aus Süddeutschland hat in den 1960ern großzügig erhoben, wo große Trassen für eine autogerechtes Bielefeld notwendig sind. Unerlässlich erscheint ihm auch eine neue B 66, die vierspurig vom Autobahnkreuz im Kamphofviertel zum Autobahnkreuz der A 2 in Hillegossen führt. &bdquo;Parallel zur Bahnstrecke nach Hillegossen und weiter nach Oerlinghausen", erklärt Vahrson. Autobahn Bielefeld - Hannover Langfristig soll aus jener B 66n sogar die Autobahn 35 werden: von Bielefeld über Lage, Lemgo, Hameln, Hannover bis nach Nienburg. Mitten durch Bielefelds Osten. Das Auto soll Vorfahrt haben. Doch dieses Vorhaben steht schon in den 1980ern in der Kritik. Zu groß, zu teuer. In abgespeckter Version als B 66n wird sie laut Vahrson jedoch noch bis 1994 intensiv verfolgt: das Jahr der OWD-Fertigstellung. &bdquo;Doch die Rahmenbedingungen änderten sich. Wohnviertel wären durchteilt worden", erklärt Neumann. Bürger verhindern den Bau Überhaupt erscheint in den 1980er-Jahren ein Großteil der Schnellstraßen-Planungen überdimensioniert. Der Glaube an den Straßenbau als magisches Mittel gegen drängende Verkehrsprobleme wird in Frage gestellt. Zudem rückt die Ökologie ab den späten 1970ern ins Bewusstsein der Bielefelder Bürger. Vor allem in den Reihen der Jüngeren formiert sich bürgerlicher Widerstand gegen &bdquo;Kaputtsanierung" und Schnellstraßenbau. Günstige Studentenwohnungen im Bielefelder Westen und das historische Gesicht der Stadt sollen bewahrt werden. Auto-Tunnel im Bielefelder Westen Rund 100 Häuser müssen schließlich dem OWD weichen. Gegenüber den ursprünglichen Plänen ist es die Schmalspur-Version. Gegen Abriss und Autobahnkreuz hinterm Bahnhof (später eine T-Lösung) gründen sich Bürgerinitiativen wie &bdquo;Rettet den Kamphof". Bielefelds Hausbesetzer-Szene wird bundesweit bekannt. Es sind Gründerzeiten für die Bunte Liste, die späteren Grünen. Auch gegen die L 785n Richtung Uni formiert sich Widerstand: Sie soll vom Kreuz durch das Kamphofviertel bis zur Albert-Schweizer-Straße führen. Auf ihrem Weg zur Voltmannstraße wird sie die Schloßhofstraße untertunneln und in Werther enden. Es bleibt, wie bei den meisten Vorhaben, bei der Vision : Allgemeine Faktoren sind neben Protesten die hohen Baukosten sowie ein Verkehr, der sich bereits neue Wege gesucht hat. &bdquo;Später waren der Ostring und die Eckendorfer Straße fertig geworden", erklärt Ex-Verkehrsplaner Neumann. Diese Straßen tragen heute die Verkehrslast. &bdquo;Und über die A 33 ist die Stadt gut angeschlossen." Trasse bis heute freigehalten Nur die B 66n in Bielefelds Osten spukt noch lange durch die Planer-Köpfe. In städtebaulichen Planzeichnungen wird der Weg für eine solche Trasse bis heute freigehalten. Erst im kommenden Herbst wird der Rat wohl ihr finales Aus beschließen. Was sich die Verkehrsexperten der 1960er kaum hätten vorstellen können: Statt als Autostadt ist Bielefeld heute als grünste Stadt Deutschlands bekannt - und plant die Verkehrswende. Zum Thema: Folge 1 der Planungsirrtümer: Ein Tunnel unter der Sparrenburg 8 Gründe für Bielefelds Verkehrsprobleme

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