Fast 1.300 Schlaglöcher: Der stille Verfall der kleinen Bielefelder Straßen

Bielefeld. Bielefeld gilt als Stadt der Baustellen – und das seit Jahrzehnten. Großprojekte wie die Haupt- oder die Bodelschwinghstraße sorgen für Aufreger. Dass aber gleichzeitig unzählige Wohn- und Nebenstraßen nach und nach zerbröckeln, machen sich viele nicht bewusst. Den Sträßlein setzen nicht nur die vielen Mini-Maßnahmen zu, bei denen aufgrund von Fernwärme-, Kanal- oder Glasfaserarbeiten der Asphalt abgefräst und mehr oder weniger gut wieder geschlossen wird, sondern auch ihr Alter, die jahrzehntelange Belastung durch Verkehr, Regen und Kälte. Eine neue Decke, eine grundlegende Sanierung gar, ist bei den schmalen Verbindungen eher selten. In diesem Jahr ist es bei keiner einzigen geplant. Viele Anwohner verfolgen den stillen Verfall ihrer Wohnstraßen seit Jahren. &bdquo;Mit zunehmender Fassungslosigkeit und Frustration“, meint ein Brackweder, der in der Grabenstraße wohnt. Beim angrenzenden Mauseteich, der kaum noch befahrbar sei, beobachtet er &bdquo;lediglich ein notdürftiges Zuschütten der Schlaglöcher mit Sand oder Kiesel“. Ein ausreichendes Budget für Nebenstraßen gebe es offenbar nicht, moniert er. &bdquo;Wie konnte das so weit kommen?“ Mauseteich-Anwohner Frank Becker hatte schon vor rund zwei Jahren gespottet: &bdquo;Bei Regen können Sie hier Goldfische angeln.“ Dabei ist der Mauseteich nur eine von unzähligen kleinen Straßen stadtweit. Das städtische Amt für Verkehr sieht sich beim Erhalt des kommunalen Verkehrsnetzes – rund 1.250 Kilometer, plus 147 Kilometer Landstraßen und 35 Kilometer Autobahnen – mit einer Fülle von Problemen und wachsenden Ansprüchen konfrontiert: Kosten, komplexe Vorgaben, fehlendes Personal auf der einen, das Alter (40 Jahre gilt als durchschnittliche &bdquo;Lebensdauer“ einer Straße) und die zerstörerische Kraft des Wetters auf der anderen Seite. Große Sprengkraft von Feuchtigkeit und Frost &bdquo;Feuchtigkeit und Frost können bei älteren Straßen viel tiefer eindringen und haben eine viel größere Sprengkraft, wenn es friert, als bei einer neuen geschlossenen Decke“, sagt Dirk Vahrson, stellvertretender Leiter des städtischen Amts für Verkehr. Schwere Fahrzeuge wie Busse oder Lastwagen sorgten zudem durch ihr Gewicht dafür, dass der Asphalt punktuell aufgebrochen werde und schneller altere. Gleichzeitig steigen die gesellschaftlichen Ansprüche. Oberirdisch sind inzwischen mehr Fahrzeuge als jemals zuvor unterwegs (aktuell sind in Bielefeld 236.519 Fahrzeuge – alle Klassen – zugelassen). Große SUVs, jede Menge Lieferwagen, dazu Lkw, Busse und Bahnen, Lastenräder, Pedelecs, E-Roller: Sie alle nutzen ein Wegesystem, von dem ein großer Teil in den vergangenen 100 Jahren angelegt worden und das für einen solchen Ansturm nicht ausgelegt sei, sagt Vahrson. Es lasse sich auch nicht beliebig erweitern. Doch es gebe ständig neue Bedarfe. Lesen Sie auch: Stadt Bielefeld zählt immer mehr Schlaglöcher auf den Straßen Das gilt auch für den Bereich unter der Erde. Der städtische Verkehrsexperte: &bdquo;Gas, Wasser, Fernwärme, Telekommunikation. Das muss da alles reinpassen.“ Und es muss repariert, verstärkt oder ganz neu gelegt werden – ein wesentlicher Grund für die großen und kleinen Asphaltflicken, die sich auch in vielen Nebenstraßen finden. Fernwärme, schnelles Internet, täglich angelieferte Internet-Bestellungen – all das sei heute unverzichtbar, sagt Vahrson. Den meisten Menschen sei wahrscheinlich gar nicht klar, welche Auswirkungen das habe. Auch auf die eigenen kleinen Wohnstraßen. Investitionskosten seit Jahren kaum erhöht Allen Neuerungen zum Trotz sind die Investitionen in den Straßenneubau in den vergangenen Jahren auf einem ähnlichen Niveau geblieben: bei rund 35 Millionen Euro. Ein beträchtlicher Teil davon fließt in Mammutprojekte, wie den Umbau der Hauptstraße, der gerade abgeschlossen wurde; nun steht die Jöllenbecker Straße an, für die rund 40 Millionen angesetzt sind. Lesen Sie auch: Überaltert und marode: Bielefelds Straßenvermögen zerbröselt Derweil herrscht in den maroden Nebenstraßen Stillstand. Der Wachtelweg – &bdquo;für uns eine Pflasterstraße“, so Vahrson, – sei &bdquo;nicht für eine Sanierung vorgesehen“. Auch für die Fritz-Reuter-Straße (&bdquo;Ein Teil ist relativ schlecht, ein Teil noch recht gut“) ist nichts geplant und bei der Lerchenstraße nur dort, wo es größere Schäden gibt, um Schlimmerem vorzubeugen. Derweil steigt die Anzahl der Schlaglöcher. 1.283 gab es laut städtischem Bauhof im vergangenen Winter – ein neuer Rekord. Und der kleine Mauseteich? Dessen Grunderneuerung hat die Verwaltung zumindest ins Auge gefasst. Allerdings: &bdquo;Wir verfügen als Stadt nicht über das gesamte Eigentum“, erklärt der Verkehrsexperte. Derzeit werde versucht, fehlende Anteile zu erwerben. &bdquo;Wenn wir das geschafft haben, können wir konkreter planen.“ Auch interessant: Schlaglöcher ohne Ende: Das sind die kaputtesten Straßen Bielefelds

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