Bielefelder Anwalt kämpft für mutmaßlichen "Piraten"

Bielefeld/Dortmund. Es ist sieben Jahre her, dass eine Gruppe von 50 schwer bewaffneten Piraten auf hoher See einen Öltanker stürmt. Die Somalier kapern das Schiff und bringen es inklusive der 26-köpfigen Crew in ihre Gewalt. Nach zehn Monaten und einer Lösegeldzahlung von 13 Millionen Dollar verlassen die Täter endlich den riesigen griechischen Supertanker "MT Smyrni". Die meiste dieser Zeit war auch Mohamed S. (41) an Bord. Sein Verteidiger, Martin Mauntel aus Bielefeld, ist dennoch davon überzeugt, dass sein Mandant nicht für den Fall internationaler See-Piraterie verurteilt werden darf. Ein Indiz dafür, dass Mauntel mit seiner Verteidigungsstrategie nicht ganz falsch liegt, ist die vorzeitige Entlassung des Angeklagten aus der Untersuchungshaft - noch während des Prozesses. Dabei wirft ihm die Staatsanwaltschaft schweren erpresserischen Menschenraub und schweren Raub vor. Beides sind Vorwürfe, die lange Haftstrafen als Mindeststrafe vorsehen. FBI-Ermittlungen führen zur Festnahme der ersten Piraten Der 41-jährige Angeklagte lebt seit 2015 als Asylbewerber in Deutschland. Andere Piraten von der "MT Smyrni", die inzwischen für die Tat verurteilt wurden, hatten ihn im Zuge einer Kronzeugenregelung belastet. Sie waren aufgrund von FBI-Ermittlungen bei ihrer Einreise nach Deutschland aufgeflogen, weil die US-Streitkräfte am Tanker sämtliche Fingerabdrücke gesichert hatten. Als die Somalier den Asylantrag stellten und dabei ihre Fingerabdrücke abgaben, klickten die Handschellen. In der Verhandlung vor der 35. Kammer des Landgerichts Dortmund hat Mohamed S. jetzt von seinem Anwalt eine Einlassung vorlesen lassen. Darin räumt er ein, dass er während der Geiselnahme auf dem Schiff war. Allerdings soll er erst drei Monate nach der Entführung angeheuert worden sein - als Koch für die Piraten und die Geiseln. Für 400 Euro pro Monat. Nur gekocht oder mit Kalaschnikow die Geiseln bewacht? Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, aber auch mit einem Kalaschnikow-Sturmgewehr bewaffnet die Geiseln bewacht zu haben. Mohamed S. beteuert, nie eine Waffe in der Hand gehalten zu haben. "Ich war nur der Koch." Tatsächlich soll er schließlich wieder von Bord gebracht worden sein, als es Streit um die Portionen seiner Kochkünste gegeben hat. "Mein Mandant war mit Teilen der Piraten im Streit geraten, weil er ihnen keinen Nachschlag gewährte. Er muss ihnen resolut klar gemacht haben, dass das Essen sonst nicht für die Gefangenen ausreiche." Es habe daraufhin sogar Prügel gegeben. Das sei für den Piratenchef der Anlass gewesen sein, den Koch von dem Tanker bringen zu lassen, der Rohöl im Gesamtwert von 115 Millionen Dollar geladen hatte. Doch juristisch ist der Fall aus ganz anderer Sicht interessant. Denn auch wenn der Tatort Somalia war, kann eine so schwere Straftat in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Laut Mauntel gilt hier das Weltstaatsprinzip, wonach schwere Verbrechen wie Völkermord von jedem Staat verfolgt werden müssen - "völlig unabhängig davon, ob Opfer oder Täter Deutsche sind oder der Tatort in Deutschland liegt." Dazu zählt unter anderem auch der "Angriff auf den Seeverkehr" - also Seepiraterie. Schwieriger Rechtsfall - Untersuchungshaft unverhältnismäßig Der Bundesgerichtshof ließ aber in einem parallelen Revisionsverfahren zu dem Fall keinen Zweifel daran, dass im Gegensatz zur Seepiraterie Raubtaten nicht nach dem Weltstaatsprinzip zu verfolgen sind. "Das Gericht weiß demnach nicht sicher, ob mein Mandant überhaupt nach deutschen Recht zu verurteilen ist", sagt Mauntel. Dementsprechend wurde die Untersuchungshaft des 41-Jährigen als unverhältnismäßig beendet. Die Kammer beantragte anschließend alle Raubanklagepunkte fallen zu lassen. Die Staatsanwaltschaft folgte diesem Antrag. Trotzdem reichte all das noch nicht für einen Freispruch. Denn das Gericht gab den rechtlichen Hinweis, dass noch eine Verurteilung "wegen Beihilfe zum Angriff auf den Seeverkehr" in Frage kommt. Anschließend wurde die Beweisaufnahme geschlossen. Verteidiger Martin Mauntel hält den Vorwurf der Beihilfe für gewagt - drei Monate nach dem Überfall der Piraten sei eine Beihilfe kaum mehr möglich. Er wird am kommenden Verhandlungstag vor der 35. Kammer auf Freispruch plädieren. Lesen Sie auch:Bielefeld will Klimanotstand ausrufen Nach Gerichtsurteil: Aus für Bielefelds mobilen Blitzer Bernhard Waldarbeiter machen grausigen Fund in Bielefeld Hochzeitskorso legt Bielefelder Jahnplatz lahm Wie ein Bielefelder Optiker zwei Radfahrern das Knöllchen des Jahres verpasste Nicht bedient: Großfamilie zieht beleidigt aus Bielefelder Gaststätte ab

Meistgelesen