Darum gibt's immer mehr Tattoo-Studios in Bielefeld

Bielefeld. Das fein gestichelte Porträt einer Indianerfrau ist auf dem linken Unterarm zu sehen, als Michael Berlin (47) den Ärmel seines Poloshirts hochzieht. Einige Zentimeter weiter oben ein Männerantlitz mit Federschmuck. Kleine Abdrücke von Bärentatzen sind spielerisch um die Motive gesetzt. Auch auf dem rechten Arm, an den Beinen und über den Rücken verteilt – an vielen Stellen seines Körpers trägt der Papiertechnologe Tattoos. Sein erstes bekam Berlin vor mehr als 30 Jahren. Er ritzte es selbst in die Haut. Es waren eher Kratzer, die der 17-Jährige sich damals zufügte. &bdquo;Tattoos waren noch nicht gesellschaftsfähig eher etwas für ehemalige Häftlinge oder Seefahrer", beschreibt er die Stimmung der 1980er Jahre. Tinte auf die Haut getröpfelt Berlin, schon damals Fan des Fußballvereins St. Pauli, hatte die ersten Körperbilder in Hamburg entdeckt. Und weil es in Bielefeld noch kein Studio gab, schritt er selbst zu Tat, stach mit einer Kugelschreibermine fest zu und tröpfelte Tinte auf das etwas verunglückte Motiv. Was das genau war, weiß er heute nicht mehr. Als später Blackbox (Heute Route 66), das erste Studio Bielefelds an der Detmolder Straße öffnete, war der Andrang groß. Ein Jahr musste der Auszubildende auf einen Termin warten. Ein Großteil der Kundschaft waren britische Soldaten. &bdquo;Die trugen meist Spinnennetz-Motive an den Ellbogen", erinnert sich Berlin. Ein Jahr warten bedeuteten für ihn auch: ein Jahr sparen. 450 D-Mark hatte er schließlich zusammen. Dafür ließ er sich in einer fünfstündigen Sitzung sein Wunschmotiv auf den Rücken stechen, einen Totenkopf mit Rose. Mutter war entsetzt Seine Freunde fanden das cool, die Mutter war entsetzt. Doch weil Tattoos in den 80ern meist von der Kleidung verdeckt blieben, konnte sich die Frau schnell wieder beruhigen. &bdquo;Zeichnungen am Kopf, Hals oder an den Unterarmen gingen gesellschaftlich damals überhaupt nicht", erzählt Berlin. Und wer welche trug, der ging selbst im Sommer mit langärmeligen Shirts vors Haus." Doch irgendwann kamen Tattoos auch in Bielefeld aus der Schmuddelecke heraus. Unterschiedliche Bilder ließ sich Berlin innerhalb von 30 Jahren stechen. Darunter zarte Indianerfedern – Anlass war jedes Mal die Geburt eines seiner drei Söhne. Die Faszination für die Kunst der Tätowierer ist bis heute gleich: &bdquo;Wie sie mit ruhiger Hand frei ihre Motive unter die Haut der Menschen bringen, das begeistert mich immer wieder neu." Die Faszination ist vom Vater auf den Sohn übergegangen. Miguel, Berlins 21-jähriger Spross, hat kürzlich mit seinem Freund Alessandro Dibella (18) die Tattoo-Taverne an der Marktstraße 2 eröffnet. Damit sind neuerdings 46 Tätowierer in Bielefeld ansässig, laut Ordnungsamt arbeiten die entweder im eigenen Betrieb oder als Gast in wechselnden Studios. 2016 waren es 34. Stars der Branche, wie etwa Kostya aus Moskau, sind weltweit im Einsatz, einige demnächst auch in der Tattoo-Taverne. Jeder kann den Job ausüben Tätowierer kann jeder werden. Es gibt kein festes Berufsbild. Wer sich selbstständig macht, muss sich an die Hygieneverordnung des jeweiligen Bundeslandes halten. &bdquo;Geräte, die eingesetzt werden, müssen mit Desinfektions- und Reinigungsmitteln aufbereitet werden", sagt Axel Kruse. Der Hygienekontrolleur beim Gesundheitsamt ist seit mehr als 20 Jahren dienstlich in der Szene unterwegs. Sein beruhigendes Fazit: &bdquo;Durch den Einsatz von Einweg-Nadeln sei die Infektionsgefahr gesunken, und die Zahl der Beanstandungen deutlich zurückgegangen."

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