Mitte/Gellershagen

Skurrile Ortsnamen: Ein Kaffee in Brakenbömmel

Fast vergessen: Zur Sommerfrische kamen die Menschen gerne in den Bielefelder Westen

02.08.2016 | 02.08.2016, 06:00
Von oben: Ein Luftbild mit Bürgerpark, Oetkerhalle und alter FH. - © Wittig
Von oben: Ein Luftbild mit Bürgerpark, Oetkerhalle und alter FH. | © Wittig

Mitte/Gellershagen. Um es gleich vorwegzunehmen: Warum genau das Ausflugslokal in Brakensieks Parkgarten an der Wertherstraße "Brakenbömmel" genannt wurde, kann nicht endgültig geklärt werden. Aber es gibt Hinweise - und genügend ältere Menschen, die sich an genau diese Bezeichnung erinnern.

Also: Brakenbömmel. Es handelt sich hier um ein im 19. und 20. Jahrhundert beliebtes Ausflugslokal. Von den Namensbestandteilen steht "Braken" für "Brache"; den "Bömmel" kennt man von der Wollmütze: Bommel, Bömmel, Quaddel, Quoddel, Troddel, manchmal auch nach landschaftlichen Gegebenheiten für Quaste.

Die Tochter des letzten Wirts-Ehepaares, Ingelore Böhm, sagt: "Ich vermute, dass der Name von einem der Familienhunde stammen kann - aber ganz sicher bin ich mir da auch nicht."

Der Parkgarten bei Brakensiek
Das Ausgangsjahr für "Brakensieks Parkgarten" an der Wertherstraße war 1866, als hier ein Kolonialwarenladen mit "Ausschank" eröffnet wurde. Schnell avancierte er zu einem Treffpunkt für Familien, Vereine und größere Gesellschaften. Die hohen Bäume in Brakensieks Parkgarten machten dem Namen des Lokals alle Ehre. Gern traf man sich hier zum Konzert, zu Pfingsten sogar schon um 7.30 Uhr morgens. Seit der Weimarer Zeit lud der benachbarte Bürgerpark, die "Zierde des Westens", anschließend zu einem Spaziergang ein. Nach dem Ersten Weltkrieg war diese Grünanlage von zurückgekehrten Soldaten als Notstandsarbeit geschaffen worden.

Eine Tongrube für den Adolf-Hitler-Park
In den Jahren 1919 bis 1921 wurde er nach der Planung von Gartenbaudirektor Paul Meyerkamp in einer aufgelassenen Tongrube als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in eine innerstädtische Naherholungsanlage umgestaltet. Der vom damaligen Oberbürgermeister Rudolf Stapenhorst geförderte Plan war in der Zeit wirtschaftlicher Not nicht unumstritten. Kritiker forderten, dass am damaligen Bürgerweg, heute Stapenhorststraße, gelegene Gelände zur Gemüsezucht freizugeben. In den Jahren 1933 bis 1945 hieß der Park dann offiziell Adolf-Hitler-Park.

Kaffee kochen für Familien
Vor etwas mehr als 120 Jahren entdeckten die Bielefelder die Umgebung der Stadt an den Wochenenden. In diesem Zusammenhang entstanden etliche namhafte Ausflugslokale: Brands Busch, Bültmannskrug, Deppe, Donnerburg, Freudental, Habichtshöhe, Kahler Krug, Milser Krug, Pappelkrug, Peter Offenberge, Runkelkrug, Schweden Frieden und Tränenkrug.

Die Familien oder auch Vereine wanderten dorthin, genossen ein schmackhaftes Mittagessen oder auch leckeren Kaffee und Kuchen und hatten auf dem Rückweg nach Hause das Gefühl einen schönen Tag verlebt zu haben. Bei manchen Ausflugslokalen gab es auch den schönen Satz "Hier können Familien Kaffee kochen", das bedeutete, dass für Speis und Trank nichts weiter ausgegeben werden musste, sondern man erhielt heißes Wasser und konnte sein mitgebrachtes Essen selber verzehren.

Doch zurück zum Bürgerpark: seine heutige Form erhielt er - der auch immer wieder als Oetkerpark bezeichnet wird - durch zahlreiche Umgestaltungsmaßnahmen. Der architektonisch geplante Park wandelte sich nach dem Zweiten Weltkrieg in ein landschaftsparkähnliches Gelände. Besonderheiten stellen die Rhododendronbepflanzung, der Rosengarten sowie der Bauerngarten mit zahlreichen Stauden dar. Unmittelbar westlich des Parks befindet sich die Rudolf-Oetker-Halle.

Ein Affe, die neue FH und der Brakenbömmel
Manche Bielefelder erinnern sich noch an den Affen in Brakensieks Parkgarten, der zur Unterhaltung der Gäste gehalten wurde und vorwitzigen Kindern in den Finger biss. Auch, dass es um 1930 bei Brakensiek sogar auch eine kleine Tankstelle gab, wissen noch einige Bielefelder. Dann aber, 1969, musste das Gebäude dem Neubau der 1965 gegründeten Pädagogischen Hochschule, der heutigen Fachhochschule für Gestaltung, weichen. Damit war der Brakenbömmel Geschichte - und mit ihm vielleicht auch ein Hundename.

Information

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