Bielefeld

Skurrile Bielefelder Ortsnamen: Monte Scherbelino

Fast vergessen (6): Von 1948 bis 1953 wurden eine Million Kubikmeter Kriegs-Bauschutt zu einem künstlichen Berg aufgeschüttet - und bepflanzt

Beliebte grüne Oase: Claudia Franke geht gerne mit ihrem Schäferhund und dem Husky einer Freundin auf dem sogenannten "Monte Scherbelino" spazieren. Sie ist von dem kleinen Berg begeistert, "ich denke allerdings fast nie daran, dass hier Schutt liegt". | © Kurt Ehmke

29.07.2016 | 29.07.2016, 05:59

Mitte. Täglich geht Claudia Franke spazieren - bergauf, bergab. Dass unter ihr Schutt liegt, "das habe ich fast vergessen, daran denke ich nur sehr selten", sagt sie. Dabei führt sie ihr Spaziergang über Massen an Schutt, sie ist auf dem "Monte Scherbelino" unterwegs. So nennen viele Bielefelder den heute grünen und von Bäumen bewachsenen Schutt-Berg.

Bombenkrieg

Der Bombenkrieg des Zweiten Weltkrieges hatte auch in Bielefeld seine Spuren hinterlassen. Waren die Angriffe zunächst in ihrer Zerstörungskraft begrenzt, so fiel die Altstadt am 30. September 1944 bei einem Angriff alliierter Bomber in Schutt und Asche. Danach folgten weitere Bombardierungen, so dass bei Kriegsende die Stadt weitgehend zerstört war. Nun galt es, die Trümmer zu beseitigen - für neuen Wohnraum.

Beliebte Rodelbahn: Auf diesem Foto aus dem Jahr 1962 ist die beliebte Monte-Scherbelino-Rodelbahn zu sehen. - © Stadtarchiv
Beliebte Rodelbahn: Auf diesem Foto aus dem Jahr 1962 ist die beliebte Monte-Scherbelino-Rodelbahn zu sehen. | © Stadtarchiv

Ein 30 Meter hoher Berg

Man muss schon genau hinsehen, um an der heutigen Brückenstraße - in der Nähe des Westfalen-Kollegs - einen kleinen Berg zu entdecken. Seit 1948 wurde hier, auf dem Gelände einer Ziegelei, das zerstörte Bielefeld aufgetürmt. Im Volksmund wird der fast 30 Meter hohe Schuttberg "Monte Scherbelino" genannt.

Städtische Ziegelei

Bis Anfang der 1940er Jahre befand sich an der Stelle die städtische Ziegelei, die die Stadt 1918 vom Siekeraner Ziegeleibesitzer Fritz Bockmeyer erworben hatte. Durch den Tonabbau war eine Kraterlandschaft entstanden, die ab 1941 verfüllt wurde, zunächst mit dem Aushub vom Bunker unter dem Bahnhofsvorplatz. Nach dem Ende des Krieges erinnerte man sich der Tonkuhle. Steinbruchbesitzer August Pape stellte seine Loren- und Feldbahn zur Verfügung, so dass die Tongrube einfach und schnell mit Trümmern aus der Innenstadt verfüllt werden konnte.

Deutsche Schuttberge

Überall wurde versucht, Überreste der Trümmer in den neuen Bauprozess einzubinden - doch vieles musste einfach aus den Städten herausgebracht werden. Auch in vielen anderen Städten entstanden damals so genannte Schutt- oder Trümmerberge, gerne wurden sie als "Mont Klamott" oder "Monte Scherbelino" bezeichnet. So findet man einen "Monte Scherbelino" auch in Frankfurt am Main (auf einen 172,5 Meter hohen Berg wurden 47 Meter Trümmer aufgeschüttet). Auch der heutige Olympiaberg in München hatte im Volksmund die Bezeichnung "Monte Scherbelino". Seine Höhe: 50 Meter - alles Trümmer. Das benachbarte Paderborn war durch den Krieg ebenfalls sehr in Mitleidenschaft gezogen worden. Auch dort gab es einen "Monte Scherbelino", wie auch in Stuttgart. In Berlin im Bereich Friedrichshain findet sich der kleine und große Bunkerberg. Im Volksmund wird letzterer als "Mont Klamott" bezeichnet. Der eine hat eine Höhe von 48 und der andere eine Höhe von 78 Metern - bei beiden sind 40 Meter der Höhe dem Schutt zu verdanken.

Von Bäumen umgrünt

Zurück nach Bielefeld: 1948 hatte der Bauausschuss auf der Grundlage eines geologischen Gutachtens den offiziell "künstliches Erdbauwerk" genannten Berg zu errichten. Es wurden fast eine Million Kubikmeter Schutt eingebaut. Die Ablagerungen wurden dann mit Pappeln sowie einigen Buchen, Kirschen, Ahornbäumen, Fichten und Sträuchern bepflanzt. Im April 1953 wurde am Tag des Baumes feierlich der letzte der 120.000 Bäume und Sträucher gesetzt und der Berg als Grünanlage der Öffentlichkeit übergeben. Legendär ist die dortige Rodelbahn. In den 1980er Jahren wurden zahlreiche Untersuchungen durchgeführt. Die Ergebnisse zeigten keine Gefährdung auf. Ebenfalls wird bis heute regelmäßig das Grundwasser analysiert.