Bielefelder Flüchtlinge äußern sich beschämt über die Übergriffe auf Frauen

Bielefeld. Dheyaa (24) aus Bagdad schließt kurz die Augen, seufzt und sagt: "Ich schäme mich für das, was diese Männer getan haben." Seit den sexuellen Übergriffen auf Frauen in Köln und Bielefeld geht er mit einem anderen Gefühl in die Stadt. Dheyaa hat eine Veränderung festgestellt: "Manche Leute gucken mich jetzt anders an." So wie dem Iraker geht es auch den Syrern in der Unterkunft. Beim Thema Übergriffe wird es laut in der Gruppe, es wird geschimpft, mit den Armen gerudert, dann gefordert: "Die Täter müssen hart bestraft und dann ausgewiesen werden." Darin sind sich alle einig. Deutschland sollte seinen schärfsten Gesetze anwenden. Auf keinen Fall dürften die Täter ohne Verurteilung abgeschoben werden, "sonst erhalten sie für ihre Tat noch Beifall zu Hause", warnen die Männer. Mitten unter ihnen steht eine Frau: Nasrim aus dem Irak, Mutter von Zwillingen. "Meine Kinder sind 13 Jahre alt, auch ich habe Angst vor solchen Männern", sagt sie. "Die können nicht ganz klar im Kopf gewesen sein", schimpft sie. Alle sind sich einig: Was auf dem Bielefelder Boulevard, in Köln und in anderen Städten an Silvester passiert ist, ist eine Schande. Die Syrer und Iraker vermuten, dass es sich bei den Tätern um Männer aus Dörfern handeln könnte, die noch nie Kontakt mit Frauen gehabt hätten und sich nun - betrunken - austoben wollten. Dheyaa hat solche Männer auf seinem Fluchtweg von Bagdad nach Bielefeld getroffen, sagt er. 20 Tage war er unterwegs, "da habe ich viele andere Flüchtlinge kennengelernt". Dheyaa wollte eigentlich daheim bleiben. Seine Eltern sind alt, sie brauchen Betreuung. Sein jüngerer Bruder war schon geflohen. Doch dann explodierte vor seinen Augen im Viertel eine Bombe. "Ich habe Menschen sterben sehen, auch Schüler und Frauen", sagt er. Nach dem Attentat sagten seine Eltern, auch er solle fliehen. Über die Türkei, Griechenland und den Balkan ging es nach Deutschland. In Ungarn saß er für ein paar Tage mit anderen im Gefängnis. "Sie haben uns wie Verbrecher behandelt." Das ist jetzt gut dreieinhalb Monate her. Auf der Flucht begegnete er aber nicht nur Menschen, die vor Krieg und Terror fliehen. "Es waren auch welche darunter, die nur wegen des Geldes nach Europa wollten, und welche, die dort Sex haben wollten", sagt er. Männer hätten ihre Frauen verlassen, um sich in Europa sexuell austoben zu können, ohne Verpflichtungen, ohne Ehefrau. Dheyaa findet das entsetzlich. Er fragte sich, was das für Männer sind, die so etwas tun. Er hätte nicht gedacht, dass es so etwas gibt. Aber es gab sie. Ein Iraker erklärt, warum es die Sextäter aus arabischen Ländern gibt. "In muslimischen Ländern ist Sex vor der Ehe verboten", sagt er, "aber viele haben kein Geld für eine Heirat. Deswegen haben sie große sexuelle Frustration. Kompensiert werde das mit dem verbrecherischen Sexualverhalten, bekannt geworden vom Tahir-Platz in Kairo, "aber das gibt es überall in den Ländern, auch bei uns im Irak", sagt er. Für ihn ist die religiös begründete Sexualmoral das Hauptübel. Die werde immer radikaler, seitdem Saudi-Arabien und andere Golfstaaten mit ihrem Geld und ihren TV-Sendern den fundamentalistischen Islam mehr und mehr verbreiten würden. "Mittlerweile wird deren Islam-Interpretation in sehr vielen Moscheen gepredigt." Die Syrer waren davon lange verschont. Für sie hat sexuelle Übergrifflichkeit bisher eine vergleichsweise geringere Rolle gespielt. Mit dem Terrorregime namens Islamischer Staat habe sich das geändert. Vor ihm sind sie geflohen, "gegen diese Extremisten ist Assad ein kleines Übel", erklärt ein Syrer, der als Ingenieur gearbeitet hat. Die umstehenden nicken. Der sich verbreitende religiöse Fundamentalismus erzeugt zwei gegenläufige Entwicklungen bei den Menschen, erklärt der Iraker. Zum einen seien immer mehr junge Männer und Frauen bereit, ihr Leben für den Dschihad zu opfern, dem entgegen gebe es auch immer mehr Atheisten oder Menschen, die dem Islam den Rücken kehren würden. Der 24-jährige Dheyaa gehört dazu. "Ich bin nicht mehr religiös", sagt er.

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