Was die Syrer denken

Bielefeld. Mehr als 80 Asylbewerber warten im ehemaligen Rütli-Hotel an der Osningstraße auf den Ausgang ihres Verfahrens. Sie warten auf ihre Zukunft. Die meisten kommen aus Syrien. Was sie denken, was sie wünschen, welche Pläne sie haben, warum sie gekommen sind - das haben wir sie gefragt. Waleed Shareef aus dem Irak, schon lange in Bielefeld, hat übersetzt.ESSENBevor auch nur eine Frage gestellt wird, ist das wichtigste Thema für die Syrer schon gefunden: das Essen. "Es schmeckt nicht", sagt einer. Alle nicken. Deswegen geben viele ihr Taschengeld für Döner oder andere Speisen im Imbiss aus. "Wir wollen lieber selber kochen", sagen sie. Eine große Küche gibt es im ehemaligen Hotel, Köche, die Lust hätten zu kochen auch. Nur die Lebensmittel müssten dann geliefert werden. Die syrische Küche, sagen sie, ist die beste im arabischen Raum.ALLTAGViel zu tun gibt es nicht. Die Tage bestehen aus Warten. Im Rütli ist es schön, aber Abwechslung wäre besser. In die Stadt fahren ist möglich. Mehrmals täglich bringt ein Taxi die Asylbewerber auf Wunsch zur Stadtbahnstation Sieker. Aber viel machen können sie auch in der Stadt nicht. Sie würden gerne mehr Deutschunterricht erhalten. Nur einmal in der Woche gibt es ihn. "Zu wenig", sagen sie.BILDUNG UND ARBEITDeutsch lernen steht ganz oben auf der Wunschliste. Alle wollen schnell entweder Arbeit finden, zur Schule gehen oder studieren. Unter ihnen ist Medizinstudent Khalid (20), Michel (23) hat sein Studium schon abgeschlossen, andere haben das Gymnasium in Syrien besucht, viele sind nach der 9. Klasse abgegangen, auch ein Analphabet ist unter ihnen.DEUTSCHLANDSie seien hier hin gekommen, weil Deutschland ein humanes Land sei, das Volk nicht aggressiv. Auf ihrem Weg, sagen manche, haben sie schlechte Erfahrungen gemacht in anderen europäischen Ländern. Dort habe man sie nicht gut behandelt. Deutschland sei sympathisch und biete ein sicheres Leben, Arbeit und Zukunft. Von der stabilen deutschen Wirtschaft haben sie schon in Syrien gehört.FRUSTMoao (25) ist seit einigen Monaten in Deutschland. Er ist frustriert, dass er immer noch herumsitzen muss. "Wir hätten nicht gedacht, dass es so lange dauert, bis wir arbeiten können." Moao ist Koch. Auch andere denken so, die Warterei nervt sie, zugleich fühlen sie Dankbarkeit dem Land gegenüber und verstehen, dass es wegen des hohen Andrangs an Flüchtlingen Probleme gibt. Es sei so, als ob man drei Gäste zum Abendessen erwartet habe, es seien dann aber 30 gekommen, fällt einem der Gesprächspartner als Gleichnis ein. Dennoch: Moao möchte am liebsten wieder zurück, eher heute als morgen.RELIGIONMichel ist Christ, die anderen Muslime. Viel wollen sie aber nicht mit Religion zu tun haben. Das religiöse Chaos im Herkunftsland hat sie verschreckt: "Christen, Jesiden, Drusen, Aleviten, Muslime, es gab Spannungen, das war nicht mehr auszuhalten", sagt Michel. "Jeder für seine Religion, Gott für alle", sagt ein anderer. Einer gibt zu: "Früher habe ich gebetet, jetzt nicht mehr." Ein anderer ergänzt, er möchte nichts mehr mit dem Islam zu tun haben. An die Extremisten von IS und al-Nusra wird erinnert: "Wenn die richtig lägen, wären wir geblieben." "Ich bin Muslim, aber kein Religiöser mehr, ich habe gesehen, was sie sich gegenseitig antun."FRAUEN"Alle haben die gleichen Rechte", sagt einer der Syrer. Es gibt allgemeine Zustimmung. Das Kopftuch ist Thema. Zakira (27), einzige Frau unter Männern, zeigt auf ihr Haar und erklärt: "Ich bin allein gekommen, ich habe in Syrien kein Kopftuch getragen, hier will ich es auch nicht." Der Tenor lautet: "Wir sind alle Brüder und Schwestern."

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