Vor rund zwei Jahren veröffentlichten die “Active Fungus Studios” mit ihrem Grafik-Adventure „A Bavarian Tale: Totgeschwiegen” einen kleinen Überraschungshit. Der Nachfolger, der seit dem 7. April 2025 auf dem Markt ist, spielt an der Nordseeküste, und wir haben beim Krabbenpulen ausprobiert, ob „Inspector Schmidt – The Ebbing“ genauso viel Spaß macht.
Als Valentin Schmidt (eigentlich Beamter aus München) ermittelten wir im Jahre 1866 in einem Mordfall in einem bayerischen Dorf. Vier Jahre später möchten wir unseren wohlverdienten Urlaub an der norddeutschen Küste verbringen und haben uns ein kleines Zimmer im beschaulichen Havstedt gemietet. Doch an Urlaub ist plötzlich nicht mehr zu denken, denn wieder wird eine Leiche entdeckt, in der Stadt tauchen seltsame Zeichen auf, und dann gibt es auch noch Gerüchte über eine Bestie, die im Moor lauern soll. Also machen wir uns auf den Weg, die Geheimnisse zu lösen und enthüllen ein Meer aus Lügen.
„Inspector Schmidt – The Ebbing“ spielt im Jahr 1870. England gelang die erste telegrafische Übermittlung von London nach Kalkutta in der Rekordzeit von 28 Minuten (vorher dauerte die Übermittlung einer Nachricht 30 Tage!), und die Franzosen haben dem Norddeutschen Bund den Krieg erklärt. Wie schon im Vorgänger werden weltgeschichtliche und nationale Ereignisse geschickt in das Spiel eingebunden.
Der Telegrafist Bente Hansen (dessen Frau das Gasthaus führt, in dem wir untergebracht sind) liegt morgens ermordet auf der Straße vor seinem Büro. Waren es vielleicht französische Spione, oder kommt der Täter aus den eigenen Reihen? Schnell finden wir heraus, dass bei Familie Hansen nicht alles im Lot ist. Die kleine Tochter spricht von einem Monster vor dem Haus, Bentes Bruder ist ein stadtbekannter Säufer, und vor einiger Zeit ist auch die Mutter verstorben – zudem deutet alles darauf hin, dass es sich hier nicht um einen natürlichen Tod handelte.
Der Urlaub ist also schnell vergessen, und Inspektor Schmidt ermittelt wieder.
So spielt sich „Inspector Schmidt – The Ebbing“
Nach der Einführung können wir zwischen zwei Möglichkeiten wählen, wie wir das Spiel erleben möchten. Im Storymodus bekommen wir automatisch Aufträge und Hinweise in unserem Notizbuch angezeigt, im Detektivmodus müssen wir – wie in Adventures der frühen 90er Jahre – Stift und Papier bereithalten, um unsere Notizen selbst zu führen.
Insgesamt erinnert vieles in „Inspector Schmidt – The Ebbing“ an den Vorgänger. Wir laufen durch die Hafenstadt Havstedt, reden mit den Bewohnern, kombinieren Gegenstände oder lesen Tagebücher, Notizen und Zeitungsartikel, um in der Geschichte weiterzukommen. Auch das Auswürfeln von Situationen, die Fertigkeiten und das Aufleveln bei gelösten Aufgaben findet sich hier wieder. Aber statt Weißwurst und Brotzeit gibt es nun Sprotten und ostfriesischen Tee. Spieler des Vorgängers finden sich jedenfalls schnell zurecht.
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Nachdem wir den Tod von Bentes Mutter geklärt haben, öffnet sich endlich die ganze Stadt für uns. Ab jetzt kümmern wir uns um den Mordfall Bente Hansen, die mysteriösen Zeichen an allen möglichen Ecken der Stadt und erfahren durch Gespräche viel über die Bewohner. Im Laufe der Geschichte kombinieren wir Notizen und Gegenstände, lösen mal mehr oder weniger schwierige Rätsel und schleichen uns in spannenden Missionen durch das Moor.
Was uns gefallen hat
Die Story ist sehr spannend erzählt. Auch den Geschichtsbezug fanden wir wieder toll. Deutschlands Historie hat so viel mehr zu erzählen als die Römer oder den Zweiten Weltkrieg. Immer wieder haben wir das Spiel unterbrochen und im Internet recherchiert, um unser Wissen über die Zeit des Deutsch-Französischen Krieges aufzufrischen.
Die norddeutsche Atmosphäre wurde gut eingefangen, es machte Spaß durch das (fiktive) Havstedt zu schlendern, wir konnten die Seeluft schon fast riechen. Auch Licht- und Wettereffekte sind toll umgesetzt, und in der Nacht ist die Moorlandschaft richtig gruselig.
Was uns nicht gefallen hat

Leider finden wir auch im zweiten Teil einige Sachen wieder, die uns schon im Vorgänger nicht gefallen haben. Die Animationen sind immer noch sehr hölzern. Einige Charaktere wirken, als ob sie direkt vom Volkstheater kommen. Das ist vielleicht Absicht, wir hätten uns das aber ein wenig anders gewünscht.
Diesmal konnte uns auch die Synchronisation nicht begeistern, Gesprächspartner klingen oft zu emotionslos. Der norddeutsche Dialekt klingt bei manchen Charakteren eher aufgesetzt oder er existiert gar nicht, was uns bei Personen, die ihr ganzes Leben in Havstedt gewohnt haben sollen, doch etwas seltsam vorkommt. Das wirkte vor zwei Jahren in Bayern authentischer, aber das Studio plant bereits eine komplett plattdeutsche Sprachausgabe.
Kleinere Bugs und Rechtschreibfehler in den Texten sind uns zwar aufgefallen, stören aber das Gesamtpaket kaum. Eine Controllersteuerung ist grundsätzlich vorhanden, funktioniert aber nur teilweise, bevorzugt spielt man mit Maus und Tastatur. “Active Fungus Studios” wird hier sicherlich wie im Vorgänger noch einige Updates nachliefern.
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Unser Fazit zu „Inspector Schmidt – The Ebbing“
“Active Fungus Studios” ist wieder ein spannendes Abenteuer im unverbrauchten Szenario gelungen. Wir sind gespannt, wohin uns der Weg von Inspektor Schmidt noch führt. Das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts bietet viele Möglichkeiten, auch außergewöhnliche Geschichte(n) zu erzählen. Es muss ja nicht immer ein Mordfall sein.
Die Mängel, von denen die meisten hoffentlich bald ausgemerzt werden, trüben den Spielspaß doch ein bisschen. Der Vorgänger war auch nicht fehlerfrei, fühlte sich aber insgesamt runder an.
Trotzdem bietet „Inspector Schmidt – The Ebbing“ einige Stunden Spielspaß mit nicht zu schweren Rätseln und Herausforderungen. Sowohl Anfänger als auch erfahrene Adventure-Spieler können hier auf ihre Kosten kommen.
„Inspector Schmidt – The Ebbing“ ist seit dem 7. April 2025 für Windows PC verfügbar und kostet knapp 20 Euro. Eine Portierung für Xbox und Playstation 5 steht auf der Agenda.
Ein kleiner zusätzlicher Tipp: Neben der Demo gibt es auf Steam auch einen Prolog, der die Reise nach Havstedt erzählt. Leider gibt es hier nur eine englische Sprachausgabe mit deutschen Untertiteln, aber er macht ein paar Sachen im Hauptspiel verständlicher. Sowohl Demo als auch Prolog sind kostenlos – interessant für alle, die mal ins Spiel reinschnuppern möchten.
INFORMATION
In diesem Kontext spielt „The Ebbing“
Der Deutsch-Französische Krieg von 1870/71 endete mit dem Sieg der deutschen Staaten unter Preußens Führung, der Gefangennahme Napoleons III. und dem Fall von Paris. Frankreich musste Elsass-Lothringen abtreten und hohe Reparationen zahlen, das verstärkte die deutsch-französische „Erbfeindschaft“, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts anhielt. Der Krieg markierte das Ende des Zweiten Französischen Kaiserreichs und forderte mehr als 400.000 Tote und Verwundete. Er war der letzte der deutschen Einigungskriege und leitete die Gründung des Deutschen Kaiserreichs ein.