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"EA Sports WRC" im Test: Zurück in die Zukunft

Codemasters hat die Lizenz des bekannten Rallye-Videospiels übernommen und macht gemeinsame Sache mit EA Sports. Was daraus geworden ist, haben wir getestet.

Seit 3. November ist mit "EA Sports WRC" die erste Gemeinschaftsproduktion der Entwickler EA und Codemasters auf dem Markt. | © EA Sports

Matthias Reiprich
03.11.2023 | 03.11.2023, 17:44

Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass wir "WRC Generations" getestet haben. Es war der letzte Teil der Reihe, die von Kylotonn produziert wurde. Das Spiel war keine Katastrophe, wirklich vom Hocker gehauen hat es uns aber auch nicht. Und so hat die Nachricht, dass Codemasters die Lizenz der beliebten Rallye-Videospielserie übernimmt, schon mittelgroße Jubelstürme in uns ausgelöst.

Mit der Spielreihe der "Colin McRae"- und "Dirt"-Rallyespiele wurden in der Vergangenheit regelmäßig Maßstäbe gesetzt, nun arbeitet das Unternehmen seit 2021 mit EA Sports zusammen. Gemeinsam haben sie jetzt "EA Sports WRC" auf den Markt gebracht. Schon beim exklusiven Preview-Event im September haben wir persönlich einen Eindruck vom Spiel bekommen, der sich sehen lassen konnte.

Trotzdem: Ankündigungen, Erwartungen und Hoffnungen sind das eine. Das wirkliche Spielgefühl bekommen wir aber erst, wenn wir selbst zum Lenkrad greifen dürfen. Das haben wir nun getan, und was sollen wir sagen? Wir haben richtig Lust aufs Rallyefahren bekommen!

Staubige Wüsten und eisige Pisten

Zuerst zu den harten Fakten: Das Lizenzpaket ist gewohnt üppig. Neben den 13 Rallyes des aktuellen Rennkalenders können wir zusätzlich fünf historische Rallyes fahren. Außerdem stehen uns zehn offizielle Boliden der WRC, WRC2 und Junior-WRC sowie zusätzlich 68 historische Fahrzeuge zur Verfügung.

Dank der neu im Spiel umgesetzten Unreal Engine 5 sind die einzelnen Etappen noch länger und somit realistischer. Zwar merken wir, wie schwer es ist, die Konzentration permanent hochzuhalten. Trotzdem gefallen uns die ausufernden Wertungsprüfungen extrem gut. Viele Etappen sind originalgetreu den echten Etappen der offiziellen Rallye-Weltmeisterschaft nachempfunden.

Einfach ein Klassiker: Der Subaru Impreza aus dem Jahr 1998 ist und bleibt unser Favorit bei der Fahrzeugwahl. - © EA Sports
Einfach ein Klassiker: Der Subaru Impreza aus dem Jahr 1998 ist und bleibt unser Favorit bei der Fahrzeugwahl. | © EA Sports

Ob durch staubige Wüstenlandschaften in Kenia, enge Gassen Monacos oder über eisige Pisten Schwedens, die Fahrt im historischen Subaru Impreza weckt nostalgische Erinnerungen in uns und dauert in Einzelfällen länger als 20 Minuten. Wir haben nach solchen Etappen mehr als zuvor höchsten Respekt vor den Profi-Rennfahrern, die im Gegensatz zu uns natürlich nicht zwischendurch ihre Fahrt unterbrechen können.

Mittendrin statt nur dabei

Die Optik des Spiels ist im Vergleich zu "WRC Generations" ein deutlicher Schritt in die Zukunft – das Spiel sieht großartig aus. Die Wetterbedingungen sind realistisch dargestellt, und auch die Umgebungen der Strecken gefallen uns sehr. Einzig die Lichtverhältnisse machen uns ab und an zu schaffen und wirken nicht immer ausbalanciert.

Bei strahlendem Sonnenschein wirken sowohl die Strecken als auch die Umgebungen sehr hell, und wir sind fast geneigt, vor dem Bildschirm unsere Sonnenbrille aufzusetzen. Das ist aber Meckern auf hohem Niveau, denn insgesamt setzt "EA Sports WRC" grafische Maßstäbe im Rallye-Bereich. Und nicht nur hier. Selten haben wir ein Rennspiel mit einem so realistischen Fahrgefühl gespielt.

Dank Force Feedback spüren wir regelrecht, wo wir gerade unterwegs sind, und das macht einfach Laune. Der Schwierigkeitsgrad ist gewohnt hoch, und auch die Gegner-KI ist anspruchsvoll. Obwohl wir oft unsere ganze Kraft dafür aufwenden müssen, lassen sich die Rennfahrzeuge geschmeidig über die Pisten steuern. Wir haben unsere Boliden deutlich besser im Griff als noch im Vorgänger.

Schade, kein Schaden

Zwei Punkte müssen wir trotzdem ansprechen. Die Straßen sind im Vergleich zu den Vorgängerspielen an vielen Stellen noch schmaler geworden. Das ist natürlich realistisch, bestraft Fehler aber gnadenlos. Wir brauchen ein wirklich gutes Nervenkostüm, um ohne Patzer ins Ziel zu kommen. Gravierender als die engen Kurse ist allerdings das Schadensmodell der Autos.

Was uns im Preview-Event durch die Blume schon mitgeteilt wurde, hat sich im Spiel bestätigt: Auch bei starken Zusammenstößen mit Bäumen, Schildern und Pfeilern am Wegesrand nimmt unser Bolide wenig Schaden, vor allem optisch passt der Grad der Zerstörung nicht zur Wucht des Aufpralls. Wir sind gespannt, ob sich daran noch etwas ändert oder ob die offiziellen Autohersteller einfach keine zu kaputten Autos im Spiel sehen wollen.

"EA Sports WRC" hat eine Vielzahl verschiedener Spielmodi zu bieten. In der Rallye-Schule bekommen Einsteiger die Basics erklärt und lernen das Fahren von der Pike auf. Der Modus ist gut umgesetzt und hilft Anfängern wirklich weiter. Wir als erfahrene Rallye-Hasen konnten jedoch einige Schulklassen überspringen und sind schnell eingetaucht in die große Welt des echten Rallye-Sports.

Nach der Schule ist vor der Karriere

Wer einfach drauflos spielen möchte, kann problemlos ein Fahrzeug wählen und damit alle Rallye-Events einzeln oder als Championship hintereinander spielen. Wir haben zuerst den Karrieremodus genauer unter die Lupe genommen und sind zufrieden.

Nachdem wir unser Team erstellt haben, übernehmen wir die Budgetplanung für die Saison, stellen Mechaniker ein, verhandeln mit Sponsoren und entscheiden, wen aus der Crew wir mit in die verschiedenen Länder nehmen. Wir entscheiden, an welchen Rallyes wir teilnehmen und haben außerdem die Möglichkeit, den Etappen-Umfang der Rallyes festzulegen.

Schade ist, dass die Auswahl der Fahrer sich auf das Erstellen eigener Piloten beschränkt. Hier werden wir nicht müde zu betonen, dass wir uns für die Zukunft analog zu anderen Sportspielen einen Fahrer-Transfermarkt mit real existierenden Nachwuchstalenten wünschen, um aus diesen gestandene Rallye-Profis zu formen.

Keine gemeinsamen Konsolenduelle

Dass man Fahrzeuge im Builder-Modus selbst bauen und dann in verschiedenen Spielmodi fahren kann, ist aus unser Sicht eine nette Spielerei für zwischendurch. Mehr Hoffnungen haben wir im Vorfeld in den sogennanten Moments-Modus gesetzt, bei dem wir besondere Sequenzen aus 50 Jahren Rallye-Geschichte noch einmal erleben können.

Staubige Angelegenheit: Die Effekte auf der Rennstrecke sind detailgetreu atmosphärisch. - © EA Sports
Staubige Angelegenheit: Die Effekte auf der Rennstrecke sind detailgetreu atmosphärisch. | © EA Sports

Bestätigt haben sich diese Hoffnungen nicht. Die Video-Ausschnitte sind ziemlich kurz und wirken als wären sie willkürlich ausgewählt worden. Nostalgie kommt bei uns entsprechend kaum auf. Neue Herausforderungen sollen in der Zukunft regelmäßig hinzugefügt werden, viele sind jedoch hinter der Bezahlschranke für Abonnenten von EA Play versteckt.

Zwar kann man sich im Spiel online gegen Fahrer aus aller Welt messen, was uns fehlt ist allerdings ein Offline-Mehrspielermodus. Auch wenn man aufgrund der sportlichen Rahmenbedingungen nicht zeitgleich gegeneinander antreten kann, hat uns der direkte Kampf gegen Freunde vor Ort in früheren Spielen oft zu Höchstleistungen und manchmal zu haarsträubenden Fehlern inspiriert.

Fazit

Schon nach wenigen Spielstunden ist für uns klar, dass "EA Sports WRC" neue Maßstäbe im Bereich der Rallye-Spiele setzt. Schiebt man den Nostalgiefaktor beiseite, ist der Titel die wohl beste Rallye-Simulation, die wir bisher gespielt haben. Besonders das realistische Fahrgefühl, die Optik und die herausfordernd langen Etappen sorgen bei uns für viel Spielspaß.

Trotzdem gibt es noch Verbesserungspotenzial für das Spiel. Neben dem unrealistischen Schadensmodell sind hier vor allem der nicht ausgereifte Moments-Modus und der nicht vorhandene lokale Mehrspielermodus zu nennen. Auch die Karriere hat noch Luft nach oben. Setzen die Entwickler an den richtigen Stellen an, kann aus einem wirklich gelungenen Rallye-Abenteuer in Zukunft ein noch herausragenderes werden.

"EA Sports WRC" ist für Vorbesteller am 31. Oktober sowie regulär am 3. November 2023 erschienen. Es ist erhältlich für Playstation 5, Xbox Series X/S und PC und kostet circa 50 Euro. Wir haben die Playstation 5-Version getestet.