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"Sea of Stars" im Test: Ein etwas zu klassisches Rollenspiel

Das neueste Werk des kanadischen Sabotage Studio mausert sich auf Steam gerade zum Überraschungshit – und das trotz oder gerade wegen der 2D-Optik. Wir haben das Game genauer unter die Lupe genommen.

Die Heldin Valere und ihr Kompagnon Zale müssen im Retro-Rollenspiel „Sea of Stars“ die Welt retten. | © Sabotage Studio

Sebastian Beeg
25.09.2023 | 25.09.2023, 17:51

Immer wieder schaffen es Games von kleineren Studios, Indie-Entwicklern oder Produktionen, die schlichtweg keine große finanzielle Grundlage hatten, den großen AAA-Blockbuster-Titeln die Stirn zu bieten. Derzeit dominieren Larians „Baldur’s Gate III“ und Bethesdas „Starfield“ die Gaming-Szene – scheinbar.

Denn heimlich, still und leise schickt sich seit neuestem ein Retro-Rollenspiel an, den beiden Platzhirschen ordentlich Konkurrenz zu machen. „Sea of Stars“ sieht aus, wie ein Titel aus den 80ern, wie zu den Hochzeiten des Super Nintendos. Schon am Erscheinungstag soll sich das Spiel vom kanadischen Entwickler Sabotage Studio bereits 100.000 Mal verkauft haben. Innerhalb der ersten Woche nach Veröffentlichung sollen es gar 250.000 Einheiten gewesen sein. Und die Fachpresse ist voll des Lobes über den Überraschungshit in 2D-Optik.

Wir haben uns ebenfalls in die Fantasywelt rund um Mooncradle gestürzt und „Sea of Stars“ ausgiebig getestet.

Worum geht’s?

Während des Abenteuers steuern wir unsere Gruppe über eine nett gestaltete Weltkarte. - © Sabotage Studio
Während des Abenteuers steuern wir unsere Gruppe über eine nett gestaltete Weltkarte. | © Sabotage Studio

In „Sea of Stars“ steuern wir zu Beginn zwei Charaktere. Später kommen weitere Begleiter hinzu. Das Startduo, die Mondmönchin Valere und der Sonnenklingentänzer Zale, stehen dabei als Haupthelden im besonderen Fokus. Weil sie zur Mond- beziehungsweise Sonnenfinsternis geboren wurden, verfügen sie über besondere Fähigkeiten. So besonders, dass sie laut Legende als einzige in der Lage sind, dem Bösewicht Fleshmancer und seinen Schergen das Handwerk zu legen.

Zu Beginn des Spiels sind Valere und Zale allerdings noch Kinder, die in der Zenith-Akademie ausgebildet werden. Diese Ausbildung dient uns als eine Art Tutorial, in dem wir die Grundlagen des Spiels und vor allem des Kampfsystems kennenlernen.

Danach schicken wir uns an, die Welt zu retten, stellen uns übermächtigen Feinden, schließen Freundschaften, erleben Hoffnung gleichermaßen wie Verrat – und das alles in einer recht kompakten Spielzeit von 30 bis 40 Stunden.

Was uns gefallen hat

Während der Kämpfe kommt es auf besonderes Timing an. Hier stehen unsere Gegner kurz davor, uns mit mächtigen Angriffen zu attackieren. Wenn wir sie mit Valeres Mond-Bumerang angreifen, können wir die Attacken abwehren, wie die Symbole über deren Köpfen anzeigen. - © Sabotage Studio
Während der Kämpfe kommt es auf besonderes Timing an. Hier stehen unsere Gegner kurz davor, uns mit mächtigen Angriffen zu attackieren. Wenn wir sie mit Valeres Mond-Bumerang angreifen, können wir die Attacken abwehren, wie die Symbole über deren Köpfen anzeigen. | © Sabotage Studio

„Sea of Stars“ erweckt in uns das Gefühl, dass die gute alte Zeit, in der wir mit Freunden vor dem Gameboy oder der NES saßen, nie vorbei gegangen ist. Das Spiel fühlt sich an wie ein Klassiker, den wir schon hunderte Male durchgespielt haben. Dafür sorgt nicht nur die 2D-Grafik im 16-Bit-Stil, die schön gestaltet und mit viel Liebe zum Detail programmiert ist. Auch die stimmungsvolle Musik trägt ihren Teil dazu bei, dass wir uns sofort wohlfühlen.

Das Kampfsystem von „Sea of Stars“ hat uns besonders gut gefallen. Grundsätzlich laufen die Kämpfe rundenbasiert ab. Ist einer unserer Charaktere an der Reihe, können wir Gegner ganz normal mit unseren Waffen angreifen oder mit spezifischen Zaubern zu Leibe rücken. So kann Zale etwa einen Feuerball beschwören, während Valere eine Mondsichel als Bumerang werfen kann. Dabei müssen wir allerdings unsere Mana-Leiste im Auge behalten. Denn ohne Mana lässt sich nicht zaubern.

Interessant ist dabei eine Art Schlüsselsystem: Ab und zu erscheinen Symbole über den Köpfen unserer Gegner. Diese geben an, dass der Gegner bald einen mächtigen Angriff startet. Die Symbole können wir allerdings beseitigen, indem wir mit den dazu passenden Schadensarten attackieren. Beseitigen wir alle Symbole, verhindern wir den mächtigen Angriff.

Immer wieder treffen wir auf Bossgegner. Hier bekämpfen wir eine etwas zu groß geratene und äußerst verärgerte Schnecke. - © Sabotage Studio
Immer wieder treffen wir auf Bossgegner. Hier bekämpfen wir eine etwas zu groß geratene und äußerst verärgerte Schnecke. | © Sabotage Studio

Wir können auch mehrmals zuschlagen, wenn wir im richtigen Moment die Angriffstaste nochmals drücken. Gleiches gilt in der Verteidigung. Sind wir reaktionsschnell und drücken die Angriffstaste, wenn wir uns verteidigen müssen, stecken wir weniger Schaden ein.

Diese Mechanik hat aber noch eine andere Funktion. Denn über den geistesgegenwärtigen Gebrauch der Angriffstaste füllen wir auch unsere Kombo-Punkteleiste auf. Die dort gesammelten Punkte können wir wiederum für besonders mächtige Angriffe, die Kombos, ausgeben, die vor allem gegen Bossgegner effektiv sind.

Insgesamt verlangt das System vor allem in den größeren Kämpfen von uns, dass wir sie taktisch angehen und uns überlegen, welchen Gegner wir wann mit welcher Attacke angreifen. Zudem ist das Timing sehr wichtig und die halbe Miete. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten hatten wir hier rasch den richtigen Dreh raus.

Was uns nicht gefallen hat

„Sea of Stars“ sieht nicht nur aus, wie ein Spiel aus längst vergangenen Tagen – manchmal spielt es sich auch so. Die Steuerung über die PC-Tastatur ist zuweilen ungenau. Oft sind wir nur grob in die Richtung gelaufen, in die wir eigentlich wollten oder sind an Pixeln hängen geblieben, obwohl wir springen wollten. Deutlich besser spielt sich der Titel dagegen auf dem Steam-Deck, dem Handheld von Valve, auf dem sich der Titel dann auch haptisch so anfühlt, als würde man ihn auf dem Gameboy zocken.

Ein weiterer Minuspunkt ist für uns das Speichersystem des Spiels. „Sea of Stars“ arbeitet mit Speicherpunkten. Entdecken wir auf der Karte ein Buch auf einem Sockel, können wir dorthin laufen und unseren Fortschritt speichern. Die Punkte sind zwar überall auf der Karte verteilt, es gibt allerdings auch längere Passagen, in denen wir nicht speichern konnten. Das wurde uns in unserem Test am Anfang zum Verhängnis. Innerhalb der ersten knapp 15 Minuten mussten wir das Spiel beenden – und nach dem Neustart dieselbe Passage erneut spielen. Ärgerlich.

Unser Freund Garl ist uns gleich sympathisch. Das Buch in der linken Bildhälfte ist übrigens einer der Speicherpunkte, die über die Karte verstreut sind. - © Sabotage Studio
Unser Freund Garl ist uns gleich sympathisch. Das Buch in der linken Bildhälfte ist übrigens einer der Speicherpunkte, die über die Karte verstreut sind. | © Sabotage Studio

Weit größere Probleme hatten wir allerdings mit zwei anderen Punkten: So bleiben die Haupthelden Valere und Zale für ein Rollenspiel ungewöhnlich blass. Dafür, dass die beiden im Grunde ihre gesamte Kindheit opfern müssen, damit sie zu Superkriegern herangezüchtet werden, um das Böse zu besiegen, entwickeln sie keinerlei Tiefe. Es gibt es keine inneren Konflikte oder Zerrissenheit. Das ist aus unserer Sicht verschenktes Potenzial, zumal andere Charaktere, etwa Garl, da deutlich dynamischer gezeichnet sind, und die Erzählung viel ernsthafter ist, als der Comiclook auf den ersten Blick vermuten lässt.

Zudem haben die Entwickler aus unserer Sicht Potenzial bei den Relikten verschenkt. Die können wir im Laufe des Spiels entdecken oder bei Händlern kaufen. Mithilfe der Relikte füllen sich etwa die Mana- und Lebensleisten nach einem Kampf wieder komplett auf. Oder wir erhalten einen dauerhaften Preisnachlass bei den besagten Händlern. Allerdings gibt es keine Begrenzung, wie viele Relikte wir mitführen dürfen. Zudem gibt es keinen Nachteil, wenn wir ein Relikt ausrüsten. Das fühlt sich dann ein bisschen nach Schummeln an – auch wenn es innerhalb des Spiels legal ist. Schade, denn die Relikte hätten durch eine elegantere Konzeption das Potenzial, eine strategische Tiefe in das Game zu bringen. So bleiben sie lediglich simple Möglichkeiten, sich das Spiel leichter oder schwerer zu machen.

Fazit

Im Prinzip appelliert „Sea of Stars“ an ein Gefühl und spricht die Spielerinnen und Spieler auf einer emotionalen Ebene an. Das Game erinnert an die 16-Bit-Ära und an eine (längst vergangene) Gameboy-Zeit. Offen gestanden konnten auch wir uns dieses Charmes nicht ganz entziehen. Zumindest für kurze Zeit. Denn recht schnell werden Schwächen deutlich, die die Freude und den Spielspaß an dem Titel aus unserer Sicht dämpfen. Dabei ist „Sea of Stars“ beileibe kein schlechtes Spiel – es vergibt leider nur zu viel Potenzial.

"Sea of Stars" ist erhältlich für PC, Playstation 4/5, Nintendo Switch, Xbox One sowie Xbox Series X/S und kostet rund 34 Euro. Wir haben die PC-Version auf Steam getestet.