Der französische Indie-Entwickler und -Publisher "Dontnod", der in der Games-Gemeinde bekannt und beliebt ist für seine hochgelobte "Life is Strange"-Serie, hat ein neues narratives Videospiel auf den Markt gebracht: "Harmony: The Fall of Reverie". Ist es erneut ein farbenfroher Glücksgriff für alle diejenigen, die neben der ganzen Action auch mal entschleunigte Spiele spielen? Oder ist Harmonie am Ende dann doch zu harmonisch? Das haben wir mit der seit dem 22. Juni erhältlichen PS5-Version des 2D-Adventures getestet.
Worum geht's eigentlich?
In "Harmony: The Fall of Reverie" schlüpfen Spieler in die Rolle von Polly, einer jungen Frau, die in ihre Heimat zurückkehrt, um ihre plötzlich verschwundene Mutter Ursula zu suchen. Auf ihrer Reise entdeckt Polly, dass sie die Gabe der Hellsicht besitzt, die sie mit einer anderen Welt, Reverie, verbindet, in der sie zu Harmonie wird. Wir müssen nun versuchen, das Gleichgewicht zwischen unserer Welt und Reverie, dem Reich der göttlichen Wesen, die als Aspirationen bekannt sind, wiederherzustellen: Ruhm, Seligkeit, Macht, Chaos, Bindung und Wahrheit. Klar soweit?
Als Harmonie müssen wir eine solche Aspiration auswählen, die das neue Herz der Menschheit werden soll. Wir benutzen das sogenannte Augural, um zwischen Szenen zu wechseln, in die Zukunft zu sehen und neue Wege zu öffnen. Reverie ist der Ort, an dem Ressourcen verwaltet werden: Kristalle, die Harmonie durch das Treffen von Entscheidungen und das Verbinden mit Aspirationen erhält. Diese schalten wichtige Knotenpunkte in der Geschichte frei und verändern den Lauf des Schicksals.
Was uns gefallen hat
"Harmony: The Fall of Reverie" ist kein Spiel im eigentlichen Sinne, sondern eher eine Visual Novel, also ein interaktives, sehr textbasiertes Videospiel. Das muss man wissen und wollen. Aber wer sich darauf einstellen mag, findet in der rund acht bis zehn Stunden langen Geschichte eine nette Variation der "Dontnod"-Machart, wie wir sie aus "Life is Strange" oder dem zuletzt von uns getesteten "Twin Mirror" kennen.
Neu ist, dass wir über das Augural bis zu einem gewissen Teil erkennen können, welchen Pfad unsere Geschichte nimmt, wenn wir uns an einer Gabelung für etwas entscheiden. Wir können sozusagen vage in die Zukunft schauen und danach unsere moralischen oder unmoralischen Entscheidungen treffen. Richtig überzeugt hat uns das Prinzip jedoch nicht. Will man immer schon ahnen können, was eine Entscheidung bringt, auch wenn man das Ende der Entscheidungskette nicht absehen kann?
Bei der Optik dagegen können wir nicht meckern, das Spiel sieht einfach in fast allen Facetten toll aus, vor allem in dieser anime-artigen Grafik. Und auch die (englische) Sprachausgabe ist gut. Eine deutsche Sprachausgabe gibt es leider nicht, aber immerhin sind alle Texte vollständig ins Deutsche übersetzt. Wir fragen uns allerdings, warum viele Figuren sprechen dürfen, unsere Hauptfigur Polly aber immer stumm bleibt und wir nur Text lesen können.
Was uns nicht gefallen hat
Aller Anfang ist schwer, sagt man. Das gilt leider auch für dieses Spiel, denn was wir in der ersten halben Stunde an (Hintergrund-)Wissen um die Ohren geballert kriegen, ist schon allerhand. Wir haben zwar den sogenannten Kodex, ein Nachschlagewerk, in dem wir nachgucken können, wenn wir die Begrifflichkeiten mal vergessen haben, aber der Zugang zum Spiel wird damit trotzdem nicht erleichtert. Wir sagen deshalb, dass diese Wissenswelle die größte Hürde für das Spiel ist, Spielerinnen und Spieler zu begeistern.
Die nächste Hürde ist: Die Story. Es mag Menschen geben, die sich mit Polly/Harmonie identifizieren können – wir gehören nicht dazu. Und tatsächlich hat uns ihre Geschichte nicht so sehr gereizt, dass wir kaum den Controller weglegen konnten. Im Gegenteil: Wir mussten uns zwingen, fortzufahren, um eine angemessene Rezension schreiben zu können. Die Story hat uns leider überhaupt nicht gepackt, auch emotional nicht. Wir vermuten auch hier wieder, dass uns der schwierige Start ins Spiel einfach nachhaltig verfolgt hat. Immerzu in den Kodex schauen. Was war nochmal ...? Naja.
Fazit
Man muss sagen: Jeder Spieleentwickler und -Publisher muss auch mal schwache Spiele abliefern. "Harmony: The Fall of Reverie" ist ein solches Spiel. Es wird sicherlich auch Spielerinnen und Spieler geben, die der größtenteils Gameplay-freien Visual Novel etwas abgewinnen können, aber wir hoffen derweil einfach auf das nächste Spiel aus der "Dontnod"-Schmiede.
"Harmony: The Fall of Reverie" ist seit dem 8. Juni 2023 für PC (Steam) und Nintendo Switch sowie seit dem 22. Juni 2023 für PlayStation 5 und Xbox Series X|S erhältlich und kostet rund 25 Euro.