Das Original erschien im September 1994 für MS-DOS und wird immer noch als Videospiel-Klassiker bezeichnet. Es gab einen Nachfolger, und zahlreiche Spiele haben sich seitdem von "System Shock" inspirieren lassen, unter anderem die als inoffizielle "System Shock"-Nachfolger bekannte "BioShock"-Serie.
2015 erschien die "Enhanced Edition" im alten Look, aber mit hochauflösender Grafik und für moderne Systeme optimiert. Gleichzeitig kündigten die Nightdive-Studios eine Neuauflage an, die nach einigen Verschiebungen nun endlich erschienen ist.
Worum geht es?
In "System Shock" spielen wir einen Hacker im Jahr 2072, der für den korrupten Vizepräsidenten der "TriOptimum Corporation" auf einer Raumstation der künstlichen Intelligenz SHODAN ihre ethischen Beschränkungen entfernen soll. Als Gegenleistung werden ihm die vergangenen Strafen erlassen und er bekommt ein militärisches Cyberspace-Interface implementiert, das er schon immer haben wollte. Während der Hacker im mehrmonatigen Heilungsschlaf verweilt, übernimmt SHODAN die Station, tötet die Besatzung oder verwandelt sie in willenlose Cyborgs. Ihr nächstes Ziel: nichts weniger als die ganze Menschheit zu vernichten.
Wir als der namenlose Hacker müssen nun unsere Fehler wieder gutmachen und SHODAN von ihrem teuflischen Plan abhalten. Was im ersten Moment wie der typische 3D-Shooter klingt, ist tatsächlich etwas Besonderes. Schon vier Jahre vor dem ersten "Half Life" wurden hier geschickt Action, Rätsel und spannende Geschichte in ein aufwendiges Abenteuer verwoben, das locker 15 bis 20 Stunden begeistern konnte.
Die jetzt erscheinende Neuauflage hält an diesem Konzept fest, wurde aber mit schönerer Grafik und verbessertem Gameplay aufbereitet. Schauen wir doch mal, ob das für die nächsten 30 Jahre reicht.
Wie spielt es sich?
Kurz vor dem Test haben wir die "Enhanced Edition" von 2015 zum Vergleich noch einmal angespielt. Nach heutigen Standards ist jene Version manchmal schon eine Quälerei, egal ob bei Steuerung oder Grafik. Sie macht aber trotzdem immer noch sehr viel Spaß. Deshalb waren wir sehr interessiert, wie sich das neue "System Shock" spielt.
Die gute Nachricht: Es spielt sich wirklich gut. Wer vor einigen Monaten die Demo gespielt hat, kann beruhigt sein. Die Steuerung wurde deutlich verbessert, und wir hatten nicht mehr das Gefühl, dass wir von unserem einfachen Bleirohr nach einem Schlag durch die Gegend geschleudert werden. Auch das Verhalten der Schusswaffen hat uns gut gefallen. Aber Achtung: Wer hier einen waschechten Shooter erwartet, wird wahrscheinlich enttäuscht werden. "System Shock" möchte ein Abenteuer sein und eine Geschichte erzählen. Schnelle Shooter-Action gibt es selten, die Kämpfe fühlen sich behäbiger an, als man das heute gewohnt sein mag.
Trotzdem ist das Spielprinzip so faszinierend wie damals. Wir laufen durch die dunklen Gänge der Raumstation Citadel, lesen Tagebucheinträge der ehemaligen Besatzung und lösen Schalter- und andere Rätsel, um Türen zu öffnen. Dafür laufen wir durch neun verschiedene Stockwerke, die wir teilweise auch mehrmals besuchen müssen. Einen klassischen Levelaufbau gibt es hier nicht. Dabei stoßen wir auch auf viele verschiedene Gegner. Sind es anfangs noch einfache, dumme Cybermutanten, werden Gegner mit der Zeit stärker und intelligenter. Auch neue Gegnerklassen gibt es einige.
Mehrmals müssen wir über spezielle Terminals in den Cyberspace eintauchen, der das Spiel im wahrsten Sinne auf den Kopf stellt. Wir bewegen uns frei in einem virtuellen Datennetz, um Informationen zu sammeln oder Türen zu öffnen. Aber auch hier ist SHODAN nicht ohne Gegenwehr und hetzt uns Killerprogramme auf den Hals. Diese Abschnitte werden mit der Zeit immer größer und schwerer, aber wir sind nicht wehrlos und können uns mit der entsprechenden Software, die wir unterwegs einsammeln, zur Wehr setzen.
Ein wichtiger Hinweis: "System Shock" ist nichts für Zartbesaitete. Zwar verlaufen die Kämpfe verhältnismäßig unbrutal (im Vergleich zu ähnlichen Spielen der heutigen Zeit), aber überall in der Station liegen Leichen herum, die sehr oft übel zugerichtet wurden, an den Wänden wurden Nachrichten offensichtlich mit Blut geschrieben, und überhaupt werden Blut, Knochen und Körperteile in großen Mengen als Stilmittel eingesetzt. Auch den einen oder anderen Schreckmoment hatten wir, wenn uns plötzlich von hinten ein Cybermutant angegriffen hat. Wem bei so etwas mulmig wird, sollte besser die Finger von "System Shock" lassen. Durch das behäbige Spielprinzip der damaligen Zeit ist die Brutalität aber weit davon entfernt, was wir heute in Spielen wie "Doom", "Outlast" oder "Resident Evil" geboten bekommen.
"System Shock" ist wirklich schwer, hat aber ein schon damals besonderes Feature: Egal ob Gegner- oder Rätselanzahl: Anhand von vier Optionen können wir den Schwierigkeitsgrad für uns passend einstellen. Wer lieber wenig Rätsel, aber heftige Action mag, wird also genauso bedient, wie jemand, der auf eine ausgereifte Story steht und den Kämpfen lieber aus dem Weg geht.
Wie sieht es aus?
Wer das Original kennt, wird sich gleich zurechtfinden – und das im sprichwörtlichen Sinn. Wir waren erstaunt, wie schnell wir uns in den altbekannten Levels zurechtfanden. Und trotzdem ist es den Nightdive-Studios gelungen, eigene Nuancen zu setzen. Unnötige Stellen wurden entfernt und neue hinzugefügt, um die Station glaubhafter zu machen. Die Texturen haben ebenfalls einen hohen Wiedererkennungswert und wurden sehr schön ins 21. Jahrhundert transportiert. Als kleine Hommage an das Original haben die meisten Texturen einen leichten Retropixel-Effekt bekommen, der aber nicht stört, sondern uns gut gefallen hat.
Ganz besonders hat uns der Cyberspace gefallen. Der gehörte schon im Original zu unseren Lieblingsplätzen, denn hier kamen wir uns vor wie Hacker in einem Cyberpunk-Film. Leider ist das der am schlechtesten gealterte Teil des Originals, denn der war schon vor 30 Jahren nicht schön (aber wir hatten ja nichts anderes!). Hier hat das Studio ganze Arbeit geleistet, und mit den wabernden Wänden und flimmernden Texturen gefiel uns der Cyberspace wirklich sehr. Das ist vielleicht die schönste Verbesserung des Remakes, und wir hätten nichts gegen einen zusätzlichen Spielmodus, in dem wir durch zufallsgenerierte Cyberspace-Level fliegen müssen.
Da "System Shock" die Unreal-Engine 4 benutzt, sieht das Spiel durchweg gut aus. Negativ sind uns nur die engine-typischen übersteuerten Lichtquellen und Glanzeffekte aufgefallen. Gerade in den Rätseln war das immer wieder ein Problem, da wir nicht sofort erkennen konnten, ob ein Knopf jetzt aktiviert ist oder nicht.
Schlecht finden wir dagegen das Benutzerinterface. Generell ist es übersichtlich, aber sehr oft können wir die Texte kaum entziffern, gerade wenn es um die Hilfe geht, die erklärt, welche Taste gedrückt werden muss. Eine Skalierung für das Interface haben wir leider nicht gefunden; es wäre sehr schön, wenn der nachgeliefert wird.
Wie hat es uns gefallen?
Keine Überraschung, uns hat "System Shock" sehr gut gefallen. Es war toll, wieder durch die gute alte Citadel zu laufen, von SHODAN ausgelacht oder beschimpft zu werden und dem Ziel immer näherzukommen. Nach der schon sehr guten "Enhanced Edition" haben die Nightdive-Studios nochmal eine ordentliche Schippe draufgelegt.
Aber wir sind uns nicht sicher, ob wir das Spiel durch die rosarote Nostalgie-Brille sehen oder ob es wirklich so gut ist. Es steckt halt immer noch eine Menge 1990er-Jahre-Spieldesign in "System Shock". Das Shooter-Gefühl ist träge, die Rätsel nicht besonders abwechslungsreich, die Level zu groß und labyrinthartig. Für jüngere Spieler (und damit meinen wir jetzt unter 30-Jährige) könnte das alles etwas zu langatmig sein. Aber nichtsdestotrotz empfehlen wir, einen Versuch zu wagen. "System Shock" ist der Großvater von "Half Life", "Bioshock" und Co. und wird auch in weiteren 30 Jahren als Meilenstein gefeiert werden. Das Remake bringt das Spiel gut in die heutige Zeit.
"System Shock" erscheint für PC am 30.05.2023 und kostet knapp 40 Euro. Die Konsolenversion soll später folgen, auch eine Veröffentlichung für Mac und Linux ist geplant.