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"Monster Energy Supercross 6" im Test: Schlammschlacht mit Schlingerkurs

Nach fünf Jahren geben wir der Supercross-Videospielreihe eine neue Chance. Haben die italienischen Entwickler aus ihren Erfahrungen gelernt? Oder ist es ein Fall von "Hoppla, da habe ich wohl mit dem Gesicht gebremst"?

In "Monster Energy Supercross 6" knattern wir auf Offroad-Motorrädern über schlammige Pisten. | © Milestone

Christian Lund
10.03.2023 | 10.03.2023, 14:16

Fünf Jahre ist es her, dass wir die erste Ausgabe von "Monster Energy Supercross" testeten. Damals waren wir nicht so richtig begeistert. Auch wenn die italienischen Entwickler von Milestone das größte Manko durch einen Patch beheben konnten, blieben viele andere Fehler bestehen. Seit dem 9. März 2023 ist jetzt die neuste Version auf dem Markt, und die Entwickler versprechen einige grundlegende Neuerungen, sodass wir uns noch mal in den Matsch gewagt haben. So viel können wir schon mal sagen: Die Reihe hat sich über die Jahre auf jeden Fall verbessert, aber trotzdem bleiben noch einige Schatten. Wir erklären in unserem Test, was gelungen ist und was nicht.

Für Neulinge in dem Thema: Wat is eigentlich Supercross? Supercross ist, verkürzt dargestellt, eine US-amerikanische Motorradrennserie, bei der üblicherweise in Sportstadien Menschen mit Offroad-Motorrädern auf konstruierten Buckelpisten mit riskanten Sprüngen und durch reichlich aufgewühlten Matsch unterwegs sind. Die genauen Regeln dafür lassen wir jetzt mal aus. Milestone jedenfalls bringt seit 2018 jährlich eine neue Version dieser Supercross-Videospielreihe heraus und ist damit sehr erfolgreich. Bis dato sind rund 2,3 Millionen Exemplare verkauft worden. Es rühmt sich, das einzige lizenzierte Supercross-Videospiel mit den offiziellen Fahrern und Strecken der jeweils vergangenen Saison zu sein.

Was hat uns gefallen?

Das Ziel ist schon zu sehen! Mit knapp 60 km/h kacheln wir über die Piste. Der blaue Pfeil zeigt die Idealkurve beim Sprung an. Wir lassen die links liegen. - © Milestone
Das Ziel ist schon zu sehen! Mit knapp 60 km/h kacheln wir über die Piste. Der blaue Pfeil zeigt die Idealkurve beim Sprung an. Wir lassen die links liegen. | © Milestone

Zunächst muss man ja sagen: "Monster Energy Supercross 6" sieht inzwischen ziemlich gut aus. Wahrscheinlich könnte es aber noch besser aussehen, wenn es nicht auch noch für die Last-Gen-Konsolen designt wäre.

Als Erstes suchen wir wie immer unseren Fahrer aus und stylen ihn ganz nach unseren Wünschen. Fanden wir 2018 noch, dass die Figuren immer gleich gelangweilt aussehen, ist das inzwischen verbessert worden. Bei den Körperformen können wir allerdings nur zwischen zwei Varianten wählen: groß oder kleiner. Da fragt man sich, warum das überhaupt ausgewählt werden muss. Sowieso ist es uns ziemlich egal, wie wir unter unserer Motorradkluft und unter dem Helm aussehen. Nur zur Siegerehrung nehmen wir immer für die Fotografen den Helm ab, da muss die Optik ja stimmen. Weil unser Fahrer aus Paderborn kommt, nennen wir uns Hasi "Paderboy" Palau und tragen als Domstädter die teuflische Rückennummer 666. Können wir alles einstellen, ist aber eben nur oberflächlicher Kram, der nichts über das Spiel aussagt.

In der Pressemitteilung von Milestone steht ein entscheidender Satz, der über Lust und Frust entscheidet, dieses Spiel zu spielen: "Die richtigen Einstellungen am Motorrad zu finden, wird entscheidend sein, um im Karrieremodus die Spitze zu erreichen und von den ersten Rennen in der 250SX-Klasse bis zum Kampf um den Meistertitel in der 450SX-Klasse aufzusteigen." Das trifft es: Nur wer so schlau ist und gleich zu Beginn die übelsten Fahrhilfen ausstellt, wird an diesem Spiel Freude haben. Supercross-Profis tun das sowieso, aber Anfänger wünschen sich natürlich einen möglichst leichten Einstieg in die Rennen. Deshalb werden sie das Spiel vermutlich auf der vermeintlich leichtesten Stufe spielen. Hier grätschen aber die Fahrhilfen so fies in die Mechanik der Rennen ein, dass man sich ständig fragt: Wer fährt dieses Motorrad eigentlich? Und wohin? Die Hinweise, wie und wo wir diese Fahrhilfen ausstellen können, sind total versteckt, weil wir in unterschiedlichen Menübereichen Einstellungen auswählen können. Das ist ein bisschen tricky und könnte gerade für die Einsteiger einfacher dargestellt werden. Dazu fehlt es auch an Tutorials, die in die unterschiedlichen Spielbereiche einführen.

Wir sind in der Supercross-Academy und erlernen in verschiedenen, kurzen Lektionen, wie wir Motorrad und Strecken am besten beherrschen können. - © Milestone
Wir sind in der Supercross-Academy und erlernen in verschiedenen, kurzen Lektionen, wie wir Motorrad und Strecken am besten beherrschen können. | © Milestone

Aber es gibt inzwischen die "Supercross Academy", in der wir das Fahren lernen sollen. Und niemand Geringeres als die Rennfahrerlegende Jeremy McGrath begleitet uns auf diesem Weg. In breitem Ami-Englisch erklärt er uns, worauf wir zu achten haben, wie wir richtig Gas und Bremse einsetzen und besondere Sprünge meistern. Die meist sehr kurzen Tutorial-Teile sind ganz nett, funktionieren aber wiederum nur gut, wenn man vorher diese fiesen Fahrhilfen ausgestellt hat. Wenn Milestone hier nicht an der Balance der Fahrhilfen schraubt, frustet man unwissende Rookie-Biker. Ein Beispiel: Wir sollen nach einem Sprung der Linie einer perfekten Flugkurve zu mindestens 65 Prozent folgen. Kommen wir mit Fahrhilfen aus der Kurve, können wir uns davon verabschieden, auch nur 30 Prozent zu erreichen. Kommen wir ohne Fahrhilfen um die Ecke, reißt man die Quote schon mit dem ersten Versuch.

Neu bei "Monster Energy Supercross 6" ist auch der "Supercross-Park", eine erstaunlich große Freifläche, auf der wir uns mit unserem Bike ausprobieren können. Eine große Spielwiese sozusagen mit Sprüngen und Abfahrtspässen und sogar einem kleinen Stadion. Tatsächlich hat uns das einige Zeit lang auch ein bisschen Freude gemacht. Aber es ist jetzt auch nicht gerade so, dass wir jetzt ständig danach lechzen, mit unserem Motorrad endlich wieder auf die Freifläche zu dürfen. Um den Anreiz dennoch zu erhöhen, hat Milestone dort Sammelkarten verteilt, die wir finden müssen. Besonders sinnvoll finden wir das nicht, aber es mag Menschen geben, bei denen jetzt die Sammelwut auf zwei Rädern ausbricht.

Der Talentbaum ist in fünf Äste unterteilt. Mit Punkten können wir hier spezielle Fähigkeiten freischalten, die wir mitunter nur ergattern, indem wir die Karriere weiterspielen. - © Milestone
Der Talentbaum ist in fünf Äste unterteilt. Mit Punkten können wir hier spezielle Fähigkeiten freischalten, die wir mitunter nur ergattern, indem wir die Karriere weiterspielen. | © Milestone

Den Hauptteil des Spiels macht wie immer der Karrieremodus aus. Hat man sich einen Sponsor geangelt, kann man bei erfolgreichen Rennen ordentlich Geld in die Kasse spülen und sich davon visuelle Anpassungen (wer's braucht!) und leistungssteigernde Teile kaufen. Außerdem gibt's einen Fähigkeitenbaum mit fünf Ästen, für den wir durch unterschiedliche Herausforderungen Punkte sammeln können, was erstrebenswert ist, weil wir hier etwa optimieren können, dass wir durch Verletzungen nicht ganz so übel benachteiligt sind. Wir kommen dadurch natürlich in einen Kreislauf aus Rennen und Herausforderungen und Meisterschaften und neuen Aufgaben, der gewollt ist. Uns hat der abwechslungsreiche Karrieremodus tatsächlich viel Spaß gemacht, denn draußen im Matsch haben wir uns einfach immer am besten gefühlt. Ohne Fahrhilfen, versteht sich.

Am allerbesten aber ist der Onlinemodus. Zum ersten Mal gibt es ein neues Ranglistensystem, bei dem wir natürlich alles dafür tun, um möglichst weit vorne in der Liste zu stehen. Leider werden in Online-Rennen bisher nicht Fahrer mit ähnlichen Ranglistenplätzen zusammengepackt, aber vielleicht kommt das ja noch. Außerdem ermöglicht vollständiges Konsolen-Cross-Play zum ersten Mal das Online-Matchmaking über alle Konsolensysteme hinweg. Wir haben in unserem Test einige Abende mit der Karriere verbracht und dann immer noch mal im Onlinemodus vorbeigeschaut. Und dort einige unserer Abende in die Nacht hinein verlängert.

Was hat uns nicht gefallen?

Diese Ladebildschirme! Wir werden irre! Schon 2018 hatte Milestone das Problem, dass das Spiel extrem lange lud. Später wurde das mit einem Patch behoben. In der aktuellen Version macht Milestone schon mit dem Anblick des Ladebildschirms keine gute Figur. In rund 20 Sekunden flimmern zu der typisch treibenden Musik diverse Fotos von Stadien über den Bildschirm. Was das genau soll, wissen wir nicht, ebenso wenig, warum wir zwei unterschiedliche Symbole in den Ecken haben, einmal das Speichersymbol und dann auch noch ein Symbol, das uns anzeigt, wie viel Prozent des Folgenden schon geladen sind. Dass wir das auf der PS5, auf der Ladebildschirme ja eigentlich der Vergangenheit angehören, überhaupt noch sehen, verwundert uns. Wir zeigen hier mal im Video, was wir genau meinen, damit man einen Eindruck bekommt:

Was wir oben bereits erwähnt haben, müssen wir hier noch einmal weiterführen: die Fahrhilfen. Wir wissen nicht genau, ob es ein Bug oder ein Feature ist, aber wir haben in unseren ersten Runden, als wir die Fahrhilfen noch eingestellt hatten, teilweise nicht mal aufs Gas drücken müssen, und unser Motorrad hat sich bewegt. Wie von Geisterhand! Das sind dann vermutlich die niedrigschwelligen Einstellungen für Kinder, damit sie nur lenken müssen. Hat aber den Nachteil, dass wir in den meisten Kurven schmerzlich im Off landen. Auch bei ausgeschalteten Fahrhilfen aber haben wir immer wieder in sehr engen Kurven oder an steilen Hindernissen einen gewissen Mangel an Präzision festgestellt, gerne auch beim Landen auf Begrenzungen. Dann fühlte sich die Fahrphysik eher willkürlich an. Bei "Monster Energy Supercross" und auf hoher See ist man in Gottes Hand.

Wir empfehlen außerdem allen, die das Spiel mit Controllern zocken, die Vibration auf "niedrig" zu stellen, weil es ansonsten zu viel Batterie kostet. Das hat uns nicht gefallen, kann man aber einstellen, fällt also nicht groß ins Gewicht.

Fazit

"Monster Energy Supercross 6" ist wie alle Vorgänger auch kein reiner Supercross-Simulator, sondern versucht irgendwie auf alle Fahrerprofile einstellbar zu sein. Wir hatten dennoch wesentlich mehr Spaß als noch 2018. Dennoch ist das Spiel wohl nur für wirkliche Motocross-Fanatiker geeignet. Wir warten gespannt auf "Monster Energy Supercross 7", das dann hoffentlich nicht mehr für die Last-Gen-Konsolen gebaut wird. Dann wird sich zeigen, ob Milestone das Zeug dazu hat, zukunftsfähig zu sein und dauerhaft einen Platz auf dem Treppchen einzunehmen.

"Monster Energy Supercross 6" ist seit dem 9. März 2023 für Playstation 5, PlayStation 4, Xbox Series X|S, Xbox One und Steam für Windows PC erhältlich und kostet rund 70 Euro. Das Spiel ist ohne Altersbeschränkung freigegeben.