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"Monster Energy Supercross" im Test: Fehlstart mit guten Ansätzen

Die italienischen Entwickler von Milestone legen nach MXGP 3 ein neues Motocross-Spiel vor. Diesmal geht's mit Supercross-Maschinen durch amerikanische Football-Stadien

Christian Lund
21.02.2018 | 22.02.2018, 12:03

Update: In diesem Spiele-Test bemängeln wir die extrem langen Ladezeiten. Mit ihrem ersten Patch haben die Entwickler die Wartezeit inzwischen auf ein gutes Maß minimiert - die anderen Mankos bestehen aus unserer Sicht jedoch weiterhin.

Knattert, knatter, knatter. Es klingt wie ein Schaden im Lautsprecher, kommt aber aus meiner Maschine und den anderen Motorrädern neben mir. Wir alle stehen in den Startlöchern für die nächste Rennpiste, das Stadion kocht und der Kommentator sagt irgendwas Frenetisches auf Englisch.

Die italienische Racing-Game-Schmiede Milestone legt das nächste Motocross-Spiel vor: Monster Energy Supercross. Wir haben es auf Herz und Nieren getestet. | © Monster Energy Supercross
Die italienische Racing-Game-Schmiede Milestone legt das nächste Motocross-Spiel vor: Monster Energy Supercross. Wir haben es auf Herz und Nieren getestet. | © Monster Energy Supercross

So oder so ähnlich begann unser erster Test von "Monster Energy Supercross", dem neuen Motocross-Spiel der italienischen Racing-Games-Schmiede Milestone. Nein, vielmehr begann der erste Test so, dass wir das Spiel auf unsere Redaktions-Playstation brachten (das Spiel ist allerdings auch für X-Box, Nintendo Switch und PC zu haben) und dann einem Ladebalken beim Laden zusahen. Minutenlang. In der Hoffnung, dass da vielleicht ein duftes Intro geladen wird. Pustekuchen, da wird einfach nur das Spiel geladen. Minutenlang. Hier unser erstes Zwischenfazit: Wer dieses Spiel spielen will, muss sich auf lange Ladezeiten einstellen. Immer. Und das nervt.

Aber kommen wir zum Spiel selbst. Zuletzt hatten die Entwickler die Motocross-Freunde mit ihrem Spiel "MXGP 3" begeistert - mit allen Fahrern und Motorrädern der MXGP- und MX2-Saisons konnte man quer durch die Natur brettern, und zwar auf 18 offiziellen Strecken. Mit "Monster Energy Supercross" sollte jetzt die Weiterentwicklung folgen und die Rennen mit spektakulären Sprungmöglichkeiten von der freien Wildbahn in amerikanische Football-Stadien verlegt werden.

Jedes Gesicht ist unsympathisch

Muss man sich Sorgen machen? Unser Spieler sieht traurig aus. Das Problem: Auch die anderen Gesichter machen keinen besseren Eindruck. - © Monster Energy Supercross
Muss man sich Sorgen machen? Unser Spieler sieht traurig aus. Das Problem: Auch die anderen Gesichter machen keinen besseren Eindruck. | © Monster Energy Supercross

Das mit dem Verlegen hat geklappt, das mit der Weiterentwicklung dagegen nicht ganz. Zu Beginn individualisieren wir erstmal unseren Fahrer, der allerdings mit jedem der wählbaren Gesichter gleich unsympathisch (um nicht zu sagen: "sch****") aussieht - wir glauben nicht, dass man so aussehen muss, wenn man Supercross fährt. Ist aber letztlich auch egal, weil man ja einen Helm auf hat. Dann geht's ans Motorrad. Wir entscheiden uns für eine Honda CRF 450 als erstes Gefährt. Die anderen Maschinen (Husqvarna, KTM, Kawasaki, Suzuki und Yamaha) bleiben nach unserer Wahl vorerst für uns gesperrt - wir müssen sie erst freispielen.

Auch die Rennen der 450er-Klasse sind für uns gesperrt. Wir müssen uns erstmal in der 250er beweisen und haben hier die Wahl zwischen den Rennen an der Ost- und der Westküste der USA. Wir suchen uns einen Sponsor aus, der uns ein bisschen mehr Knete zahlt, wenn wir auf den vorderen Rängen landen, und dann geht's auch gleich ins erste Rennen unserer Supercross-Karriere.

Die führt uns nach Minneapolis ins U.S. Bank Stadium. Wir sehen ein offenbar bis auf den letzten Platz gefülltes Stadion, die Menge jubelt, und der Kommentator heizt uns ordentlich ein. Leider nur auf Englisch. Muss ja nicht auf Deutsch sein, aber zumindest optionale deutsche Untertitel wären super. Die Grafik, das muss man sagen, sieht schon gut aus, liegt aber auch daran, dass sich der Entwickler an die aus "MXGP 3" bewährte und mächtige Unreal-Engine halten. Das bedeutet auch, dass sich die Strecke mit jeder Runde ändert, das kann man schon als "gelungen" bezeichnen. Ist aber ja nichts Neues.

Gut: Kaum Gummiband-KI

Haben wir ein bisschen Knete erspielt, können wir damit unser motorisiertes Zweirad verbessern und wettbewerbstauglicher machen. Ansonsten bleiben die Rennen nämlich eine frustrierende Erfahrung, auch wenn es hier kaum Gummiband-KI zu geben scheint, die sonst in Spielen gerne dafür sorgt, dass Kontrahenten, die wir längst überholt hatten, plötzlich wieder vor uns sind.

Die Schriftgrößen lassen sich nicht verändern. Während man den unteren Hinweis noch gut erkennen kann, ist der obere auf dem Fernseher kaum noch zu entziffern. - © Monster Energy Supercross
Die Schriftgrößen lassen sich nicht verändern. Während man den unteren Hinweis noch gut erkennen kann, ist der obere auf dem Fernseher kaum noch zu entziffern. | © Monster Energy Supercross

Die KI-Stufen lassen sich bei "Monster Energy Supercross" übrigens genauso anpassen wie das Getriebe oder die Federn der Bikes, die Farbe der Speichen oder die Position der Racing-Nummer. Wiederum nicht anpassen lässt sich die Schriftgröße in den Menüs, was manchmal wirklich wünschenswert wäre - vor allem bei all den Fehlermeldungen, die das Spiel so ausspuckt (ganz besonders beliebt: "Du hast keinen Zugriff auf Milestone-Dienste. Versuche es später erneut.") Danke. Für nichts.

Noch ein Wort zum Geld und zu den Erfahrungspunkten, die wir so ergattern können. Die regnen schon fair auf uns herab, wir hätten allerdings auch die Möglichkeit, für den Preis von derzeit 4,99 Euro einen Credits Multiplier zu kaufen, der die Credits... nun ja, der Name sagt es schon: vervielfacht. Ist aus unserer Sicht genauso rausgeworfenes Geld wie das Add-on "Themed Liveries and Tracksuits" (also Lackierungen und Trainingsanzüge - wow!) für 3,99 Euro oder gar das Add-on "Additional Icons & Buttpatches" (Symbole und Aufnäher, yeah!) für 99 Cent. Haben wir also alles nicht getestet.

Sinnfreie Tutorials

Und los geht's: Wir starten immer ganz rechts im Fahrerfeld. - © Monster Energy Supercross
Und los geht's: Wir starten immer ganz rechts im Fahrerfeld. | © Monster Energy Supercross

Getestet aber haben wir die unterschiedlichen Spielmodi (Einzelrennen, Zeitfahren, Meisterschaft und Karriere) sowie die ziemlich sinnfreien Tutorials (weil: ohne Interaktionsmöglichkeiten!), die wir eher durch Zufall gefunden haben. Wir sind inzwischen einige Rennen gefahren und müssen leider sagen: es macht sich Eintönigkeit breit. Das liegt bei den Strecken natürlich auch an der einigermaßen engen Begrenzung eines Stadions, das aber auch optisch irgendwann nicht mehr viel hergibt und einen nach rund einer Stunde Spielzeit einfach nicht mehr richtig umhaut.

Der Eintönigkeit begegnen wir aber auch in den sehr unmotiviert gehaltenen Menüs oder in der furchtbaren Darstellung einer Siegerehrung - dagegen ist die Siegerehrung bei Mario Kart auf unserer alten Wii ein wirklicher Knaller, auch musikalisch! Wir haben uns nach den ersten zwei Spielstunden noch einmal vergewissert, was das Spiel kosten soll - das ist kein Low Budget-Game, sondern steht zum Vollpreis in den Läden. Da hätte man schon noch ein bisschen mehr Zeit und Geld in das Spiel investieren können.

Auch in die KI. Denn dass wir immer noch in der Lage sind, auf einem Pulk von Motorradfahrern zu landen und auf ihren Helmen weiterzufahren, das hat schon Seltenheitswert. Ebenso lassen uns manche Unfälle kopfschüttelnd zurück, wenn die KI-Fahrer stupide in uns reinbrettern und uns unsanft von der Maschine holen.

Fahrphysik erstaunlich gut

Noch ein Beispiel gefällig? Bei Kollisionen mit den Streckenbegrenzungen vollführen unsere Crossmaschinen Tänze oder abrupte Stopps, die mit geltender Physik nicht wirklich viel gemein haben. Da wir gerade beim Thema "Physik" sind: Die Fahrphysik ist dagegen erstaunlich gut. Nicht sehr gut, nicht präzise, aber: gut. Man darf ja auch nicht vergessen, dass das Spiel keine Supercross-Simulation, sondern ein Arcade-Game ist.

Wir haben mal einen unserer ersten Fahrversuche mitgeschnitten. Uns gefällt ganz besonders die Fahrt auf den Helmen der anderen - auch so kommt man voran. Aber auch die Stürze... naja, sehen Sie selbst:

Was wir aber lobend erwähnen wollen, ist der Strecken-Editor, mit dem wir eigene Parcours bauen können. Unsere Selfmade-Strecken können wir dann natürlich selbst fahren, wir können sie aber auch online mit anderen Fahrern testen. Kleiner Tipp: Wenn Sie die KI-Fahrer mal so richtig "lost in space" erleben wollen, fahren Sie gegen sie auf einer selbstgebastelten Strecke, aber sehen Sie zu, dass Sie an den ständig verunfallenden Fahrern vorbeikommen und dann: gib ihm!

Was wir wiederum bemängeln müssen: es fehlt die Möglichkeit, am Splitscreen gegen andere Spieler anzutreten. Auch das hätten wir bei Supercross als einen hervorragenden Spielmodus empfunden, gerade für uns als Redaktionsteam natürlich.

Unser Gesamt-Fazit

Für das Geld bekommen wir als Spieler einfach zu wenig. Es ist toll, dass die Grafik so ordentlich ist, die Fahrphysik ist gut, die Echtzeit-Deformation der Strecke ist ebenfalls gut. Wir mögen den Strecken-Editor sehr und mochten auch die verschiedenen Tuning- und Ausstattungsmöglichkeiten für die Motorräder. Die langen Ladezeiten aber gehen gar nicht. Haben wir schon gesagt, dass die nerven? Die nerven.

Ein Beispiel haben wir mal bei YouTube hochgeladen:

Die Fahrer-KI ist bedenklich dumm, die Kollisionsabfrage teilweise furchtbar mit erschreckenden Ergebnissen physikalischer Art. Vieles abseits der Rennstrecken ist langweilig gestaltet und macht nicht unbedingt Lust auf mehr. Die fehlenden deutschen Untertitel sind möglicherweise verschmerzbar, aber dann hätte man den Motorrädern doch wenigstens einen ansprechenden Sound geben können. Oder die Rennen mit einem guten Soundtrack unterlegen können.

Kurzum: Wir hatten uns wirklich auf dieses Spiel gefreut, aber sind ziemlich enttäuscht worden, auch weil die Entwickler ihr Potential nicht ausgeschöpft und dadurch eine große Chance verpasst haben, ein wirklich aufregendes Supercross-Spiel vorzulegen.