
Stephen Kick hat ganz schön was hinter sich. Nicht weniger als zweimal musste der Chef der Nightdive Studios seine Vision des Remakes von "System Shock", eines der meistgeliebten Spiele aller Zeiten, in die Tonne werfen. Version eins ließ sich in der Unity Engine nicht verwirklichen, Version zwei genügte den Ansprüchen der Spieler nicht, die Kick auf Kickstarter ihr Geld gaben. Wir haben den dritten Anlauf auf der Gamescom gespielt und beantworten die wichtigste Frage: Wird das noch was?
Das Team
Eines, sagt Stephen Kick, hat er in all den Jahren gelernt: Gib bloß kein Releasedatum raus, wenn du dir nicht wirklich sicher bist, dass du es einhalten kannst. Mit den Nightdive Studios hat der US-Amerikaner bis 2015 etliche alte Spiele, die auf neuen Computern und Konsolen nicht mehr funktionierten, wieder zugänglich gemacht. Darunter auch: "System Shock 2".
Die Lizenz dafür besorgte er sich bei einer Versicherungsgesellschaft, die nach dem Konkurs der altehrwürdigen Looking Glass Studios die Rechte an der Serie erworben hatte - aber offensichtlich nichts damit vorhatte. Kicks Plan: ein komplettes Remake von "System Shock" in neuer Optik und an heutiges Gameplay angepasst, aber dem Original so weit wie möglich treu.
Das allerdings dauerte länger als gedacht: Zweimal musste das Team praktisch ganz von vorne anfangen, viele Entwickler verließen nach Zoff über die kreative Vision erst das Studio, manche kamen auf Bitten Kicks später zurück. Erst als man den verärgerten Fans per Streams aus dem Entwicklungsprozess besser klar machte, wo das Spiel steht, glätteten sich die Wogen. Und die Vorfreude stieg wieder.

Aber: Bis heute hat das Remake kein Erscheinungsdatum. Kick winkt ab. "Ich habe seit 2015 mehrmals Releasedaten genannt - und keines davon konnten wir einhalten", erzählt Kick nw.de auf der Gamescom. Man arbeite an der Fehlerkorrektur und sei wirklich, ganz ehrlich, fast fertig.
Das Spiel
"System Shock" war 1994 eine Offenbarung. Auf einer Raumstation, der Citadel, jagte uns die außer Kontrolle geratene KI-Dame Shodan durch bis auf Roboter, entstellte Menschen und Kreuzungen von beidem entvölkerte Korridore. Mit zunächst nicht mehr als einem Eisenrohr bewaffnet müssen wir gegen das von Shodan gezüchtete Gekröse zu Felde ziehen und herausfinden, warum zum Geier die Gute denn nun die Menschheit ausrotten will. Und das alles zum Klang der Stimme der KI, die uns mit fiesen, stichelnden Kommentaren begleitet - oder uns einfach offen mit einem möglichst schmerzhaften Tod droht.

Das funktionierte damals noch reichlich umständlich. Man konnte sich nur mit der Tastatur umsehen, zog sich per Maus in die gewünschte Richtung und musste damit gleichzeitig die Gegner bekämpfen. Dafür gab es reichlich zu entdecken. Audio-Logs erzählten uns die Geschichte der getöteten Crew und ließen immer mal wieder durchscheinen, was hier passiert war. Und das in einer Zeit in der den meisten Shootern als Ziel die Vorgabe ausreichte: Besiege alle Gegner.
Das Remake setzt nun gewissermaßen auf einen Mittelweg. Viele Gegenstände, Texturen und Grafikelemente sind bewusst kantig und pixelig belassen, um die Anmutung des Originals zu bewahren. Dafür wurde das Gameplay auf moderne Standards umgezogen - es steuert sich im Grunde wie ein Shooter. Hin und wieder müssen wir Schlüsselkarten oder Codes finden, uns Heilspritzen oder Booster in den Arm hauen oder kleinere Rätsel lösen. Also im Grunde alles wie damals, nur mit smoother Steuerung und höherer Auflösung.
Anspiel-Fazit
Dem Remake gelingt der Spagat, den sich die Nightdive Studios aufgehalst haben, die meiste Zeit ziemlich gut. Die kantige Optik bemerkt man oft erst auf den zweiten Blick, die Erkundung der Citadel macht Laune und fördert immer neue interessante Story-Häppchen zutage. Auch wenn sich die jetzige Version von der ersten dann doch ganz schön unterscheidet, sagt Stephen Kick: "Das ist die ultimative Version dessen, was wir damals vorhatten. Das ist das Spiel, das wir den Leuten zeigen wollten."
Die Jagd auf Shodan, sie ist einmal mehr eröffnet.