Lootboxen in Videospielen: Ist das schon Glücksspiel?

Bielefeld. Um in Videospielen einen Vorteil zu haben oder einfach den gewünschten Look des Charakters zu erreichen, setzen einige Gamer auf sogenannte Lootboxen. Für kleines Geld lassen sich solche Packs öffnen. Doch was man tatsächlich bekommt, ist meist Glückssache. Ist das schon Glücksspiel? Lootboxen finden sich in vielen Videospielen wieder. In der Fußball-Simulation Fifa zum Beispiel kann man durch solche Packs neue Spieler für sein Team ergattern. Bei Ego-Shootern warten neue Waffen, Fähigkeiten oder schnelleres Aufleveln. In anderen Spielen kostet schon ein extravaganter Look für die virtuelle Spielfigur, dazu zählt zum Beispiel das Mobile Game Pokémon Go. In der Regel kosten Lootboxen Geld, zumindest einen kleinen Betrag. Oder mühsam erspielte Punkte, die man sich aber auch kaufen kann. Doch was man tatsächlich aus den Lootboxen bekommt, ist vor dem Kauf teilweise völlig unklar. In Belgien wurden solche Lootboxen bereits als Glücksspiel eingestuft. Kritik aus der Gaming-Szene Übrigens: Die große Kritik gegen solche Lootboxen kam nicht ausschließlich von Spielsucht-Forschern - sondern aus der Gaming-Szene selbst. Denn plötzlich steht nicht das größere Können im Fokus für den Fortschritt - sondern der größere Geldbeutel. Tobias Hayer von der Uni Bremen ist Experte in Sachen Glücksspiel. Er meint: Es sei schwer, solche Lootboxen pauschal als Glücksspiel einzustufen. "Das muss von Spiel zu Spiel erfolgen", sagt er. Dennoch sieht er einige Eigenschaften vom klassichen Glücksspiel als gegeben: Geldeinsatz, zufällig anmutender Ausgang - und auch ein Gewinnpotenzial. Denn die gewonnenen Items können zum Teil verkauft und somit zu Geld gemacht werden. Diese Gefahren bestehen Hayer warnt zudem vor Gefahren: Zum einen vor der Tatsache, dass solche Lootboxen Geld kosten - wenn auch nur wenig. Womöglich steckt man trotzdem mehr Geld rein, als man will, meint Hayer. "Weil die Transaktionen in der Regel bargeldlos sind, kann man schneller den Überblick verlieren." Ein Faktor, der Online-Glücksspiel generell sehr gefährlich mache. Zudem sei bei Lootboxen völlig unklar, wie wahrscheinlich es ist, gute Items zu ziehen. "Das System ist intransparent", macht es Hayer kurz. Es bestehe auch ein gewisses Risiko, dass sich Spielabläufe so steuern ließen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Kaufes durch Spieler steige. Darauf sind insbesondere viele Mobile Games für Smartphones ausgelegt, die sich kostenlos herunterladen lassen, deren Spielverlauf sich aber nach anfänglichen Belohnungen irgendwann so mühsam spielt, dass der Gedanke an einen kostenpflichtigen Anschub nicht mehr so unattraktiv scheint. "Einstieg zum Glücksspiel" Gefährdet ist vor allem die zentrale Zielgruppe der Gaming-Branche: Heranwachsende. "Dieser Gruppe fehlt es häufig an gewissen Kernkompetenzen. Darunter fällt zum Beispiel der Umgang mit Geld", sagt Hayer, der schon mehrfach ein entsprechendes Schulfach vorgeschlagen hat, in dem diese Fähigkeit gefördert wird. Wächst also eine Generation heran, die besonders gefährdet ist, in die Glücksspielsucht zu geraten? So weit will Hayer nicht gehen. Dennoch warnt er: "Durch solche Lootboxen können die Gefahren für eine Glücksspielsucht in den Hintergrund geraten." Und: "Lootboxen können der Einstieg ins Glücksspiel sein." So kann es schief gehen Dass das Modell selbst von Spielern nicht immer klaglos hingenommen wird, beweist das Beispiel des Online-Shooters "Star Wars: Battlefront 2" von Ende 2017. Die zum Erscheinungstermin überteuerten Lootboxen muss der Herausgeber Electronic Arts (EA) nach kurzer Zeit entschärfen und schließlich - wohl auf Druck von Disney - ganz entfernen. Spieler laufen Sturm gegen das intransparente Modell - niemand weiß, ob er für sein Geld nur neue Kostüme oder spielerische Vorteile bekommt. Vorgerechnet wird dagegen, dass es ohne den Einsatz von Echtgeld ein halbes Jahr ununterbrochenen Spielens bräuchte, um alle angebotenen Inhalte freizuschalten. Die Anleger von EA wird die Misere des Spiels, das als Blockbuster Millioneneinnahmen bringen sollte, am Ende rund drei Milliarden Dollar kosten. Seit Herbst 2019 gibt es im Shop des Spiels keine Lootboxen mehr.

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