
Wer entscheidet eigentlich darüber, was auf Pornoseiten hochgeladen werden darf und was nicht? Einem Bericht des Online-Magazins Vice zufolge ist die Antwort: etwas mehr als hundert Freiwillige, die sich dabei vor allem auf ihr Bauchgefühl verlassen sollen. Mehrere Mitarbeiter des Magazins haben sich demnach unter die Löscharbeiter gemischt, um herauszufinden, wie die in Deutschland populärste Seite XHamster verbotenen Content herausfiltern will. Das Ergebnis: im Zweifel lieber gar nicht.
Pornos zu konsumieren ist in Zeiten von Smartphones und Tablets leichter geworden denn je. Allein auf XHamster werden jede Woche zehntausende neuer Fotos und Videos hochgeladen. Auch Kinderpornos? Aufnahmen sexualisierter Gewalt? Heimliche Videos aus Duschen oder Toiletten? Nein, nein, beschworen die Betreiber schon früher, das sei schließlich - nicht nur in Deutschland - verboten.
Dass das höchstens bedingt stimmt, will Vice nun belegen können. Über mehrere Wochen sollen Redakteure im Team der Löscharbeiter verbracht haben. Eine Schulung soll es nicht geben, dafür eine im Kern gerade einmal rund 2.800 Zeichen lange Anleitung mit Beispielfotos, was in Ordnung ist und was nicht. Diese hat Vice ebenfalls veröffentlicht und erklärt.
Im Zweifel lieber online lassen
Die Kurzfassung: Ein Anfangsverdacht allein reicht nicht, um den Upload von potenziell strafbarem Content zu verhindern. Ob Tränen oder Hilferufe echt oder geschauspielert sind, ob eine Vergewaltigung vorliegt, ob die Inhalte tierpornografischer Natur sind, all das sollen die Löscharbeiter nach dem Augenschein entscheiden.
Im Klartext heißt das: Erscheint einem Mitarbeiter das Leid von möglichen Opfern nicht "echt" genug, bleibt der Content online. Wirksamer Schutz von Opfern sexualisierter Gewalt sieht anders aus.
Im Zweifel sollen die Prüfer dem Bericht zufolge die Inhalte eher online lassen, als sie zu löschen. Das Handbuch ist hier kaum falsch zu verstehen: "Entferne keine Inhalte, wenn du nicht zu 100 Prozent sicher bist, dass es illegal ist, wenn sie hier sind." Problemfälle können lediglich zur Diskussion gestellt werden.
Ob Content illegal ist, entscheidet das Bauchgefühl
Mutmaßlich kinderpornografische Aufnahmen sollen nur dann gelöscht werden, wenn mindestens eine gezeigte Person "mit hoher Wahrscheinlichkeit unter 18" ist. Nur wer kindlich genug aussieht, kann also überhaupt geschützt werden. Außerdem haben die Löscharbeiter keinerlei Möglichkeit zu überprüfen, ob alle Beteiligten ihr Einverständnis zum Upload gegeben haben - auch wenn die Uploader das eigentlich nachweisen müssen.
Kein Wort verliert die Anleitung außerdem über illegal in Duschen oder Toiletten gefertigte Fotos oder Videos. In Deutschland stehen auf solche Spannervideos und -fotos bis zu zwei Jahre Haft. Und: XHamster stand wegen solcher Inhalte, die tagelang online blieben, bereits in der Kritik. Zu finden sind solche Inhalte laut Vice auf der Plattform nach wie vor.
Die Löscharbeiter selbst bleiben anonym
Dazu kommt: Alles, was die Löscharbeiter prüfen, ist bereits auf der Plattform zugänglich. Sie können nur entscheiden, ob der Content "okay" ist. Sind sie sich nicht sicher, können sie die Entscheidung per Knopfdruck an einen Kollegen weiterreichen. Dabei ist in Deutschland bereits die Verbreitung strafbar und kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet werden.
Die Löscharbeiter selbst bleiben hingegen weitgehend anonym - auch für den in Zypern sitzenden Betreiber des Portals. Überprüft würden sie nicht, berichtet Vice. Für ihre Arbeit können sie bestehende Nutzerkonten verwenden, denen dann mehr Nutzungsrechte eingeräumt werden. Der Recherche zufolge gaben mehrere Prüfer dies als Grund dafür an, den unbezahlten Job zu machen. Womöglich will sich mancher also einfach Zugang zu Kinderpornografie verschaffen. Andere gaben sogar zu, mit den Inhalten kommerziell zu handeln.
XHamster selbst kommentierte viele der Anfragen zu Abläufen und Regeln für die Prüfer nicht. Stattdessen teilte ein Sprecher mit, Nutzer könnten sicher sein, dass es Kontrollen des Inhalts gebe. Wenn etwas gegen die Nutzungsbedingungen verstoße, werde es entfernt.
Das Bundesjustizministerium sagte gegenüber dem Magazin, Betreiber solcher Plattformen dürften sich nicht durch "bewusstes Wegschauen" der Verantwortung entziehen. Es verweist auf ein geplantes Gesetz auf EU-Ebene, den "Digital Services Act", der Porno-Anbieter zur mehr Kontrollen und Transparenz verpflichten soll. Auch NRW will gegen Portale wie Pornhub oder Youporn vorgehen.