
"Fifa 21" war selten so herbeigefiebert worden wie in diesem Jahr. Das mag gar nicht einzig an der Fußball-Simulation selbst liegen, die Jahr für Jahr ihre Fans auf der Welt in der ganzen emotionalen Bandbreite fordert: Von Hochgefühlen bis zu Wutausbrüchen ist bei den meisten FIFA-Zockern alles dabei. Sondern auch daran, dass während der gegenwärtigen Pandemie jede Beschäftigung, die daheim ausgeübt werden kann, besonders beliebt ist - FIFA gehört für Millionen Menschen teils seit Jahrzehnten dazu. Was taugt die 27. Version seit dem Start der Serie im Jahr 1995? Wir haben es uns angeschaut.
Der erste Start
Der Ablauf fühlt sich zunächst ziemlich vertraut an, denn optisch hat EA Sports keine großen Veränderungen gewagt. Das ist verständlich, erscheint Fifa 21 doch zunächst noch für die alte Konsolengeneration, für die die grafischen Möglichkeiten offenbar langsam ausgereizt sind.
Denn der neueste Ableger ähnelt nicht nur im Menü, sondern auch auf dem Rasen sehr seinen Vorgängern. Positiv zu erwähnen ist hierbei: Wenn Ende des Jahres die neuen Playstations und Xboxes auf den Markt kommen, können FIFA-Spieler kostenlos umsteigen - und zumindest ihre Spielfortschritte in den Modi Volta und Ultimate Team mitnehmen. So muss man zumindest nicht überall von vorne anfangen. Beim "Konsolenwechsel" von Playstation auf Xbox und umgekehrt klappt dies jedoch nicht.
Das Gameplay
Auf dem Feld fallen die ersten Begegnungen spektakulär aus, und das ist ein gutes Zeichen. Die Verteidigung, die in den Vorjahren oft stark von der KI unterstützt wurde, liegt nun zu deutlich größeren Anteilen in unserer Verantwortung. Das spüren wir zunächst in Form von mehr Gegentoren. Umgekehrt wurde am Passspiel gearbeitet, das Dribbling mit dem neuen Feature der engen Ballführung am Körper ausgestattet, was gerade für Trickser und Skiller eine feine Neuerung ist.
Im Abschluss ist im Gegensatz zu manchem Vorjahr nicht sofort ersichtlich, welche Schussform "overpowered", sprich viel zu effizient ist. Vor zwei Jahren waren es die getimten Finesse-Schüsse, bei Fifa 20 die harten, diagonalen Abschlüsse mit Vollspann. Die funktionieren jetzt zwar immer noch, aber führen nicht mehr ganz so oft zu Treffern. Dafür führen Flanken wieder öfter zu einem Abschluss - im Vorjahr konnte man auf hohe Bälle getrost verzichten, wurden diese doch quasi immer vom Gegner wegverteidigt. In der Regel folgen auf die erste Spielversion übrigens noch zahlreiche Gameplay-Patches - der jetzige Status muss keiner für die Ewigkeit sein.
Angepasst werden könnte zum Beispiel die Stärke der Torhüter, die nach jetzigem Gefühl eher wenige Bälle halten. Zuweilen kurios ist auch die strenge Gangart der Schiedsrichter: Auch wenn wir komplett auf Grätschen verzichten und uns auf vermeintlich harmlose Tacklings im Mittelfeld beschränken, greifen die Unparteiischen nahezu ausnahmslos und ohne Erbarmen zur Karte - Gelb-Rote Karten häufen sich damit.
Die Nachspielzeit beschränkt sich wiederum pro Halbzeit stets auf nur eine Minute und ist damit quasi nutzlos geworden. Dabei scheint es völlig egal, ob das Spiel ein Langweiler war oder sich Tore und Platzverweise nur so aneinandergereiht haben. Es bleibt ein Geheimnis, was sich die Macher dabei gedacht haben.
Der Spielrahmen
Wie in den Vorjahren führen die TV-Kommentatoren Wolff-Christoph Fuss und Frank Buschmann durch die Partien. Die meisten ihrer Bemerkungen kommen uns allerdings aus dem Vorjahr schon bekannt vor. Angenehm ist daher die Integration von Sky-Moderatorin Esther Sedlaczek in den Karriere- und Champions-League-Modus, durchbricht sie doch nach der Einführung der Frauen-Nationalmannschaften vor einigen Jahren erneut die Männerdomäne FIFA.
Bundesliga-Fans wird es freuen, dass in diesem Jahr erstmals zahlreiche Erstliga-Stadien Deutschlands detailgetreu nachgebaut wurden. Einzigartige Spielstätten wie die "Alte Försterei" von Union Berlin und das "Schwarzwald-Stadion" des SC Freiburg bieten einen ganz anderen Flair und verlangen danach, die Fan-Lautstärke im Audiomenü ein wenig höher zu drehen.

Überhaupt: Zuschauer. Manche Fußballfans hatten sich gefragt, ob auch in FIFA 21 die Auswirkungen der Corona-Krise - sprich leere oder nur spärlich besetzte Tribünen - zu spüren sind. Die Antwort gab es schon weit vor Erscheinungsdatum des Spiels: Wie gewohnt jubeln uns Fans in stets ausverkauften Stadien zu. Die Covid-19-Pandemie hat EA Sports schlicht aus seinem Spiel verbannt. Darüber darf man geteilter Meinung sein.
Ultimate Team und die Kritik daran
In der Vergangenheit wurde EA Sports zurecht dafür kritisiert, seine wesentlichsten Veränderungen auf den beliebten "Ultimate Team"-Modus beschränkt zu haben. Aus unternehmerischer Perspektive ist das alles andere als verwunderlich, bietet doch "FUT" dem Spielekonzern über Mikrotransaktionen in Form von Lootboxen, "Packs" genannt, die Möglichkeit, während des ganzen Jahres Einnahmen zu generieren.
Abgesehen davon, dass die Wahrscheinlichkeit, aus den Kartenpaketen tatsächlich wertvolle Spieler für sein eigens zusammengestelltes Team zu ziehen, marginal gering ist, treibt der Modus auch andernorts kuriose Blüten: So ist es mittlerweile zum Sport verkommen, auf Youtube für möglichst viel Geld stundenlang Pakete zu öffnen. Da geben junge Erwachsene, teils sogar noch Jugendliche, fünftausend und mehr Euro an einem Abend aus und refinanzieren dies durch ihre treue Anhängerschaft, die sich diese Form spezieller Unterhaltung im Livestream anschaut. Nicht selten werden diese "Content Producer" dabei von EA sogar selbst gesponsert.
Ein mehr als fragwürdiges Modell mit Gefahren - nicht nur, weil der gesamte Spielmodus als Glücksspiel kategorisiert werden muss, sondern auch, weil den jungen Zusehern ein viel zu leichtfertiger Umgang mit dem Thema Geld vorgelebt wird.
Natürlich bleibt der Modus dennoch bestehen, zuletzt sollen knapp 30 Prozent der gesamten Unternehmens-Umsätze allein durch "Ultimate Team" generiert worden sein. Neuerungen gibt es durch den Wegfall von Fitness-Karten, neuerdings starten die Spieler bei jedem Spiel mit maximaler Ausdauer. Stattdessen kann jeder Zocker sein eigenes Stadion designen: Von Choreographien über Feuerwerk bis hin zu Vereins- und Torhymnen sind der Kreativität kaum Grenzen gesetzt. Dass neben Vereinswappen dort plötzlich auch Bären und Eichhörnchen auf überdimensionierten Bannern auftauchen, wirkt allerdings wenig realistisch.
Spannend ist der Einbau eines oft geforderten Features: Koop-Matches. Hier können zwei Spieler gemeinsam gegen zwei andere antreten, das gab es so bislang noch nicht.
Es gibt ja auch noch andere Modi...
Wer nicht Ultimate Team zockt, ist oft Traditionalist - und für diesen gibt es allen voran den Karrieremodus. Wer Geduld mitbringt, kann selbst Drittligisten wie den SC Verl zum Weltruhm führen. Dabei wurde an der Aufmachung einzelner Spielinhalte gearbeitet, zum Beispiel werden Spiele nun auf einer 2-D-Karte simuliert.
Die Möglichkeit, das Potenzial gerade von jungen Spielern und Talenten aus der Jugendakademie auszuschöpfen und diese rasch weiterzuentwickeln, wurde präzisiert: Das Spielertraining ist detailreicher geworden, zudem werden die Stärken und Schwächen der Nachwuchsprofis genauer analysiert. Ein Hauch des alten Fussball Managers, der bei EA 2013 zum bislang letzten Mal erschien, erfasst uns vor dem Bildschirm.
In den restlichen Modi bleibt vieles beim Alten. Im Anstoßmodus, der sich für gemeinsame Abende vor der Konsole bestens eignet, gibt es nach wie vor interessante und kurzweilige Spielmodi wie den "Überraschungsball", der aber nicht jedermanns Sache ist. Dem Straßenfußball-Modus Volta, der im Vorjahr nicht den erhofften Durchbruch schaffte, wurde nochmal ein neuer Schliff verpasst, unter anderem mit einem Online-Ligasystem wie bei Ultimate Team. Ob Volta damit aber aus dem Schatten ebendieses beliebtesten Spielmodus treten kann, ist fraglich.
Und Arminia und der SC Paderborn?
Besonders Fans von Arminia Bielefeld dürften sich freuen: In "Fifa 21" ist der DSC erstmals seit zwölf Jahren wieder erstklassig. Zwar besitzt der DSC noch keine Spieler, mit denen Zocker etwa im Ultimate-Team-Modus mithalten könnten - aber doch eine ordentliche Ausgangslage für die Karriere. Bester Spieler des DSC ist Kapitän Fabian Klos mit 76 Stärkepunkten, das höchste Entwicklungspotenzial der fest verpflichteten Profis hat Verteidiger Amos Pieper, der mit 80 Punkten internationales Niveau erreichen kann.
Nicht ins Spiel integriert ist allerdings die Schüco-Arena - wohl, weil der DSC in diesem Jahr erst aufgestiegen ist. Fans des Bundesliga-Absteigers SC Paderborn können hingegen vor prall gefüllter Kulisse in der Benteler-Arena virtuell vor den Ball treten, denn alle deutschen Erstliga-Stadien der Saison 2019/20 sind lizenziert worden. Beste Spieler beim SCP sind Sebastian Vasiliadis, Leopold Zingerle, Christopher Antwi-Adjei und Jamilu Collins mit jeweils 72 Punkten.
Zu guter Letzt wollen wir natürlich den SC Verl nicht unterschlagen: Der Drittliga-Aufsteiger ist erstmals bei FIFA dabei. Mit 65 Punkten ist Stürmer Aygün Yildirim der stärkste Profi des Klubs aus dem Kreis Gütersloh.
Fazit
Frage tausend Menschen über ihre Meinung zu FIFA, du wirst tausend verschiedene Antworten erhalten. Uns überzeugt allen voran das erfrischende Gameplay, auch wenn sich das berühmt-berüchtigte Momentum sowie auffällig viele Tore zum Halbzeitende weiterhin ins Spiel mogeln. Doch es wäre doch nicht FIFA, wenn man sich nicht immer mal wieder aufregen dürfte...
FIFA ist seit dem 9. Oktober für Xbox One, PlayStation 4 und den PC erhältlich und kostet derzeit rund 60 Euro.