
Wir regeln fast alles bequem per Anwendung auf dem Smartphone: Bankgeschäfte, Mails, Shopping. Kein Wunder also, dass Apps auch gegen das Coronavirus helfen sollen. Zum Beispiel, indem sie im Namen der Forschung Daten sammeln oder Infektionsketten aufdecken sollen. Wir haben die wichtigsten in Übersicht zusammengestellt.
RKI: Corona-Datenspende-App
Die Corona-Datenspende-App des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist bereits seit Anfang April auf dem Markt und wurde laut RKI bis zum 24. April 500.000-mal heruntergeladen.
Funktion: Die App verbindet sich mit Fitness-Armbändern oder Smartwatches. Nutzer geben beispielsweise Gewicht, Alter und Größe aber auch ihre Postleitzahl an. Außerdem werden Daten zu etwa Schlafverhalten, Körpertemperatur und Herzfrequenz gesammelt.
Zweck: Die Algorithmen hinter der App können anhand dessen, wie Nutzer sich verhalten, coronatypische Symptome erkennen, wie zum Beispiel einen erhöhten Ruhepuls. Aus den Ergebnissen erhoffen sich die Forscher, die Ausbreitung des Coronavirus besser zu verstehen. Die gesammelten Daten tragen sie in eine Karte ein – hier kommt die Postleitzahl zum Tragen, die angegeben werden muss.
Kritik: Laut RKI seien diese Datenspenden „pseudonym". Die Online-Sicherheitsexperten vom Chaos-Computer-Club (CCC) haben die App jedoch jüngst unter die Lupe genommen und gerade beim Punkt Pseudonymisierung ein eklatantes Problem entdeckt. „Entgegen der Darstellungen werden die hochsensiblen Gesundheitsdaten der meisten Nutzer nicht schon auf dem Smartphone pseudonymisiert, sondern vollständig und teils mitsamt Klarnamen der Datenspender abgerufen", erklärt der CCC. Die Daten würden erst durch das RKI pseudonymisiert.
Max-Planck-Institut: CoroNotes-App
Auch das Max-Planck-Institut hat das Virus als Forschungsobjekt für sich entdeckt und will für weitere Erkenntnisse Daten von Smartphone-Nutzern sammeln – mit der CoroNotes-App.
Funktion: Nach der Installation geben User auch hier Informationen wie Alter, Postleitzahl und Gewicht an. Danach beantworten sie in einer Art Tagebuch Fragen zu ihrem Zustand, zu Vorerkrankungen oder akuten Symptomen. Die Daten werden laut Institus anonymisiert.
Zweck: Die Wissenschaftler wünschen sich Einblicke, wie die Krankheit nach einer Infektion mit dem Coronavirus verläuft. Daraus sollen Rückschlüsse auf zum Beispiel wirksame Behandlungen möglich sein.
Kritik: Bisher ist keine Kritik bezüglich Datenschutz oder Sicherheit bekannt.
Start-up Lanterne: Crowdless
Die App Crowdless soll beim Social Distancing helfen. Ein britisches Start-up hat die Smartphone-Anwendung gemeinsam mit der Europäischen Weltraumrganisation ESA entwickelt.
Funktion: Die App greift unter anderem auf anonymisierte Daten von Google Maps und Google Places zu – also Daten, die ohnehin öffentlich zugänglich sind. Sie zeigt dem Nutzer an, wie viel in Geschäften in der Umgebung los ist. Im Gegenzug bittet die App ihre User um ein Feedback zum Andrang im Supermarkt.
Zweck: User sollen Einkaufsmöglichkeiten finden können, die möglichst wenig überlaufen sind. So soll das Infektionsrisiko verringert werden.
Kritik: Bisher ist keine Kritik bezüglich Datenschutz oder Sicherheit bekannt.
Bundesregierung: Stopp-Corona-App
Die Bundesregierung plant seit Längerem eine Stopp-Corona-App auf Basis des sogenannten PEPP-PT (Pan-European Privacy-Preserving Proximity Tracing). Ursprünglich sollte die Anwendung bereits nach den Osterferien verfügbar sein. Am Dienstag erklärten die Ministerien für Gesundheit und Inneres, die Telekom und SAP würden die Entwicklung übernehmen.
Funktion: Smartphones senden und empfangen via Bluetooth verschlüsselte IDs anderer Smartphones, die für einen gewissen Zeitraum – Inkubationszeit plus Toleranz – auf dem Gerät gespeichert werden sollen. Vereinfacht gesagt: Die Handys registrieren Begegnungen mit anderen, unabhängig vom konkreten Standort.
Zweck: Mit das schwierigste und aufwendigste im Kampf gegen das Virus und seine Ausbreitung ist es, die Kontaktpersonen von Infizierten ausfindig zu machen. Durch eine Tracing-App soll das einfach möglich sein. Ist jemand infiziert, meldet er das der App, diese wiederum schickt eine Warnung an alle Smartphones raus, die dem des Infizierten innerhalb einer bestimmten Zeitspanne nah waren. Im Gegensatz zu Tracking funktioniert Tracing ohne Zugriff auf den Standort. Wo und unter welchen Umständen sich Smartphones begegnet sind, spielt keine Rolle.
Kritik: Kritik an der geplanten App gibt es massenhaft und vollumfänglich. Deshalb beschränkt sich unser Bericht auf die wesentlichen Punkte. Die Datenschützer von Digitalcourage bemängeln unter anderem, dass die App-Macher auf Bluetooth setzen. Bluetooth sei „chronisch unsicher". Die Funktechnik müsste dauerhaft eingeschaltet sein, damit die App funktionieren kann. Hinzu kommt: Schalten Android-Geräte Bluetooth ein, muss parallel die Ortungsfunktion eingeschaltet werden, so Digitalcourage.
Problematisch könnte auch die Rolle von Google und Apple sein, denn sie bieten mit den Betriebssystemen ja die Plattform für die Apps. Die Konzerne haben angekündigt, gemeinsam an einer Lösung arbeiten zu wollen. „Damit wird die Art der Schnittstelle, die Apple und Google anbieten, jedoch zum Politikum. Denn so diktieren die Konzerne auch die Regeln dafür, welche Daten überhaupt gespeichert und hochgeladen werden können und somit welche Art von Tracing-Technologie einzelne Staaten einsetzen können", schreibt Netzpolitik.org dazu.
Seitens der Regierungen von Bund und Ländern wurde betont, dass es den Bürgern freistehe, die App zu nutzen. Sie also freiwillig ist. Allerdings äußern sich mittlerweile einige Politiker anders lautend. Zwar ist nicht von einer Pflicht zur Installation die Rede, aber doch von einer Quasi-Pflicht. Der digitalpolitische Sprecher der CSU, Hansjörg Durz, brachte laut Handelsblatt beispielsweise Lockerungen bei den Kontaktbeschränkungen für App-Nutzer ins Spiel. Für die, die sich hingegen weigern, blieben diese im Umkehrschluss länger bestehen. Der CDU-Innenstaatssekretär Günther Krings brachte die App als Bedingung für den Zutritt in bestimmte Bereiche – etwa Unternehmen – ins Spiel.
Bundesgesundheitsministerium: Quarantäne-App
In einer Pressekonferenz Ende April kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zudem eine Quarantäne-App an.
Funktion: Bisher unbekannt.
Zweck: Derzeit überprüfen Gesundheitsämter zweimal täglich, ob Infizierte in häuslicher Quarantäne ihre Auflagen einhalten. Zum Beispiel per Anruf oder Hausbesuch. Eine App soll die Ämter diesbezüglich entlasten.
Kritik: Bisher keine, allerdings ist auch noch nicht klar, wie die App funktionieren soll.
Gesamt-Fazit
Wie und ob all diese Apps zukünftig wirken könnten, ob sie helfen, das Virus einzudämmen, kann zum jetzigen Zeitpunkt kaum vorhergesagt werden. Es fehlen schlicht die Erfahrungswerte. Experten sind sich zudem uneins. Sicher ist aber: Um so mehr Menschen mitmachen, desto effektiver arbeiten die Apps. Die EU-Kommission geht basierend auf den Erfahrungen aus Singapur und Berechnungen der Oxford University davon aus, dass 60 bis 70 Prozent der Gesellschaft beispielsweise eine Tracing-App benutzen müssten, damit das Prinzip funktioniert.
Auch wenn es uns manchmal so vorkommt, als würde jeder nur noch an seinem Handy hängen – nicht jeder hat eines. Laut Statista haben 2019 57,7 Millionen Deutsche ein Smartphone besessen – also nicht ganz 70 Prozent der Bevölkerung. Noch nicht herausgerechnet sind da außerdem diejenigen, deren Smartphone zu alt ist, die App zu laden – oder diejenigen, deren Handy aus anderen Gründen nicht unterstützt wird.