
Köln. Wenn der Hass in den sozialen Netzwerken richtig schäumt, dann steckt möglicherweise "Reconquista Germanica" dahinter. Die Anhänger der rechten Bewegung haben es sich zur Aufgabe gemacht, Online-Attacken gegen politische Gegner, Medien und Institutionen zu fahren. Sie treffen sich in geheimen Troll-Netzwerken, um mit ihren Kommentaren Netzdebatten zu beeinflussen und die öffentliche Wahrnehmung zu verfälschen (nw.de berichtete).
Wie genau das funktioniert, hat eine Funk-Dokumentation aufgedeckt:
Jan Böhmermann will dem braunen Treiben nicht länger zusehen. Der Satiriker rief vergangene Woche in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" zur Gegenbewegung auf - mit Erfolg. "Wir haben aus Versehen eine Bürgerrechtsbewegung ins Leben gerufen", so Böhmermann am Donnerstag auf der Digital-Konferenz "re:publica".
Seine Initiative "Reconquista Internet" habe inzwischen fast 44.000 Mitglieder, und damit deutlich mehr als vergleichbare rechte Bewegungen - oder gar die AfD.
Wie funktioniert "Reconquista Internet"?
Wer sich Böhmermanns "Love-Bewegung" anschließen möchte, braucht zunächst die App "Discord". Das ist eine Chat-App, die vor allem bei Gamern beliebt ist - gleichzeitig aber auch die Plattform, auf der sich die ultrarechte Bewegung "Reconquista Germanica" organisiert. Wer Böhmermanns Bewegung beitreten möchte, folgt diesem Link und muss sich dann mit einem Foto und seinem Nutzernamen verifizieren.
Der Kodex in der Gruppe ist eindeutig: "Wir beleidigen niemanden", "wir werden niemals persönlich" und "wir lassen uns nicht spalten" heißt es da unter anderem. Auch für den Umgang mit rechten Trollen gibt es einen Leitfaden: "Wir lassen uns nicht provozieren" und "Wir kontern gewaltvolle Aussagen anstatt Gleiches mit Gleichem zu vergelten" sind nur zwei der vielen Hinweise im "Kodex".
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Was will "Reconquista Internet"?

Ähnlich wie die rechte Bewegung will Böhmermanns Initiative gemeinsame Netz-Aktionen starten - die heißen dort "Flauschangriffe". Als erste dieser Aktionen startete am 1. Mai die Operation "Ruhe im Karton". Unter einem YouTube-Video veröffentlichte das Team eine Liste von rechten Trollen und ihren Twitter-Profilen, sowie deren Vernetzung untereinander.
Im Video empfiehlt eine Person mit verfälschter Stimme, die Liste als Anhaltspunkt zu nehmen und in der rechten Filterblase ein bisschen "Liebe und Vernunft" zu verbreiten. "Wer Ruhe und Kraft braucht, benutzt die Listen als Block-Listen - für ein bisschen weniger Angst und Hass im Internet", heißt es.
Als nächste Aktion soll mit dem Hashtag #5mei an den "Bevrijdingsdag" gedacht werden. Die Niederlande feiern am 5. Mai das Ende der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. "Wir wollen, dass unsere Nachbarn in den Niederlanden sehen, dass uns der #5mei genauso wichtig ist, wie ihnen", heißt es in der Gruppe.
Im Abschnitt "Meme-Bibliothek" veröffentlicht Böhmermanns Team Netz-Memes zur freien Verwendung. In einem weiteren Abschnitt sammeln die Mitglieder die Reaktionen ihrer "Flauschangriffe".
Wie reagieren die Trolle?
Die Reaktionen aus der rechten Filterblase ließen schon kurz nach Bekanntwerden der Pläne nicht lange auf sich warten. Für Nervosität sorgt bei rechten Trollen vor allem das befürchtete "Doxing", das Böhmermann in seinem Aufruf-Video angekündigt hatte. Also: Das Veröffentlichen personenbezogener Daten von Trollen.
Rechte YouTuber beklagten sich in Videos umgehend über die angekündigten "Flauschangriffe" und bezeichneten diese als Einschüchterung. Einige YouTube-Kanäle und Twitter-Accounts wurden von Böhmermanns Community auch gemeldet und zum Teil gesperrt.