
Internationale Zuschauer dürfte es kaum überrascht haben, dass die Comedy-Serie „Ted Lasso" neben dem Historiendrama „The Crown" der große Gewinner der diesjährigen Emmys war. Von 20 Nominierungen holte die Fußball-Serie ganze sieben. Doch in Deutschland ist das Aushängeschild des Streaming-Anbieters Apple TV eher noch ein Geheimtipp. Dabei müssten doch gerade die Deutschen eine Fußballserie feiern. Warum Sie sie auf jeden Fall gucken sollten:
Was ist eigentlich Ted Lasso?
Eine Serie über Fußball, Kulturunterschiede, Depressionen, Kekse und noch viel mehr, die gerade auf das Ende ihrer zweiten Staffel zugeht. Alles beginnt in Staffel Eins damit, dass der American-Football-Coach Ted Lasso (Jason Sudeikis, „Wir sind die Millers") einen Job in England annimmt, um Trainer beim fiktiven Premier League Club AFC Richmond zu werden – obwohl er die Regeln des europäischen Fußballs gar nicht versteht. Was er nicht weiß: Die Club-Besitzerin Rebecca Welton (Hannah Waddingham, „Game of Thrones") hat den Club von ihrem Ex-Mann übernommen und will die Mannschaft aus Rache in den Ruin treiben. Dafür hat sie mit dem Amerikaner Ted absichtlich den vermeintlich schlechtesten Coach für das Team ausgesucht.
Die Charaktere
Das klingt nun so, als würde Coach Ted als Ami jede Woche irgendwas falsch verstehen, gemischt mit lauen Gags über Frauen und Fußball. Doch "Ted Lasso" ist sehr viel cleverer als es die Standard-Sportfilm-Prämisse klingen lässt. Das fängt schon beim tollen Ensemble und den tollen Charakteren an. Zunächst ist da natürlich der titelgebende Ted selbst – eine der nächsten ikonischen Serien-Rollen. Der Coach ist der von grundauf positivste Mensch der Welt und bringt seiner Chefin jeden Morgen selbstgebackene Kekse ins Büro – einfach nur um nett zu sein.
Waddingham als Teds Chefin Rebecca beginnt die Serie zwar quasi als Schurkin, wird aber schnell so viel mehr. Die Zuschauer verstehen bereits nach wenigen Folgen, warum sie tut, was sie tut und wie wenig lustig es sein kann, als Geschäftsfrau im männlich dominierten Fußball aktiv zu sein.
Die beiden sind umgeben von einem ganzen Haufen liebenswerter Exzentriker. Da ist Fanliebling Roy Kent (Brett Goldstein), der grummeligste Spieler aller Zeiten, der mehrfach pro Minute flucht. Teds mysteriöse zweite Hand Coach Beard (Brendan Hunt), der einen tollen Bart hat. Jamie Tarrt (Phil Dunster), ein Fußballgott und der beste Spieler der Mannschaft, der das leider allzu gut weiß. Seine Freundin Keeley (Juno Temple), die sich mit Model-Jobs über Wasser hält, aber nach mehr sucht. Balljunge Nate (Nick Mohammed), der so schüchtern ist, dass er kaum laut sprechen kann, aber eigentlich alles über die Mannschaft weiß. Und das ist noch nicht einmal die Hälfte des überraschend diversen Casts.
„Ted Lasso" ist Kino(reif)
Die zwei Dinge, die „Ted Lasso" über das Ensemble hinaus herausragend machen, sind die Dramaturgie und die Regie. Die Comedy-Serie ist häufig spannender als jedes Drama, weil es in den Folgen immer wirklich um etwas geht. Anders als bei „Friends" oder „Big Bang Theory" wird nicht einfach am Ende jeder Folge wieder alles auf Anfang gestellt. Die Charaktere und der Club entwickeln sich – und wir fiebern mit. Selbst Nicht-Fußballfans werden nach der Serie verstehen, warum Fans bei einem Tor vor Freude aufjubeln.
Dazu trägt auch die für Serien überdurschnittlich gute Regie und Kamera ihren Teil bei. Die Spiele sind spannend und dynamisch gefilmt, aber die Zuschauer können dem Geschehen immer folgen. Auch in den Dialogszenen werden nicht einfach serientypisch die Schauspieler mit nur zwei Kameraperspektiven abgelichtet. Stattdessen bleiben wir lange in den Gesichtern und Emotionen der Charaktere hängen oder folgen ihnen oft minutenlang auf dem Weg zu einem wichtigen Gespräch. So ist die letztendlich große Konfrontation zwischen Ted und Rebecca in Staffel Eins einer der besten Filmmomente des vergangenen Jahres. Das ist nicht nur Serien-, sondern Kinoqualität.
Wie viele Freiheiten das Team von Serien-Erfinder Bill Lawrence („Scrubs", „Cougartown") hat, zeigt sich vor allem in der aktuellsten Folge. Darin folgt die Kamera nach einem verpatzten Spiel fast die ganze Folge lang nur dem frustrierten Coach Beard, der seinen aufkommenden Depressionen in Clubs entkommen will und dadurch innerhalb einer Nacht in immer absurdere und heftiger eskalierende Situationen gerät – von einem Bodybuilder, der ihn verfolgt, bis hin zu zwei eingebildeten Fußballkommentatoren, die ihm immer wieder einreden wollen, sich doch bitte das Leben zu nehmen. Eigentlich schon ein kleiner Film in sich – und das ist nur eine Episode.
Kurz: Gucken Sie „Ted Lasso"!
„Ted Lasso" ist die derzeit zu gleichen Teilen lustigste, herzerwärmendste und spannendste Serie auf allen Plattformen. Gefahr, dass die Serie sich totläuft, besteht auch nicht. Showrunner Lawrence hat schon angekündigt, dass „Ted Lasso" nach der dritten Staffel enden wird. Weil die Geschichte des AFC Richmond mit all seinen verschrobenen Mitgliedern dann zu Ende erzählt ist.
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