TV & Film

Amazon-Serie "Unreal": Schonungsloser Blick auf Reality-Shows

Bei der tiefschwarzen Satire-Serie bleibt den Zuschauern das Lachen im Halse stecken

Benedikt Schülter
23.02.2018 | 28.06.2022, 10:45

Nein, Reality-Shows haben kein gutes Image. Niveauloses Gebrabbel, vorgeführte Kandidaten, peinliche Momente. Der Zuschauer ergötzt sich an Formaten wie "Frauentausch", "Deutschland sucht den Superstar", "Germanys next Topmodel" oder "Die Wollnys". Und trotzdem sind die oft billig produzierten, teilweise mit Product Placement vollgestopften Sendungen, Quotengaranten für RTL und Co.

Gerade strahlt, wieder einmal recht erfolgreich, der Kölner Privatsender "Der Bachelor" aus. Eine Schar junger Frauen wird mit einem "attraktiven" Junggesellen in eine pompöse Villa eingepfercht und muss dann um die Gunst des Hauspaschas buhlen - der jeder Dame, die ihm genehm ist, eine Rose überreicht und eine Runde weiter schickt. Da sind Dramen und emotionale Ausbrüche programmiert. Zickenkriege werden ausgetragen, Intrigen gesponnen und jegliche Würde der Kandidaten über Bord geworfen. Wenn es an genug Schnittmaterial mangelt, helfen die TV-Macher gerne nach.

Bei Amazon Prime läuft mit "Unreal" eine Serie, die einen schonungslosen, bitterbösen Blick hinter die Kulissen dieses Showkonzepts gewährt. Dabei weiß Regisseurin Sarah Gertrude Shapiro genau, wovon sie spricht. Sie selbst war jahrelang Teil einer Crew, die an der amerikanischen Version von "Der Bachelor" mitarbeitete. Als Producerin war es ihre Aufgabe, die Kandidatinnen so unter Druck zu setzen, dass diese genau das taten, was sich die Macher der Show vorstellten.

"Ich konnte sie einfach nicht brechen"

In einem lesenswerten Text im "The New Yorker" schildert sie, wie es ihre Aufgabe war, die Teilnehmerinnen zu manipulieren. Shapiros Bosse hatten ihr unter anderem aufgetragen, eine Frau zum Weinen zu bringen. Die Anwältin war gerade vom Bachelor rausgeworfen worden. Hatte keine Rose bekommen. Die Emotionen der Frau waren der Crew nicht dramatisch genug. "Ich konnte sie einfach nicht brechen", sagt Shapiro. Um vier Uhr morgens bekamen die Fernsehmacher dann doch noch, was sie brauchten.

„Meinst du, er hat dich nicht ausgewählt, weil du zu fett bist?", fragte Shapiro die Kandidatin, die anschließend zusammenbrach, weinte und hyperventilierte. Gnadenlos ließ Shapiro die Kamera auf die Frau halten. Ein Anruf der Bloßgestellten wirkte wie ein Spiegel, der ihr vorgehalten wurde: "Du hast mein Leben ruiniert". Shapiro dachte: "Ich bin ein Monster."

Manipulationen und Lügen. Die Kandidatinnen aufeinanderhetzen. Shapiro als Beteiligte dieses zynischen Geschäfts hatte genug Stoff beisammen, um das Erlebte in "Unreal" zu verarbeiten. Dort geht es genau um die Produktionsbedingungen einer solchen Sendung mit dem Namen "Everlasting".

Weinkrämpfe und Prügeleien

Der Zuschauer wird Augenzeuge wie Shapiros Alter Ego, Producerin Rachel Goldberg, alle nur erdenklichen Mittel einsetzt, um die "Realität" so herzustellen, dass sie dem Reality-Konzept entsprechen. Prämien für öffentliche Zusammenbrüche, hysterischen Weinkrämpfen und Prügeleien gibt es für die Manipulatoren. Die selbsterklärte Feministin Goldberg erweist sich dabei als äußerst talentiert, Frauen gegeneinander auszuspielen.

Das ist durchaus gut anzusehen, spannend und hin und wieder auch amüsant. Doch zunehmend bleibt einem das Lachen, angesichts der Bösartigkeiten, im Halse stecken. Die Skrupellosigkeit der Hauptcharaktere lassen einem die Haare zu Berge stehen. Besonders Constance Zimmer als Showrunnerin Quinn, die einfach nur "gutes Fernsehen" machen will, überzeugt mit ihren diabolischen Fähigkeiten Kandidaten und Crewmitglieder wie Schachfiguren einzusetzen und gegeneinander auszuspielen. Keiner der Hauptdarsteller ist sympathisch. Glaubt man die Spitze des Eisbergs sei erreicht, wird man in der nächsten Folge eines besseren belehrt. Set-Chefin Quinn bringt es dann auch auf den Punkt: "Lass dein Gewissen außen vor", blafft sie Producerin Goldberg an.

Die ersten beiden Staffeln "Unreal" stehen bei Amazon Prime kostenfrei zur Verfügung. Ab dem 27. Februar wird Staffel 3 freigeschaltet.

Hier gibt es einen Trailer zur dritten Staffel: