Gleichberechtigung

Bielefelder Soziologe plädiert für Wickeltische auf Herrentoiletten

Sebastian Grieser forscht zu dem Thema und kritisiert, dass viele Väter zwar stärker an der Erziehung beteiligt sind, die unangenehmen Aufgaben überlassen sie aber immer noch zu oft den Frauen

Immer noch zu selten: Ein Vater wickelt seine Tochter. | © picture alliance / Frank May

28.12.2018 | 28.12.2018, 12:44

Bielefeld (epd). Wickeltische auf Männertoiletten bringen die Geschlechterordnung positiv durcheinander, sagt Sebastian Grieser. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl für Geschlechtersoziologie an der Universität Bielefeld forscht aktuell zum Thema „Wickeln im außerhäuslichen Raum". Wickeltischfreie Männertoiletten sind für Grieser ein Symptom eines tiefer liegenden Problems.

Wickeltische auf Toiletten sind in Deutschland keine Pflicht

Dass ein Vater, der auf der Herrentoilette einen Wickeltisch sucht, in der Regel nicht fündig wird, hat verschiedene Gründe, erklärt Grieser. "Zum einen sind Wickeltische auf Toiletten in Deutschland gesetzlich nicht vorgeschrieben, auch auf Frauentoiletten nicht. Zum anderen sind WCs hierzulande aus kulturellen Gründen getrennt, obwohl das biologisch nicht nötig wäre", so der Soziologe. Frauen- und Männertoiletten würden sich in der Ausstattung unterscheiden: Bei den Damen gebe es zum Beispiel manchmal Schminktische, bei den Herren Kondomautomaten. Grieser: "In der Geschlechterforschung sagt man, dass Räume gegendert sind. Wenn nun in einem männlichen Raum wie dem Herren-WC ein mit Weiblichkeit verknüpftes Objekt wie ein Wickeltisch steht, irritiert das die Geschlechterordnung."

Dabei wäre der Bedarf für Wickelmöglichkeiten auf Männertoiletten durchaus da, sagt Grieser. "Die Geschlechterrollen ändern sich und Väter verbringen mehr Zeit mit ihren Kindern. Diese sogenannten aktiven Väter überlassen die als unangenehm geltenden Aufgaben trotzdem noch immer eher der Mutter."

Eine Untersuchung des Statistischen Bundesamts habe zum Beispiel ergeben, dass Väter von Kindern unter sechs Jahren 2013 eine halbe Stunde pro Tag für Beaufsichtigung und Körperpflege aufgewendet haben, worunter auch das Wickeln fällt. Bei den Frauen waren es knapp 1,5 Stunden. Grieser: "Dazu kommt, dass Fürsorgetätigkeiten wie Wickeln gesellschaftlich noch immer abgewertet werden. Wickeltische auf Männertoiletten wären also eine Erleichterung für wickelnde Väter und würden die anderen Väter daran erinnern, dass sie auch wickeln könnten."

Positiv-Beispiel New York

Im Ausland ist die Situation mancherorts inzwischen besser. So wurde in New York ein Gesetz erlassen, nach dem in allen renovierten und neugebauten Toiletten ein Wickeltisch stehen muss. "Ein anderes gutes Beispiel ist Skandinavien", sagt Grieser. "Dort wird viel lockerer mit Wickeln in der Öffentlichkeit umgegangen. Und es gibt viele Familientoiletten, Wickelräume und gemischte Waschräume. Solche Einrichtungen sind vereinzelt auch in Deutschland zu finden, es müsste aber deutlich mehr geben."