
Toronto. Lange Zeit war Frauen eine Karriere in der Chirurgie verwehrt. Elisabeth Winterhalter schrieb in Deutschland Medizingeschichte, als sie 1895 als erste Frau einen Kaiserschnitt durchführte. Die Zeiten sind längst vorbei, aber noch immer dominieren Männer den Fachbereich. Nur rund 20 Prozent sind in Deutschland in der Chirurgie tätig. Das hat inzwischen aber durch die neueren Methoden und Techniken weniger damit zu tun, dass die körperlichen Anforderungen besonders hoch sind. Gibt es einen Unterschied bei chirurgischen Eingriffen, wenn sie von einem Mann oder einer Frau durchgeführt werden? Eine Studie liefert hierzu bemerkenswerte Hinweise.
Das Forschungsteam rund um die Mediziner Christopher J.D. Wallis und Angela Jerath von der Universität Toronto hat die Ergebnisse nach einer gängigen Operation bei rund 1,2 Millionen Patientinnen und Patienten in Ontario ausgewertet. 151.054 wurden von Frauen, 1.014.657 wurden von Männern im Zeitraum Anfang Januar 2007 bis Ende Dezember 2019 durchgeführt. 90 Tage nach dem Eingriff wurden bei 13,9 Prozent der Patienten, die von Chirurgen operiert worden waren, eine oder mehrere postoperative Komplikationen festgestellt. Demgegenüber stehen 12,5 Prozent der Patienten mit diesen Folgen, die von Chirurginnen behandelt worden waren. Deutlicher wird der Unterschied bei Betrachtung der Komplikationen ein Jahr nach der OP. Bei 25 Prozent, die von Männern operiert worden waren, lagen eine oder mehrere Komplikationen vor. Auf Eingriffe von Frauen gingen 20,7 Prozent der Fälle zurück.
Hinweise auf Komplikationshäufigkeit
"Die Ergebnisse dieser Studie weisen darauf hin, dass das Risiko für postoperative Komplikationen bei Patienten niedriger ist, die von Chirurginnen behandelt werden", schreiben die Forscher. Es sei aber notwendig, die Unterschiede beim Operationserfolg aufgrund des Geschlechts des Arztes genauer hinsichtlich der genauen Gründe zu untersuchen. Eine zweite Studie, die ebenfalls im Fachmagazin "Jama" veröffentlicht worden ist, liefert weitere Erkenntnisse. Die schwedischen Wissenschaftler My Blohm, Gabriels Sandblom und ihre Kollegen haben die Zeit, die Männer und Frauen für Operationen benötigen, verglichen. Konkret ging es um Gallenblasenentfernungen bei 150.509 Patienten. Diese gingen im Zeitraum Anfang 2006 bis Ende 2019 auf Eingriffe von 849 Chirurginnen und 1704 Chirurgen in Schweden zurück.
Bei Eingriffen, die von Männern durchgeführt wurden, war der Anteil an Komplikationen während und nach der OP höher. Zudem fiel auf: Chirurginnen operierten langsamer als ihre Kollegen und neigten seltener dazu, während eines Eingriffs von einer minimalinvasiven auf eine offene Operation - einen großen Hautschnitt, um zur betroffenen Region zu gelangen - umzustellen. Durchschnittlich benötigte eine Chirurgin rund 100 Minuten für einen nicht-notfallmäßigen Eingriff und 126 beim akuten Fall. 89 Minuten sowie 111 bei der Not-OP der Gallenblase waren es durchschnittlich bei ihren männlichen Kollegen. Es gab aber keinen Unterschied bei der Zahl derjenigen, die nach einem Eingriff gestorben sind.
Chirurginnen - ein Vorteil?
In einem Kommentar zu dieser Studie merkt Martin Almquist von der Uni-Klinik Skåne an, dass die Langsamkeit von Chirurginnen letztlich besser ist. Tim Mitchell, Vorsitzender des englischen Chirurgenverbandes, weist in "The Guardian" darauf hin, dass die Hinweise auf eine Verbindung zwischen dem Geschlecht des Arztes und des Operationsergebnisses interessant und wichtig seien. Allerdings könne daraus nicht auf kausale Zusammenhänge geschlossen werden. Aus seiner Sicht seien die Fälle komplex. Auch wenn die Autoren die wesentlichen Aspekte berücksichtigt hätten, gebe es verbleibende Störfaktoren, die nicht ausgeschlossen werden können.