Studie

Verspätete Diagnosen in der Pandemie - tausende zusätzliche Krebstote?

Eine Untersuchung französischer Onkologen geht davon aus, dass sich zu wenige Menschen mit Krebs behandeln ließen.

Eine Mitarbeiterin eines Krankenhauses in Frankreich überwacht eine Strahlentherapie-Behandlung bei einem Patienten mit Adenokarzinom. | © picture alliance / BSIP

Talin Dilsizyan
08.12.2020 | 08.12.2020, 15:23

Paris. Mehrfach haben Ärzte ihre Sorge ausgedrückt, dass Patienten in der Coronavirus-Pandemie wichtige Kontrolltermine und Untersuchungen vernachlässigen. In Frankreich hat die Krise im Gesundheitswesen - Krankenhäuser, die an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen sind - weitreichende Folgen für Krebspatienten, wie eine neue Studie darlegt.

Seit Beginn der Pandemie ist zu beobachten, dass beispielsweise Menschen mit Herzproblemen zu lange warten, um sich behandeln zu lassen. Die Zahl der Todesopfer außerhalb von Kliniken ist gestiegen. Viele Menschen haben Vorsorge- und Kontrolltermine vernachlässigt. Darüber berichten auch Ärzte in Ostwestfalen-Lippe. Eine Studie von Unicancer, ein Netzwerk von 18 privaten französischen Krankenhäusern, die ihren Schwerpunkt auf die Krebstherapie setzen, weist darauf hin, dass die Pandemie in Frankreich erhebliche Konsequenzen für Krebspatienten haben könnte.

Weniger Krebs-Diagnosen in Frankreich

Die Studie, über die unter anderem Le Point berichtet, zeigt auf, dass zwischen März und Juli im Schnitt 6,8 Prozent weniger neue Patienten behandelt wurden. Um 23,3 Prozent geringer fällt die Zahl derjenigen im April und Mai aus, bei denen vor kurzem Krebs festgestellt wurde und die sich daher in Therapie begeben hätten. Betroffene, die bereits wegen Karzinomen behandelt werden, hätten auch in der Zeit steigender Coronavirus-Infektionszahlen und eines überlasteten französischen Gesundheitssystems weiter Termine wahrgenommen. Problematisch sei aber laut Jean-Yves Blay, Vorsitzender von Unicancer, dass Krebs bei weniger Neuerkrankten festgestellt wurde.

"Was wir zwischen März und Juli beobachtet haben, das bedeutet konkret, dass wir allein wegen dieser fünf Monate  in den kommenden Jahren 1.000 bis 6.000 zusätzliche Krebstote haben werden", sagt Blay. Seinen Ausführungen zufolge erhöht sich das Risiko zu sterben pro Monat, in dem die Erkrankung nicht festgestellt und behandelt wurde, schätzungsweise um jeweils 1,06 Prozent.

Warnung deutscher Institutionen

Bei Brustkrebs, Kopf-Hals-Tumoren, Lungenkrebs und  Darmkrebs sind Verzögerungen bei der Diagnose besonders schädlich. Deutsche Krebshilfe, Deutsche Krebsgesellschaft und Deutsches Krebsforschungszentrum hatten sich Mitte November angesichts der "zweiten Welle" besorgt geäußert, dass es in der Versorgung von Patienten in Deutschland erneut zu Einschränkungen kommen könnte. In der Anfangsphase der Covid-19-Pandemie wurden Therapien verkürzt oder verschoben.

Nun stünden viele Krankenhäuser vor den gleichen Herausforderungen: "Intensivbetten müssen für COVID-Patienten freigehalten werden, durch Infektionen oder häusliche Quarantäne ist vielerorts die Personaldecke ausgedünnt, die Hygieneregeln schränken den Zugang zu Kliniken und Ambulanzen ein." Dies kann erneut dazu führen, dass Früherkennung und Nachsorge nicht stattfinden. Bis in den Mai hinein lag der gemeinsamen Task Force der drei Institutionen zufolge kein "klinischer Normalbetrieb" vor, auch wenn es Verbesserungen in verschiedenen Versorgungsbereichen gegeben habe. Ungeachtet der steigenden Coronavirus-Infektionszahlen sei es wichtig, weiterhin Untersuchungstermine wahrzunehmen, um verdächtige Symptome abzuklären.

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