
Bielefeld. Trübes Wasser in der Lagune von Venedig, Smog, der die Skyline von Shanghai verhüllt - in zahlreichen touristischen Hotspots ist die Umweltverschmutzung normalerweise deutlich spürbar. Wenn wegen der Coronavirus-Krise Kreuzfahrtschiffe nicht mehr fahren, Flugverbindungen gestrichen sind und zahlreiche Fabriken nicht wie sonst produzieren, so kann dies aber durchaus positive Nebeneffekte haben.
Trübes Wasser in den Kanälen von Venedig? Aktuell sieht es in der Lagunenstadt ganz anders aus. Auf kristallklarem Wasser schwanken die Gondeln und Boote. Kleine Fische tummeln sich darunter - ein ungewöhnlicher Anblick:
Wie die Stadtverwaltung von Venedig gegenüber CNN klargestellt hat, ist der Grund, dass weniger Boote und Schiffe auf dem Wasser unterwegs sind. Die Sedimente bleiben am Boden bleiben und werden nicht aufgewirbelt. Die Wasserqualität habe sich aber nicht verbessert. Die Luftverschmutzung habe aber tatsächlich abgenommen. Dies hänge mit der Ausgangssperre für die Bewohner und dem deshalb geringen Verkehrsaufkommen zu Wasser zusammen.
Einschnitte durch Coronavirus fördern Gesundheit
Von einer erheblich besseren Luftqualität, wo ansonsten der Smog die meiste Zeit des Jahres den Alltag beherrscht, profitieren auch chinesische Großstädte. Nicht nur der ungewöhnliche blaue Himmel fällt auf. Einer Studie des Wissenschaftlers Marshall Burke von der Universität Stanford zufolge haben die drastischen Einschränkungen infolge des Coronavirus-Ausbruchs in den vergangenen zwei Monaten wahrscheinlich sogar das Leben von "4.000 Kindern, die jünger als 5 Jahre alt sind, und 73.000 Über-70-jährigen-Erwachsenen gerettet".
Seinen Ausführungen im Wissenschaftsblog G-Feed zufolge sterben etwa 20 mal weniger Menschen an den Folgen von schmutziger Luft, als an den Folgen einer Infektion mit dem neuen Coronavirus. Burke legt den Stand der Erkenntnisse zur Mortalitätsrate vom 8. März zugrunde und bekräftigt, dass es ihm nicht darum geht, die Pandemie herunterzuspielen. Vielmehr will er seine Berechnungen als eine Vorhersage aufgrund der positiven Folgen für die Umwelt verstanden wissen. Sie beruht darauf, dass das gesellschaftliche Leben und die Wirtschaft in China massiv beeinträchtigt ist.
Nicht alle chinesischen Städte profitieren
Auch weist er darauf hin, dass die Luftverschmutzung vor allem in Wuhan und Shanghai im Süden des Landes abgenommen hat. Die Feinstaubbelastung werde dort vor allem durch Autos und kleinere Industrien verursacht. In Beijing zeige sich kein positiver Effekt im Vergleich zu den Vorjahren. Seit 2014 setzt die Regierung ein Umweltprogramm um, damit die Feinstaubbelastung in den Metropolen sinkt. 2019 gelang es den Behörden zufolge, den Smog in den Metropolen um mehr als 17 Prozent zu senken. Noch immer wird ein Großteil des Stroms in China mit Kohle erzeugt - 59 Prozent. Kohlekraftwerke haben von Juni 2018 bis Juni 2019 ihre Leistung um 42,9 Gigawatt (GW) gesteigert, während sie weltweit insgesamt um 8 GW gesunken ist. China will seine Kapazitäten zudem um weitere 121,3 GW ausbauen.
In Beijing lag 2019 die durchschnittliche Feinstaubbelastung bei 42 Mikrogramm pro Kubikmeter. Im Vorjahr waren es noch 51 Mikrogramm. Die Verbesserung ist darauf zurückzuführen, dass der Kohleverbrauch in und um Beijing während der Heizperiode im Winter verringert wurde. Hunderte Fabriken wurden geschlossen oder deren Standorte verlegt, strengere Abgasvorgaben für Autos umgesetzt. Ziel ist allerdings ein Wert von 35 Mikrogramm.
Das wäre noch immer mehr als die von der Weltgesundheitsorganisation bestimmte Grenze von 10 Mikrogramm PM 2,5 - den besonders kleinen Partikeln. Sie können Atemwegserkrankungen, Herz-Kreislauf-Beschwerden auslösen und stehen im Verdacht Lungenkrebs auszulösen. Forscher der Universität Mainz hatten Anfang März in einer Studie dargelegt, dass die Luftverschmutzung die Lebenserwartung der Menschen im globalen Durchschnitt stärker verringert als Infektionskrankheiten oder andere Herz-Kreislauf-Risikofaktoren wie beispielsweise Rauchen.
Stickoxidbelastung sinkt in Italien
Die Europäische Weltraumorganisation ESA hat in einem Video dargestellt, dass auch in Italien die Ausgangssperre und geringere industrielle Aktivität die Luft verbessert haben. In der Po-Ebene in Norditalien - einem Schwerpunkt der Industrie - sind die Stickstoffkonzentrationen signifikant gesunken.
Marshall Burke räumt ein, dass er nicht alle Konsequenzen der Pandemie auf die Gesundheit berücksichtigt, etwa wie die Psyche leidet, wenn die Bewegungsfreiheit eingeschränkt ist, aber er hofft, "dass wir alle vielleicht am Ende Wege finden, unsere Arbeit zu erledigen, ohne dabei die Umwelt zu verschmutzen".
INFORMATION
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