
Bremen. In Deutschland kommt es pro Jahr zu rund 30.000 bis 50.000 Bissverletzungen. Rund 60 bis 80 Prozent gehen auf Hunde zurück. Laut einer Studie, die im Ärzteblatt veröffentlicht wurde, beträgt das Risiko, sich dabei mit Bakterien zu infizieren, 10 bis 20 Prozent. Dass für gesunde Menschen der Speichel bereits gefährlich sein kann, zeigt der Fall eines 63-Jährigen aus Bremen.
Wie aus dem Bericht der behandelnden Ärzte am Roten Kreuz Krankenhaus Bremen im Fachmedium European Journal of Case Reports in Internal Medicine hervorgeht, hat das Stäbchenbakterium Capnocytophaga canimorsus zum Tod geführt. Sein Hund, das einzige Haustier, hatte ihn nicht verletzt, sondern nur berührt und geleckt. Der 63-Jährige bekam Petechien - Hauteinblutungen im Gesicht - zudem schmerzten die Muskeln seiner unteren Gliedmaßen und ihm tat das untere rechte Bein besonders weh. Drei Tage lang war er kurzatmig und hatte 39 Grad Fieber, bevor er ins Krankenhaus gebracht wurde.
Zustand verschlechtert sich trotz intensiver Behandlung
Die behandelnden Ärzte - Naomi Mader, Fabian Lührs, Stefan Herget-Rosenthal sowie Martin Langenbeck - stellten Blutergüsse an den unteren Gliedmaßen fest, aber keine offenen Wunden. Anzeichen, die auf eine Hirnhautentzündung gedeutet hätten, wies er nicht auf. Auf der Intensivstation haben sie ihn mit Antibiotika und weiteren Medikamenten behandelt, um einer Infektion durch Streptokokken, Meningitis-Erregern, Staphylokokken oder Grippeviren entgegenzuwirken. Auch verabreichten sie ein spezifisches Antibiotikum bei Leptospirose, der Weil-Krankheit, die von Hunden übertragen werden kann.
Die Behandlung schlug nicht an. Sein Zustand verschlechterte sich laut dem Bericht der Mediziner nach 30 Stunden. Er wies Hirnschädigungen auf, bekam einen Darmverschluss, Leber- und Nierenversagen, musste nach Kreislaufversagen reanimiert werden. Am vierten Tag im Krankenhaus brachte die Laboruntersuchung das Ergebnis, dass der 63-Jährige sich mit Capnocytophaga canimorsus angesteckt hatte. Die Ärzte setzten ein Antibiotikum gegen dieses Bakterium ein.
Bakterien im Maul des Hundes
Es kommt in der normalen Mundhöhlenflora von Hunden vor. Infektionen mit Capnocytophaga canimorsus können bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem, die alkoholabhängig sind oder keine funktionierende Milz haben, in 23 bis 31 Prozent der Fälle tödlich enden. Ungewöhnlich ist, dass der Betroffene in Bremen keineswegs zu einer dieser Risikogruppen zählte. Er starb trotz intensiver Behandlung, 16 Tage nachdem er in die Klinik gekommen war, an multiplem Organversagen.
Die Bremer Ärzte sehen einen Hinweis darauf, dass bereits eine geringe Konzentration von Capnocytophaga canimorsus, ungeachtet eines ansonsten gesunden Zustandes, zu einem septischen Schock führen kann. Unter den insgesamt seltenen Infektionsfällen, die dokumentiert sind, überwiegen jene, die nach einem Biss zu einem schweren Krankheitsverlauf geführt haben. Nur ein Fall ist bekannt, bei dem sich jemand mit gutem Immunsystem infiziert hat: Im Juni 2018 steckte sich ein US-Amerikaner an und verlor Teile seiner Arme und Beine.
Aus Sicht des Teams des Roten Kreuz Krankenhauses sollten Haustierbesitzer, wenn sie nicht nur grippeähnliche Symptome aufweisen, sondern auch schwer atmen und Hauteinblutungen bekommen, unbedingt zum Arzt. Eine schnelle Behandlung unter anderem mit Penicillin sei entscheidend.