Gesundheit

Sind E-Zigaretten wirklich gesünder?

Experten gehen Mythen auf den Grund und bewerten Vorzüge und Gefahren des neuen Rauchtrends.

E-Zigaretten können weniger schädlich als Zigaretten sein. | © Getty Images/iStockphoto

02.09.2019 | 02.09.2019, 16:57

E-Zigaretten werden in Deutschland immer beliebter: Der Umsatz mit den Dampfautomaten ist in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Lag er 2016 noch bei 420 Millionen Euro, rechnet der Verband des e-Zigarettenhandels für 2018 mit einem Jahresgesamtumsatz von bis zu 900 Millionen Euro. Immer neue Modelle und Geschmacksrichtungen drängen auf den Markt, kommt hinzu, dass „Dampfen“ nicht nur als cool, sondern auch als wenig riskant gilt. Aber sind elektronische Zigaretten wirklich so harmlos, wie manchmal behauptet wird? Oder bringt das Inhalieren der Dämpfe doch ungeahnte Gefahren mit sich?

Nicht gesünder und doch besser?

„Es stimmt nicht, dass E-Zigaretten gesünder wären als herkömmliche“, sagt Tobias Rüther, Leiter der Tabakambulanz am Uniklinikum München. „Aber sie sind weniger schädlich.“ Im Dampf von E-Zigaretten sind nämlich keine Verbrennungsprodukte und damit wesentlich weniger Schadstoffe enthalten als in Zigarettenrauch. Ute Mons, Leiterin der Stabsstelle Krebsprävention am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), bekräftigt: „Gefährliche Stoffe entstehen vor allem beim Verbrennen der Zigaretten.“ Dabei wird ein Cocktail chemischer Substanzen freigesetzt, von denen rund 250 als giftig oder krebserregend gelten. Bei elektronischen Geräten wird dagegen nur eine Flüssigkeit (das Liquid) zum Verdampfen gebracht. Der Nebel (Aerosol), der dabei entsteht, enthält ebenfalls bedenkliche Stoffe – aber in viel geringerem Ausmaß.

Qualität macht einen Unterschied

Die Mengen hängen stark von den Liquids und den E-Zigarettentypen ab. Frank Henkler-Stephani vom Bundesinstitut für Risikobewertung sagt: „Inzwischen sind so viele unterschiedliche Produkte auf dem Markt, dass es schwer ist, allgemeingültige Aussagen zu treffen.“ Grundsätzlich kann die Schadstofffreisetzung bei E-Zigaretten weitgehend minimiert werden, wie er erklärt. Andererseits könnten bei Modellen ohne entsprechende Sicherheitsmerkmale oder bei hoher Verdampferleistung Überhitzungen auftreten, die zur erhöhten Bildung von Schadstoffen – etwa krebserzeugendes Formaldehyd – führen. „Um die Schadstoffaufnahme zu minimieren, sollten Dampfer in dem vom Hersteller empfohlenen Leistungsbereich bleiben und qualitativ hochwertige Liquids verwenden“, sagt Henkler-Stephani.

Langzeitstudien fehlen noch

Die Liquids enthalten neben Wasser, Nikotin und Aromen vor allem Propylenglykol, das auch für Theaternebel verwendet wird. Die Substanz ist als Lebensmittelzusatz zugelassen – wie es sich langfristig auswirkt, wenn man den Stoff häufig inhaliert, ist unklar. Gesundheitsrisiken können auch von Aromen ausgehen, die den Flüssigkeiten zugesetzt sind: Zum Beispiel können manche davon Allergien auslösen. „Letztendlich weiß man aber noch wenig darüber, welche Gesundheitsrisiken der E-Zigaretten-Konsum langfristig hat“, sagt Mons. So gibt es zwar Tier- und Zellversuche, die zeigen, dass das Aerosol entzündungsfördernd wirkt und den oxidativen Stress erhöht. „Aber was bedeutet das für den Menschen? Dazu gibt es keine gesicherten Erkenntnisse“, betont sie.

Wie gefährlich ist das Nikotin?

Auch nikotinfreie E-Zigaretten sind laut DKFZ nicht harmlos, da sie ebenfalls bedenkliche Substanzen freisetzen können. Nikotin kann zwar süchtig machen, ist ansonsten aber gar nicht mal der Stoff, der Mons die größten Sorgen bereitet: „Nikotin ist zwar ein Nervengift, das überdosiert gefährlich ist und zum Beispiel nicht in die Hände kleiner Kinder geraten darf“, sagt die Wissenschaftlerin. „Per se ist der Stoff aber nicht sonderlich schädlich. Er erhöht eventuell das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, krebserregend ist er aber nicht.“

Erst E-Zigarette, dann ganz aufhören?

Wie sinnvoll ist es für Raucher, auf E-Zigarettenumzusteigen? Laut ärztlicher Leitlinie besteht der erfolgreichste Ansatz für einen Rauchstopp in einer Verhaltenstherapie, die durch Nikotinersatzprodukte ergänzt werden. Für Raucher, die damit keinen Erfolg haben, sind E-Zigaretten tatsächlich eine weniger schädliche Alternative. „Experten sind sich darin einig, dass es besser ist, vollständig umzusteigen, wenn die üblichen Methoden zur Tabakentwöhnung nicht angewendet werden können oder nicht klappen“, sagt der Suchtexperte Rüther. Manchem Raucher können E-Zigaretten auch tatsächlich helfen, ganz von der Nikotinabhängigkeit weg zu kommen. Mons berichtet: „Ein Wundermittel ist es sicherlich nicht, aber man kann es probieren. Jeder Rauchstopp-Versuch lohnt sich. Was wirklich hilft, ist individuell sehr verschieden.“

Ein Trend, der auf die Jugend wirkt

Unklar ist, inwiefern E-Zigaretten Jugendliche zum Rauchen verführen. Bislang, meint Rüther, sei er davon ausgegangen, dass sie eher eine kleine Rolle als Einstiegsdroge spielten. Große Sorgen bereitet ihm aber das neue Modell „Juul“, das unter Teenagern in den USA extrem beliebt sei. „Das Nikotin ist darin extrem hoch dosiert und geht schnell ins Gehirn“, erklärt Rüther. „Das macht sehr schnell abhängig.“ Inzwischen ist die E-Zigarette, die an einen USB-Stick erinnert, auch hierzulande erhältlich, wenn auch mit einem viel geringeren Nikotingehalt. Wie sich der Trend entwickelt, muss sich zeigen. Und wie gefährlich sind E-Zigaretten für unbeteiligte Dritte? „Das Risiko lässt sich sehr schwer einschätzen“, sagt Mons. „Wir empfehlen auf jeden Fall, auf E-Zigaretten zu verzichten, wenn Kinder, Kranke oder Allergiker im Raum sind.“