Sydney/Berlin (dpa). Nach dem Urteil gegen ein Elternpaar in Sydney, das ihre Tochter streng vegan ernährt hatte, zeigen sich auch Deutsche Experten bestürzt über den Fall.
"Reismilch ist schlechteste Pflanzenmilch für Kinder"
Der Vorsitzende der Veganen Gesellschaft Deutschland, Christian Vagedes, warf dem australischen Elternpaar Unwissenheit vor. "Reismilch ist definitiv die schlechteste Pflanzenmilch, die man einem Kind geben kann", sagte Vagedes. Daran sehe man, dass die Eltern nicht informiert waren.
Wer sein Kind vegan ernähre, müsse sehr genau darauf achten, dass die Nahrung alle wichtigen Nährstoffe enthalte. Muttermilch, oder ein adäquater Ersatz mit entsprechend viel Vitamin B12, sei unerlässlich. Sonst schade man der Gesundheit des Kindes. Das werde dann mit Recht kritisch gesehen und wie im Fall der australischen Eltern bestraft, sagte der Veganer-Vertreter Vagedes.
Keine Zähne und dünne Knochen
Die 33-jährige Mutter und der 35-jährige Vater waren zu je 300 Stunden gemmeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Das Mädchen hatte dem Urteil zufolge mit anderthalb Jahren den Entwicklungsstand eines normalen Kleinkinds im Alter von drei Monaten. Grund sei die vegane Ernährung. Die Eltern hatten ihr Baby in den ersten 19 Monaten strikt ohne Lebensmittel ernährt, die von Tieren stammen. Das Mädchen bekam Obst, Haferflocken, Kartoffeln, Reis, Tofu, Brot, Erdnussbutter und Reismilch. Als kleinen Snack zwischendurch erhielt es Rosinen.
Die Eltern verzichteten auch darauf, es impfen zu lassen. Mit anderthalb Jahren hatte das Mädchen noch keine Zähne und wog nicht einmal fünf Kilogramm. Zudem litt es unter viel zu dünnen Knochen. Bei der Bekanntgabe des Urteils schluchzten der Mann und die Frau. Das Kind - inzwischen drei - ist jetzt in der Obhut einer Tante. Die leiblichen Eltern dürfen es regelmäßig besuchen. Es habe stark an Gewicht zugelegt. Die Pflegemutter sagte im Prozess: "Es ist, als ob ihr Körper Kalorien speichert - für den Fall, dass sie sie in Zukunft noch einmal braucht."
Expertin: Vegane Ernährung von Kindern möglich
Die Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung betonte, dass Säuglinge einen sehr hohen Nährstoffbedarf haben. Deshalb sollten sie Muttermilch oder entsprechende Säuglingsnahrung erhalten. Grundsätzlich sei vegetarische und vegane Ernährung von Kindern aber gut möglich, meinte Vagedes.
"Es gibt ja auch vegetarische Tiere, die riesengroß werden - Nashörner zum Beispiel. Daran sieht man, dass das mit Muttermilch super funktioniert." Der Veganer-Vorsitzende beklagte, dass der aktuelle Fall aus Australien dazu missbraucht werde, um gegen vegane Ernährung insgesamt vorzugehen.
Fall aus Bad Driburg im Kreis Höxter
Auch in Deutschland kann Vernachlässigung von Kindern - wie mangelnde Hygiene oder Mangelernährung - ein Straftatbestand sein. So wurden etwa Veganer aus Bad Driburg im Kreis Höxter im Jahr 2004 nach dem Tod ihres kleinen Sohnes wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt.
Das unterernährte Kind war an einer Lungenentzündung erkrankt, einen Arztbesuch hatten die Eltern verweigert.