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Wie sich ein Buchverlag gegen das Internet behauptet

"Bold": dtv gründet Label für die Generation Y und hat sich ein neues Konzept ausgedacht, um diese auch zu erreichen

Bold: DTV möchte mit dem neuen Imprint junge Leser gewinnen. | © picture alliance/ZUMA Press

Jemima Wittig
28.02.2019 | 28.02.2019, 09:45

München. Sie haben sich selbst zu Marken gemacht. Und das nur, indem sie vor einer Kamera über ihren Alltag sprechen und die Zuschauer überall mit hinnehmen.

John und Hank Green haben am 1. Januar 2007 das erste Video auf ihrem Youtube-Kanal "Vlogbrothers" (damals noch unter dem Titel "Brotherhood 2.0") hochgeladen. Wenn John etwa erzählt, wie seine Zeit ohne soziale Medien lief oder Hank aus seinem Buch vorliest, folgen ihnen dort inzwischen mehr als drei Millionen Menschen weltweit - 100.000 allein aus Deutschland. So bewerben die beiden nicht nur wie nebenbei ihre Buchprojekte, sondern sorgen durch einen regelmäßigen Upload für die Bindung ihrer Zuschauer und Leser an sich und ihre Projekte - ein Engagement, dass jetzt auch dem Deutschen Taschenbuchverlag (dtv) zu Gute kommt.

Wie "bold" junge Leser erreichen soll

Mit ihrem Imprint "bold" will dtv junge Leser an sich binden, denn die laufen ihnen weg - 6,4 Millionen Käufer sind gemäß einer Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels dem Buchmarkt seit 2013 abhanden gekommen. Abgewandert sind sie ins Internet.

Und eben dort will "bold" sie wieder abholen. "Wir erleben heute den gewaltigsten Medienumbruch aller Zeiten", so Petra Büscher, Pressesprecherin von dtv. Ein Problem des Buchmarkts sei die Konkurrenz der neuen Medien "und damit das Nichterreichen der Digital Natives, einer Zielgruppe, die wir über die klassischen Wege nicht erreichen".

Dafür sollten die Quellen dieser potentiellen Leser bedient werden. "Bold" tritt im Internet daher nicht nur im Form einer Webseite auf, sondern auch in den sozialen Medien, um mit den Lesern in Kontakt treten zu können. Der Name solle eine Haltung ausdrücken: "Bold bedeutet im Englischen mutig", so Büscher. Verlegerin Claudia Baumhöver betont, dass es so etwas im Buchhandel bislang nicht gegeben habe.

Tatsächlich sind sie nicht die Ersten, die durch Influencer junge Leser erreichen möchten. Bereits 2016 hat die Verlagsgruppe Bastei Lübbe den Verlag "Community Editions" gegründet. Das Konzept scheint aufzugehen: Der Debütroman "Freedom. Die Schmahamas-Verschwörung" von Youtuber Patrick Mayer (Paluten) schaffte es Anfang 2018 direkt nach seinem Erscheinen auf die Spiegel-Bestsellerliste - trotz vieler negativer Rückmeldungen von Literaturkritikern. Die Autoren bei "Community Editions" befassen sich in ihren Werken meist mit Themen, die etwas mit ihren Kanälen zu tun haben. Mayer etwa spielt als "Let´s player" in seinen Videos Computerspiele und hat in seinem Roman eine virtuelle Welt erschaffen.

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Die sechs Belletristik-Titel im ersten Programm von "bold" thematisieren dagegen das Leben in Zeiten von Social Media und Globalisierung, Gender Debatten, multikulturelle Gesellschaft und Überwindung der Klischees. Sie sollen nicht nur die Fans der Youtuber erreichen, sondern die ganze Generation Y - Menschen ab 20 Jahren, die mit den sozialen Medien aufgewachsen sind.

Kurzkritik: "Ein wirklich erstaunliches Ding"

Aushängeschild: Der Roman von Hank Green ist ab dem 28. Februar im Handel. - © picture alliance / AP Photo
Aushängeschild: Der Roman von Hank Green ist ab dem 28. Februar im Handel. | © picture alliance / AP Photo

Aushängeschild Hank Green etwa beschäftigt sich in seinem Science-Fiction-Roman mit dem Umgang mit plötzlicher Bekanntheit durch soziale Medien. In den USA ist sein Roman auf Anhieb auf Platz 1 der New York Bestsellerliste gestiegen. Green erzählt die Geschichte der 23-Jährigen Grafikdesignerin April May, die über Nacht berühmt wird, als sie Nachts in Manhattan auf einen gigantischen Roboter trifft, ihn filmt und das Video ins Netz stellt. Das Video geht viral und April tingelt durch Talkshows und hält ihre Fans durch regelmäßige Beiträge auf Twitter und Youtube auf dem Laufenden, während sie versucht das Geheimnis von Roboter "Carl" zu lösen.

Angepasst an die Sprache im Internet sind in dem Roman einzelne Wörter komplett groß geschrieben, um etwas zu betonen, kursiv um Gedanken darzustellen oder abgekürzt wie "kay" für "okay". Es sind Dialoge von Twitter eingefügt mit Piktogrammen, @ wird zur Adressierung genutzt und Listen kürzen Fließtexte ab. Nicht nur das Thema und die Schreibweise holen junge Leser ab. Es gibt zudem viele popkulturelle Anspielungen in den Bereichen Kunst und Musik. "Ein wirklich erstaunliches Ding" ist kurzweilig geschrieben, spannend umgesetzt und macht Lust auf mehr - nicht zuletzt durch das offene Ende.

"Hank Greens Roman steht prototypisch für das, was wir mit bold erreichen wollen: Leserinnen und Leser zu gewinnen, die gute Geschichten suchen und denen wir nur einen neuen Weg eröffnen müssen, um diese zu finden", hießt es in der Pressemitteilung des neuen Labels. Ob das gelingt bleibt abzuwarten - Greens Roman erscheint zusammen mit "So sieht es aus, wenn ein Glühwürmchen stirbt" von Maike Voß und "Love-Her-Wild" von Atticus am 28. Februar. Es folgen "River of violence" von Tess Sharpe und "Too late" von Colleen Hoover am 22. März und "Wir. Hier. Jetzt" von K.A. Tucker am 18. April.