
Ubisoft setzt mit "The Crew 2" seine Rennspielserie fort, in der man erneut nichts weniger als die gesamten USA er-fahren kann - diesmal sogar im Dreck, in der Luft und zu Wasser. Doch was nützen so viele Blickwinkel, wenn es in der Welt eigentlich gar nichts zu sehen gibt?
Das ist zugegeben etwas arg cliffhängend zugespitzt, bringt aber auf den Punkt, woran es in "The Crew 2" hapert. Das Spiel erweitert den Fuhrpark im Vergleich zum Vorgänger erst einmal deutlich - es gibt jetzt Speedboote, Air Races, Monster Trucks, Motorräder, Tourenwagen und natürlich die bekannten Streetraces mit Drift- und Drag-Herausforderungen.
Für die einzelnen Disziplinen erstehen wir neue Fahrzeuge, die wir in verschiedenen Rennen zum Sieg führen - und obendrein mit ständig neuen Upgrades füttern. So steigt neben unserem Kontostand auch allmählich die Zahl unserer "Follower" - das Spiel inszeniert das Renngeschehen und seine Welt als große Live-Veranstaltung - was wiederum neue Disziplinen und Rennen freischaltet. So weit, so bekannt - aber auch so groß sind die Möglichkeiten, die das Spiel potenziell bietet.
Spielgefühl eher simpel, aber launig
Doch wo wir im Vorgänger noch einen Anreiz hatten, die detailreiche Spielwelt auch wirklich fahrend zu erkunden, weil wir nur an versteckten Satellitenstationen neue Teile der Landkarte und damit neue Rennevents freischalten konnten, lässt uns "The Crew 2" von Anfang an von LA über Detroit nach New York zu den Rennen schnellreisen. So sehen wir von der toll designten und grafisch großartigen Welt viel zu wenig.
Das kostet spürbar Atmosphäre, die die knallig inszenierten Rennen und die spielerisch nutzlosen Fotomöglichkeiten mit der örtlichen Fauna nicht einmal ansatzweise kompensieren können. Wenn ihr uns schon die USA als Spielplatz gebt, dann wollen wir darin auch spielen dürfen. So wirkt das Ganze ein bisschen, als würde etwas wichtiges fehlen. Als hätte man einem Spielplatz das Kinderlachen abgedreht.
Beim Spielgefühl hat Ubisoft hingegen wieder den Mainstream anvisiert - was nichts Schlechtes bedeutet. Die Rennen spielen sich in allen Gefährten und Flugzeugen simpel arcadig, aber weiß Gott nicht zu leicht. Das Gefühl, seinen Boliden nicht zu beherrschen, befällt einen dennoch höchstens bei den schwammig gleitenden Offroad-Renntrucks.
Highlight: Die verzerrte Realität

Ansonsten aber muss niemand Angst vor Flugrennen haben, weil er oder sie eventuell mit der Steuerung nicht klarkommt. So ist "The Crew 2" gleichzeitig ein Spiel für kurze Rennsnacks wie für ausdauerndes Gerase, um auch wirklich den letzten Follower zu begeistern.
Greift das Spiel mit der Aufstiegsmechanik durchaus reale Gegebenheiten der redbullgesponserten Racing-Branche auf, dreht es in manchen Sequenzen kräftig an der Crazy-Schraube. In den rar gesäten "Live"-Events dürfen wir im fließenden Wechsel gleich mehrere unserer Gefährte einsetzen, "springen" beispielsweise mit dem Speedboot über eine Rampe und sitzen im nächsten Moment im Rennflugzeug. Oder stranden mit dem Boot in den Sümpfen Floridas, nur um sogleich in den Offroad-Buggy umgesetzt zu werden. Klasse.
Und die "Live"-Rennen können noch mehr: An leider viel zu seltenen Stellen verzerrt das Spiel die Realität. Die Brücke, auf die wir gerade noch zurasten, steht plötzlich im 90-Grad-Winkel vor uns. Die Welt ist - wie in der Traumwirklichkeit des Films "Inception" - mittendrin umgeklappt.
Großartige Mechanik, die viel zu selten genutzt wird
Das kam beim ersten Mal für uns so überraschend, dass wir glatt das Steuer verrissen haben - obwohl wir die neu geformte Brücke einfach weiter geradeaus hätten befahren können. Ein echter Spaßfaktor, den wir leider auch nach mehreren Spielstunden viel zu selten zu Gesicht bekommen haben.
Warum die Entwickler diese Mechanik nicht in mehr Events eingebaut haben, ist uns schleierhaft. Schließlich kann man dem Rennspiel-Genre nur begrenzt wirklich Neues hinzufügen - und hier ist es Ubisoft doch eigentlich grandios geglückt.
Zudem stören Kleinigkeiten wie der Always-Online-Zwang, die unnötig langen Startsequenzen (erst zum Event fahren, dann einen befahrbaren Ladebildschirm erdulden, zur Startlinie fahren, dann den Countdown und DANN losfahren) und dass man die nach dem Zieleinlauf gerne mal recht spät erscheinenden Upgrades einsammeln muss, will man sie nicht erst beim nächsten Besuch in der Garage mühsam aus dem Postfach ziehen. Das geht simpler.
So bleibt "The Crew 2" leider unnötig weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Es bleibt abzuwarten, wie die Entwickler ihr Spiel weiter pflegen. Denn die Möglichkeiten, so sagt man ja gern über alles, was mit den USA zu tun hat, ist eigentlich grenzenlos. Eigentlich.
The Crew 2 ist für PC, Playstation und Xbox erhältlich.
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