Netzwelt

Untergang des Abendlandes: "Traditionshasen" bringen Rassisten in Rage

Weil Osterhasen in Supermärkten als "Traditionshasen" bezeichnet werden, wittern Islamfeinde die Aufgabe christlicher Werte. Dabei gibt es die Bezeichnung schon seit den Neunzigerjahren - und ein christliches Symbol ist der Osterhase sowieso nicht.

Erika Steinbach glaubt vom "Traditionshasen" ihr christliches Abendland bedroht. Dabei ist der Osterhase gar kein christliches Symbol. | © dpa

29.03.2018 | 29.03.2018, 16:01

Köln (epd/mat). Alle Jahre wieder: Kaum steht ein christliches Fest bevor, verbreiten rassistische Propaganda-Seiten im Netz das Märchen von der Islamisierung des Abendlandes. Fast schon Kultstatus hat die Legende vom Weihnachtsmarkt, der nun "Lichtermarkt" heißt - angeblich um es den Flüchtlingen recht zu machen. Nun gibt es einen neuen künstlichen Aufreger: Die "Traditionshasen" in deutschen Supermärkten.

Nutzer veröffentlichten bei Twitter Fotos von Kassenbelegen, auf denen statt der Osterhasen "Traditionshasen" ausgewiesen waren. Die frühere CDU-Politikerin Erika Steinbach empörte sich: „Wer mir keine Osterhasen mehr verkaufen will, der kann auch sonst auf mich verzichten." Schon das Märchen vom Lichtermarkt war kurz vor Weihnachten von der Rechtspopulistin verbreitet worden.

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Mit einer vermeintlichen Islamisierung haben beide Fälle derweil gar nichts zu tun: Der Rewe-Konzern teilte auf Anfrage mit, dass in seinen Supermärkten bereits seit 1992 die Hohlkörper der Firma Lindt im Regal und auf dem Kassenbon als „Traditionshasen" bezeichnet werden. Den Hasen der Schokofirma gebe es seit den frühen 50er Jahren. Insofern sei die „begriffliche Reduktion" auf „Traditionshase" durchaus treffend, sagte ein Sprecher.

Der Osterhase ist gar kein christliches Symbol

Insbesondere die Unterstellung einzelner Twitternutzer, die Bezeichnung solle keine religiösen Gefühle verletzen, wurde im Netz belächelt. Es sei „pseudokonservatives Gehabe", so zu tun, „als ob im Zentrum des christlichen Osterfestes ein Häschen steht und nicht die Erinnerung an das Kreuzesgeschehen", twitterte der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig.

Eine Nutzerin witzelte über den Osterhasen als „relevanteste Figur im Neuen Testament nach Jesus". Nach dem Karfreitag, an dem Christen an die Kreuzigung Jesu Christi erinnern, folgt mit den Ostertagen das Fest der Auferstehung. Der Osterhase hat damit nichts zu tun. Die erste Erwähnung des Osterhasen reicht ins Jahr 1682 zurück.

Der Mediziner Georg Franck von Franckenau beschrieb damals das Phänomen, dass der Osterhase in bestimmten deutschen Regionen Eier versteckt - und nennt es „eine Fabel, die man Simpeln und Kindern aufbindet".

Hereingefallen sind Nutzer bei Twitter auch auf die offensichtliche Falschmeldung eines Users, der behauptete, Mitarbeiter der Marketingabteilung eines Kaufhauses zu sein und die Bezeichnung „Traditionshase" vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erhalten zu haben. Das Bundesamt gebe keine Anweisungen zu Produktbezeichnungen der Privatwirtschaft, sagte eine Sprecherin dem epd: „Der Tweet ist ein offensichtlich verfrühter Aprilscherz." Auf seinem Profil spricht der Nutzer inzwischen selbst von „Fake News".