
Nach langer Zeit des Wartens ist nun endlich "Far Cry 5" erschienen, der Nachfolger des eher schlappen Steinzeit-Ablegers "Far Cry Primal". Wir befinden uns im fiktiven Hope County, Montana, pirschen durch eine wunderschöne, offene Welt und formieren uns im Widerstand gegen eine fiese, brandschatzende und mordende Sekte, die die ganze Region unterjocht hat.
Die Entwickler haben im Vorfeld immer wieder betont, dass Spiele der heutigen Generation in der Lage seien, aktuelle Themen kritisch zu beleuchten. So wie etwa der Shooter "Wolfenstein II: The New Colossus" im vergangenen Jahr auch als Kommentar auf die amerikanische Alt-Right-Bewegung gesehen wurde. Und natürlich spielen Sekten immer noch eine große Rolle in der Welt, Scientology, Boko Haram, die Aum-Sekte oder Colonia Dignidad. Auf der ganzen Welt sind Sekten aktiv, und ein Ego-Shooter mit diesem thematischen Unterbau könnte ein wirklich grandioser Erfolg werden. Könnte.
Ist es aber leider nicht. Oder vielmehr: "Far Cry 5" könnte ein Erfolg werden, aber sicher nicht wegen der Sekten-Geschichte. Wir haben das Spiel ausgiebig getestet, und am Anfang waren wir schier begeistert von der Story: Wir beginnen als junge Polizistin oder als junger Polizist (erstaunlicherweise kann man sich sogar Klamotten und Frisur aussuchen, was einigermaßen blödsinnig ist in einem Ego-Shooter) und sollen zusammen mit dem Sheriff und ein paar US-Marshals einen Haftbefehl gegen den Sekten-Oberguru Joseph Seed vollstrecken.
Lass das mal den Vater machen
Der charismatische und visionäre Anführer wird von seinen Anhängern nur "Der Vater" genannt, und die reagieren nicht gerade mit biblischer Freude, als er von uns Ungläubigen abgeführt und in einen Hubschrauber verfrachtet wird. Kurzerhand mobilisieren die alles, was sie aufbieten können (und das ist so viel, dass wir die Anfangssequenz mehrere Male spielen mussten, um durchzukommen), bringen den Hubschrauber zum Absturz, und ehe man sich versieht, steht man allein auf weiter Flur. Und das ist tatsächlich so gemeint, denn man ist hier tief im Feindesland - und lässt man sich auch nur ein wenig in der Nähe eines der religiösen Hillbillys blicken, greifen die gleich zur Waffe.
Da haben wir gedacht: jep, das bringt ordentlich Druck aufs Spiel. Man wird sicher immer schön wachsam sein müssen, und die Angst vor den Kultisten der Sekte trägt man wie einen Mantel als allgegenwärtige Bedrohung um die Schultern. Doch weit gefehlt! Die Sekte dient als thematischer Aufhänger für einen weiteren Open-World-Egoshooter aus der Riege von "Far Cry 3" und "Far Cry 4". Mehr nicht. Und das ist verdammt schade, denn die Entwickler von Ubisoft hätten hier einen gesellschaftskritischen Meilenstein und ein grandioses Spiel vorlegen und damit neue Impulse setzen können.
Und dennoch ist "Far Cry 5" ein gutes Spiel. Für all diejenigen, die noch nie ein Spiel aus der Reihe gezockt haben, ist es sicher grandios, alle anderen werden sich sehr an "Far Cry 3" und "Far Cry 4" erinnert fühlen. Was das Spiel aber ja nicht schlecht macht, man muss sich nur überlegen, ob man den dritten Aufguss in einem neuen Szenario spielen will oder nicht. Wer sich dafür entscheidet, bekommt genug geboten. Bekannte Stärken, leider aber auch nach wie vor einige Schwächen.
Abwechslungsreich und mit Liebe gestaltet

"Far Cry 5" besticht durch eine wunderschöne und große (nicht aber: riesige) Spielwelt. Überall kreucht und fleucht es, die Vegetation ist unterschiedlich, von den Berglandschaften über weite Ackerflächen bis hin zu dicht bewaldeten Gebieten ist alles dabei. Und man hat nicht etwa das Gefühl, einem bestimmten Fleck immer wieder zu begegnen, sondern das ist alles schön abwechslungsreich und mit Liebe gestaltet.
Die Spielwelt ist in drei Gebiete unterteilt: die Whitetail Mountains im Norden, das Holland Valley im Westen und der Henbane River im Osten. Jedes Gebiet wird von einem Geschwisterchen des "Vaters" geleitet, Jacob "Der Soldat" Seed treibt im Norden sein Unwesen, John "Der Täufer" Seed im Westen und die schöne Faith "Die Sirene" Seed im Osten. Bei allen vier Seeds ist der Samen der Geisteskrankheit so richtig aufgekeimt - die haben alle einen ordentlichen Lattenschuss, was sie ziemlich gefährlich und unberechenbar macht.
An den obersten Guru kommen wir, abgesehen von der Anfangssequenz, aber erstmal gar nicht dran. Der Weg zu ihm führt über die drei Geschwister, in deren Gebieten wir dafür sorgen müssen, dass unsere sogenannte Widerstands-Leiste nach oben getrieben wird. Wir müssen also den Widerstand formieren. Und am Wegesrand oder durch das Erfüllen von Missionen finden wir immer wieder neue Begleiter, die wir anheuern können für unsere gute Sache - sogar ein Hund, der unsere Waffen apportiert, ist drin. Nicht zu vergessen: der Grizzly-Bär namens "Cheeseburger" - aber wir wollen hier nicht zu viel verraten.
Lapidarer Off-Kommentar
Um den Widerstandsbalken zu füllen, absolvieren wir mehr als 100 Haupt- und Nebenmissionen, zerstören Sekteneigentum, machen Sekten-Außenposten zu unseren oder befreien unterwegs Geiseln. Wir haben allerdings auch schonmal aus Versehen eine Geisel erschossen, weil wir nicht wussten, wie wir die verrammelte Ladefläche eines Lkw-Hängers aufkriegen. Wir haben geschossen und dabei leider auch die Geisel im Hänger erwischt. Lapidarer Off-Kommentar: "Versuchen Sie, Geiseln nicht zu töten." Danke für den Hinweis.
Ein Wort zu den Missionen: Anders als in vielen anderen Open-World-Spielen sind die Missionen in erster Linie nicht dazu da, um die Geschichte zu erzählen (welche auch!). Deshalb müssen wir uns als Spieler auch nicht an Missionen entlanghangeln, sondern können frei die Regionen erkunden, wie immer wir das wollen. Das haben wir ausführlich getan und sind mittlerweile süchtig danach, die religiösen Fanatiker aus Hope County zu vertreiben, so viel Laune macht das. Machte es übrigens auch in "Far Cry 4". Und 3.
Brutal ist es allerdings auch nach wie vor, da darf man sich nichts vormachen. Auch in den Zwischensequenzen gibt es recht deftige Szenen zu sehen. Für die Brutalität sorgt natürlich auch wieder das umfangreiche Waffenarsenal, mit dem wir uns ausrüsten können. Zu den meisten Waffen können wir noch Erweiterungen wie ein größeres Magazin oder ein Zielfernrohr kaufen. Das Geld dafür stibitzen wir zum einen von erledigten Gläubigen, zum anderen durch das Öffnen von Tresoren, aber auch durch den Verkauf von Waffen, Tierhäuten und... Fischen.
Fischen gegen den Stress

Ja, es ist etwas widersinnig, aber die "Far Cry"-Macher waren offenbar der Ansicht, dass der Spieler neben der ganzen Ballerei auch etwas Muße haben darf, die er mit dem Fischen verbringen kann. Und so sitzen wir also an irgendeinem Gewässer und fischen still vor uns hin, in der Hoffnung, dass uns ein kapitales Wassertier an den Köder geht, während anderswo im County vermeintliche Ungläubige als Geiseln genommen oder sofort umgebracht werden. Vielleicht darf man das als kritischen Kommentar auf die heutige Welt verstehen.
Machen wir aber doch noch ein bisschen weiter mit den negativen Faktoren des Spiels. Die KI hat uns bisher nicht wirklich überzeugt - wir hoffen sehr, dass Ubisoft da nochmal nachpatcht. Sagen wir es so: die KI hat das "I" eigentlich nicht verdient, denn die ist ziemlich dumm. Das fällt vor allem bei den Kultisten auf, die auf der Suche nach uns gerne auch schonmal direkt vor unserer Nase im Dickicht stehen bleiben, weil sie uns nicht sehen, während wir sie mit einem Takedown von hinten einfach niederringen können. Mal laufen sie uns direkt ins Messer, ein anderes Mal sind sie einfach eine weithin sichtbare menschliche Zielscheibe. Knifflige Shooterarbeit sieht anders aus.
Wie wir die Gegner erledigen, bleibt meistens uns überlassen: wir können sie also mit lautem Brimborium von der Landkarte streichen oder uns im Stealth-Modus anschleichen und sie hinterrücks per Takedown erledigen, ganz wie es uns beliebt. Werden wir entdeckt, alarmieren die Gegner eine Verstärkung und der Bonus für den überraschenden Angriff geht uns flöten. Wir wollen nichts vorwegnehmen, aber es gibt bei "Far Cry 5" auch Gegner, die scheinen nicht von dieser Welt zu sein. An vorderster Front sind da die drogenverseuchten Zombies zu nennen, die nicht wirklich Untote sind, allerdings nach einem tödlichen Schuss direkt wieder aufstehen. Die muss man zwei- oder dreimal hintereinander ins Jenseits befördern. Und dann hoffen, dass sie nicht doch wieder aufstehen. Und: das ist kein Fehler, sondern ein Feature.
Ein Schuss in die Luft kann helfen
Zurück zur KI: Auch die unserer Mitstreiter hat uns öfter schon zur Verzweiflung gebracht, vor allem, wenn sie einfach im Türrahmen hocken bleiben und uns den Weg nach draußen versperren. Ein Schuss in die Luft kann dann helfen - davon ist allerdings abzuraten, wenn man gerade eine feindliche Basis erobert. Mit ein bisschen Schieben und Springen sehen die angeheuerten Kräfte dann manchmal ein, dass sie in dem Moment keine wahre Hilfe sind.
Und dann möchten wir unbedingt empfehlen, sich nicht die deutsche Sprachausgabe anzutun. "Lippensynchron" bekommt das ohnehin fast kein Spielehersteller wirklich hin, aber auch der amerikanische Hinterwälder-Tonfall und der teilweise sehr trockene Humor klingen im Original wesentlich authentischer. Also lieber zum Originalton greifen und die deutschen Untertitel zuschalten. Und da wir gerade beim Hören sind: der Soundtrack ist wirklich fantastisch. Im Auto lauschen wir den Sekten-Radiostationen, die mitunter gute Musik spielen, und in den befreiten Außenposten hören wir aus den Kofferradios feinste Südstaaten-Rockmusik. Bei Spotify ist der Soundtrack bereits abrufbar.
Wir finden allerdings auch viel Gutes in "Far Cry 5". Eine lobenswerte Fortentwicklung des bisherigen "Far Cry"-Spielprinzips ist es aus unserer Sicht, dass wir jetzt nicht mehr Funkturm um Funkturm erklimmen und aktivieren müssen. Einen einzigen am Anfang des Spiels muss man hinter sich bringen, dann liegt dem Spieler die ganze Welt offen zu Füßen.
Weniger Crafting, mehr Skill Points
Das Crafting, durch das wir bei den Vorgängermissionen Rattenhäute mit Kaninchenfellen kombinieren mussten, um eine Tasche für Brandbomben zu zaubern, gibt es so nicht mehr, sondern anders: wir stellen direkt über das Waffenmenü fernzündende Bomben und andere Verbrauchsmaterialien her. Größere Taschen für mehr Inventar oder Ähnliches können wir jetzt über die Skill Points erwerben, die es wiederum für das Erfüllen von Herausforderungen gibt. Das ist ganz raffiniert gelöst, finden wir.
Uns ist außerdem positiv aufgefallen, dass wir sieben Special Forces begegnen, die nach dem "Guns for hire"-Prinzip zu Mitstreitern werden und unsere Allianz durch besondere Sonderfähigkeiten zusätzlich verstärken. Einer der Kollegen heilt sich selber, ein anderer ist in der Lage, Luftunterstützung anzufordern. Ubisoft hat die Frauen und Männer im Vorfeld schon in einem Trailer vorgestellt:
Wir waren außerdem sehr angetan vom Arcade-Modus, dem man auf Postern und Flippergeräten auch im Hauptspiel immer wieder begegnet. Im Arcade-Modus haben wir einen fetten und mächtigen Editor zur Verfügung, mit dem wir eigene Maps erstellen können - und zwar auch mit Inhalten aus "Watch Dogs", "Assassin's Creed" und "Far Cry 4". Der Kreativität der Zocker ist dabei kaum eine Grenze gesetzt. Und tatsächlich funktioniert das Modding auch auf der Playstation erstaunlich gut - da waren wir positiv überrascht.Das Fazit
Ist "Far Cry 5" jetzt also ein Muss? Nein, ganz sicher nicht. Die Sekten-Story ist ganz nett, aber nicht annähernd so elementar, wie die umfangreichen Werbemaßnahmen uns das im Vorfeld glauben machen wollten. Dennoch bietet die Hintergrundgeschichte einen angenehmen roten Faden, an dem man sich entlangziehen kann. Irgendeine Story braucht so ein Spiel nun mal, aber Ubisoft hätte aus diesem im Genre unverbrauchten Sujet um ein Vielfaches mehr machen können - vor allem, nachdem sie sich auch von einem ausgewiesenen Sektenexperten und Ausstiegshelfer umfangreich haben beraten lassen:
Aber "Far Cry 5" sieht optisch wirklich gut aus - wir haben es nur auf einer normalen Playstation getestet, aber von PC-Spielern bereits gehört, dass es dort auch mit Mittelklasse-Grafikkarten hübsch aussieht und flüssig läuft. Die PC-Zocker können das Spiel mit dem integrierten Benchmark schnell an die eigene Hardware anpassen. Auf unserer PS4 haben wir weder Ruckler noch Atmosphäre-kostende Unschärfeschleier oder ähnliches gesehen. Und die Ladezeiten waren hervorragend kurz.Das Gameplay unterscheidet sich nicht wesentlich von den Vorgängern. Wo "Far Cry" drauf steht, ist auch "Far Cry" drin. Wir könnten es auch ganz passend biblisch sagen: "Far Cry 5" ist alter Wein in neuen Schläuchen.
Wer "Far Cry" spielt, kennt mittlerweile das Prinzip des Spiels - deshalb kann der neuen Version passieren, dass alte Fans nicht mehr zugreifen. Andererseits haben auch wir die alten Teile gezockt und sind voll in die Suchtfalle geraten: dass man natürlich den nächsten und den übernächsten Außenposten einnehmen will. Mal laut, mal leise, mal in Hau-druff-Manier, mal mit Bedacht und Auskundschaften von allen Seiten. Die Stärken der Vorgänger sind auch in dieser Version wieder stark.
Was uns am meisten fehlt
Was uns am meisten fehlt: eine Story, bei der wir mitfiebern. "Horizon Zero Dawn" hatte eine solche Story, dort haben wir im Spiel jeden Hinweis auf die Hintergrundstory begeistert aufgesogen. Bei "Far Cry 5" gibt es diese Hinweise auch - aber es ist total belanglos, ob man sie liest oder nicht. Nach der wirklich umfangreichen "Far Cry"-Werbekampagne in den vergangenen Monaten waren wir sehr, sehr gespannt auf das Setting, in dem die Geschichte angelegt ist.
Wir waren neugierig, ob sich die Versprechungen bewahrheiten würden, dass "Far Cry 5" auch mit Gesellschaftskritik punktet und aktuelle Debatten um das Grundrecht auf Waffenbesitz aufgreift. Und wir waren ebenso enttäuscht, als wir bemerkten, dass das Setting allenfalls Fassade ist. Ist das wirklich ein Kauf-Argument? Wohl nicht.
Warum also sollte man "Far Cry 5" kaufen? Schlichtweg deshalb: es macht widersinnigerweise Spaß, es zu spielen. Was uns bei "Far Cry 3" und "Far Cry 4" bei Laune gehalten hat, funktioniert auch hier wieder. Man muss nur für sich entscheiden: will man das ein drittes Mal oder nicht. Wer "Far Cry" noch nie gezockt hat, sollte ohnehin zugreifen. Wir machen seit vielen Stunden die Erfahrung: Keine Story? So what! Es gibt noch ein paar Außenposten, die wir einnehmen müssen!
"Far Cry 5" ist seit dem 27. März 2018 erhältlich für alle aktuellen Plattformen und PC Digital.