Elmshorn. Es war ein Fall, der bei Rechtspopulisten und Rechtsextremen für kollektive Schnappatmung gesorgt hatte: Der Weihnachtsmarkt in Elmshorn heißt jetzt Lichtermarkt. Und er wird zu allem Überfluss auch noch von einem dunkelhäutigen Weihnachtsengel beworben. Der Untergang des Abendlandes schien nah - zumindest für kurze Zeit, denn: An der Geschichte war gar nichts dran.
Der Elmshorner Weihnachtsmarkt heißt bereits seit 2007 Lichtermarkt. Und zwar wegen seines neuen Beleuchtungskonzeptes. Der Weihnachtsengel wurde bereits vor Jahren unter Elmshorner Schulkindern gecastet. Und dennoch hinterlässt die Empörungsgeschichte unangenehme Spuren - vor allem für den Bürgermeister der schleswig-holsteinischen Stadt. Der hat seit dem Aufschrei unzählige Morddrohungen bekommen.
Insgesamt seien über 100 Zuschriften bei Volker Hatje eingetrudelt, sagte er der taz. Zahlreiche davon waren strafrechtlich relevant - die Auswertung der Facebook-Kommentare stehe noch aus. Die Polizei Itzehoe ermittelt laut dem Bericht gegen zehn Personen, wegen wegen Beleidigung, Bedrohung und Volksverhetzung.
Erika Steinbach pöbelte gegen Lichtermarkt
Das Märchen vom Lichtermarkt hatte unter anderem die ehemalige CDU-Abgeordnete Erika Steinbach auf Twitter verbreitet. "Ich kenne kein Land außer Deutschland, das seine eigene Kultur und Tradition so über Bord wirft", twitterte die 74-Jährige. Die Rechtspopulistin fällt in den sozialen Netzwerken immer wieder mit Falschmeldungen auf, in denen gegen Flüchtlinge und Muslime gehetzt wird. Der Tweet über den Lichtermarkt wurde bis heute nicht gelöscht.
Auch die bekannte Hetz-Website pi-news hatte die Geschichte über den Lichtermarkt aufgegriffen - und die Privatadresse, Telefonnummer und Mail-Adresse des Bürgermeisters veröffentlicht. "Damit ist eine rote Linie überschritten", sagt Hatje der Zeitung.
Rechte Hetze gegen Politiker keine Seltenheit
Fremdenfeindlich motivierte Angriffe auf Bürgermeister sind derweil keine Seltenheit. Und: Bei Drohungen bleibt es oftmals nicht. Im Frühjahr 2015 war der ehrenamtliche Tröglitzer Oberbürgermeister Markus Nierth von seinem Amt zurück, weil Rechtsextreme vor seinem Wohnhaus gegen die Aufnahme von Flüchtlingen demonstriert hatten und er seine Familie bedroht sah. Im Oktober 2015 hatte ein Mann die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker mit einem Messer angegriffen und diese lebensgefährlich verletzt.
Erst am Montagabend war Andreas Hollstein (CDU), Bürgermeister der sauerländischen Stadt Altena, in einem Döner-Imbiss mit einem Messer angegriffen worden. Hollstein ist bekannt für sein Engagement bei der Flüchtlingsintegration. Der 56-jährige Täter soll während seiner Tat gesagt haben: "Sie lassen mich verdursten und holen 200 Flüchtlinge nach Altena."
Hollstein macht dem Angreifer nach der Tat keinen Vorwurf. "Er hat sein Leben verpfuscht", sagte der Bürgermeister der Passauer Neuen Presse. Die wirklichen Täter seien "die Brunnenvergifter, die man auch aus den sozialen Netzwerken kennt." Es gebe eine zunehmende Verrohung in der Gesellschaft. Gegen Brandstifter fordert der Bürgermeister ein rigoroseres Vorgehen: "Wir sind nicht rechtzeitig eingeschritten und haben in dieser liberalen Gesellschaft nicht früher die Grenzen gezogen."
Fälle auch in Ostwestfalen
Auch in Ostwestfalen-Lippe sind zunehmende Drohungen gegen Politiker ein Thema. „Offenbar werden Menschen, die in irgendeiner Form den Staat repräsentieren, in zunehmender Zahl Opfer von Gewalt", sagte die Bürgermeisterin von Harsewinkel, Sabine Amsbeck-Dopheide (SPD), der NW. "Politische Botschaften, dass sich Eliten den Staat zu eigen gemacht hätten, die das Volk betrügen, mögen eine Ursache dafür sein", so die Bürgermeisterin.
Vertreter radikaler Positionen könnten sich in den sozialen Medien aufheizen und bestätigen und würden sich so nicht mehr als Vertreter einer Minderheitenmeinung fühlen, sondern als "wahre Vertreter des Volkswillens", sagt Amsbeck-Dopheide.