
Stefan Brartzel: Ich würde mir am liebsten ein Elektroauto kaufen, wenn es die entsprechende Reichweite hätte. Aber als Zweitwagen wäre es meine Wahl.
Beim Diesel soll die Industrie per Software-Update für bessere Luftwerte sorgen. Reicht das?
Bratzel: Das reicht nicht, um Fahrverbote in Städten verhindern zu können. In diesem Punkt sind sich Umweltbundesamt und der Verband der Autoindustrie sogar einig.

Warum muss die Autoindustrie kein Hardware-Update vornehmen?
Bratzel:Das ist auch eine Kosten-Nutzen-Frage. Eine technische Nachrüstung der Diesel-Motoren ist erheblich zeitaufwendiger und teurer. Sie kostet pro Fahrzeug 1.500 bis 2.000 Euro. Dies müsste zumindest europaweit geschehen. Die Umrüstung von 60 Millionen Diesel-Fahrzeugen ist eine Größenordnung, die die Autohersteller nicht so einfach tragen können. Die Frage ist auch, ob dieser Kostenaufwand für Autos lohnt, die nach einem umfangreichen Test- und Genehmigungsprozess dann zehn, zwölf Jahre alt sind. Das ist der Grund, warum sich Regierung und Autoindustrie auf ein Software-Update einigten.
Die Kanzlerin argumentiert, Dieselfahrzeuge seien gut für die Umwelt. Wieso das?
Bratzel: Sie sind in punkto Klimaschutz und Energieeffizienz besser als Benziner. Sie verbrauchen bei gleicher Leistung 15 bis 20 Prozent weniger Sprit und erzeugen so weniger CO2. Sie sind zwar klimaschonender, aber nicht sauberer, weil sie gesundheitsschädliches Stickoxid, Schwefel und Ruß ausstoßen.
Bis 2021 müssen Hersteller den CO2-Ausstoß im Flottenschnitt auf 95 Gramm pro Kilometer senken. Wie geht das?
Bratzel: Das ist die große Unbekannte. Wenn der Diesel-Absatz durch Fahrverbote in Städten und die Verunsicherung der Bürger einbricht und die Bürger auf Benziner umsteigen, dann werden von heute auf morgen 15 bis 20 Prozent mehr CO2 ausgestoßen. Hersteller können das nicht durch andere Maßnahmen kompensieren. Ein Umstieg von Diesel- auf Elektroautos ist für manche Kunden eine Alternative. Aber es gibt noch nicht genug E-Autos.
Kritiker halten auch Batterien für umweltschädlich.
Bratzel: Man muss die gesamte Umweltbilanz bei E-Autos im Blick haben. Die Batterie-Produktion ist sehr energieintensiv und damit sehr CO2-lastig. In der Gesamtrechnung sind die ersten 20.000 bis 30.000 produzierten Benziner nach Berechnungen verschiedener Institute in punkto Kohlendioxid und Klimaschutz besser. Und wenn der Strom zu 70 Prozent aus Braunkohle erzeugt wird wie in China, machen Elektroautos aus CO2-Sicht keinen Sinn. Aber die Chinesen bringen sie aus Luftreinhaltungsgründen auf die Straße.
Gibt es Alternativen?
Bratzel: Ja, gehen Sie zu Fuß oder nutzen Sie das Fahrrad.
Was ist mit Wasserstoffantrieb?
Bratzel:Kurzfristig ist die reine E-Mobilität die erste Alternative. Wenn deutsche Hersteller auch im wichtigen Absatzmarkt China erfolgreich sein wollen, müssen sie Elektroautos bauen. Die Brennstoffzelle oder auch die Erzeugung synthetischer Kraftstoffe wie Methyl über Sonnenenergie sind kurzfristig keine Alternative. Sie sind für den Massenmarkt noch viel zu teuer.
Ist eine E-Auto-Quote sinnvoll?
Bratzel: Nein. Die Politik sollte der Autoindustrie eher einen Null-Emissionsausstoß vorschreiben. Mit welcher Technologie dies umgesetzt wird, ist Sache der Industrie.
Sind Start-ups oder die Post mit ihrem E-Streetscouter Konkurrenz für Autohersteller?
Bratzel: Elektroloks wurden nicht von Dampflokherstellern gebaut. Kein Dampflokhersteller hat das überlebt. Autohersteller müssen sehr aufpassen.
Zur Person Stefan Bratzel
- Stefan Bratzel (50) ist Direktor des Center of Automotive Management, das der Politologe auch gründete.- Das unabhängige wissenschaftliche Institut für empirische Automobil- und Mobilitätsforschung sowie für strategische Beratung gehört zur Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach.