Landwirte kritisieren neue Bauernregeln des Ministeriums

Bielefeld/Berlin. Die deutschen Bauern sind empört: Sie fühlen sich beleidigt, verletzt und diffamiert. Von einer &bdquo;Frechheit hoch drei" und einer &bdquo;Schweinerei" spricht Wilhelm Brüggemeier aus Enger, der Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes. Was ist geschehen? Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat rechtzeitig zu den EU-Beratungen über die künftige europäische Agrarpolitik eine Kampagne unter dem Motto &bdquo;Gut zur Umwelt. Gesund für alle" angeschoben. Gereimt im Stile alter Bauernregeln will das Ministerium für Reformen und eine naturverträgliche Landwirtschaft werben. &bdquo;Wir wissen, dass die intensive Landwirtschaft die Belastungsgrenzen von Böden und Natur viel zu oft überschreitet. Das wollen die meisten Bürgerinnen und Bürger nicht", erklärt die Ministerin. Die neuen Bauernregeln sollen auf Plakaten in über 70 Städten, mit Ansichtskarten und im Internet verbreitet werden. Klicken Sie sich durch die Fotostrecke mit den Bauernregeln: Doch was viele Städter saukomisch finden, stößt den Bauern übel auf: Johannes Röring, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), findet die Bauernregeln &bdquo;peinlich" und &bdquo;beleidigend". Diese Kampagne, so wettert er, sei &bdquo;weder witzig noch intelligent, sie ist schlicht geschmacklos." Röring sieht eine Verbindung zum Wahlkampf im Wahljahr 2017. Viele Landwirte fühlen sich durch die Sprüche direkt attackiert, beim Verband und beim Landwirtschaftsmedium Top Agrar ist von &bdquo;Bauern-Bashing" die Rede. Der Bauernverband Schleswig-Holstein wirft der Ministerin unter anderem vor, sich &bdquo;zur Handlangerin der Tierhaltungsgegner" zu machen. Wilhelm Brüggemeier glaubt, dass das Bundesumweltministerium seine Kompetenzen überschreite, wenn es sich in Dinge einmische, die das Landwirtschaftsministerium von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) zu regeln habe. Schmidts Ministerium äußerte sich derweil &bdquo;sehr verwundert" über die Kampagne – es hatte offenbar keine Absprachen zwischen den Ministerien gegeben. Er forderte Hendricks auf, &bdquo;die Kampagne sofort zu beenden und sich (...) öffentlich zu entschuldigen." Berufsstand der Bauern werde diffamiert Brüggemeier kritisiert, dass der Berufsstand der Bauern &bdquo;wider besseren Wissens diffamiert" werde. Alle Tierhalter und Ackerbauern müssten sich an geltende Gesetze halten – und dies werde von den Behörden engmaschig kontrolliert. Er verweist zudem darauf, dass in den vergangenen vier Jahren 20 Prozent der Milchviehhalter und 25 Prozent der Sauenhalter aufgegeben hätten – &bdquo;und zwar meistens aus wirtschaftlicher Not", so Brüggemeier. Ulrich Jasper von der &bdquo;Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft" (AbL), die gegen &bdquo;Agrarfabriken" und Massentierhaltung zu Felde zieht, meint, dass die Kampagne &bdquo;inhaltlich in die richtige Richtung" geht. Es werde Aufmerksamkeit für Probleme in der Landwirtschaft geweckt: &bdquo;Ich verstehe das so, dass die agrarpolitischen Rahmenbedingungen geändert werden müssen", so Jasper. Diese legitime Initiative sei aber nicht gelungen: &bdquo;Denn wo die Nerven blank liegen und die wirtschaftliche Lage schwierig ist, werden die Sprüche als Angriff empfunden, nicht als witzig." Barbara Hendricks reagierte auf die Kritik: &bdquo;Es liegt uns fern, eine ganze Berufsgruppe zu diffamieren, aber wir weisen auf unbestreitbare Fehlentwicklungen hin", erklärte sie. Ziel sei eine Landwirtschaft, &bdquo;in der es der Umwelt, aber auch den Bauern besser geht." Die Ministerin ist für eine Reform der EU-Agrarförderung – so sollten Bauern auch für Leistungen im Naturschutz bezahlt werden. Kommentar Nicht jeden Schuh anziehenEin Bekenntnis vorneweg: Ja, die Städter sind gegenüber den Bauern in einer unfairen Überzahl. Und ja, die Landwirte sind allzu oft Ziel flacher Witze – obwohl es nicht nur gemein, sondern am Ende auch dumm ist, die Hand zu beißen, die einen füttert. Landwirte tun nichts anderes als jeder Unternehmer: Sie versuchen, wenn sie ihren Hof betriebswirtschaftlich führen, unter den gegebenen Rahmenbedingungen das Beste aus ihrem Betrieb herauszuholen. Dabei haben sie wenig Einfluss auf Regeln oder Preise. Der Theoretiker spricht vom &bdquo;polypolistischen Anbieter": Der einzelne Bauer, eingezwängt zwischen den Forderungen von Tierschützern und Umweltschützern, gesetzlichen Bestimmungen, den Eigenheiten seines Hofes und den Anforderungen des Weltmarktes, hat verdammt wenig Handlungsspielraum. Andererseits sollte man sich auch keinen Schuh anziehen, der nicht passt. Bauern könnten humorvoll und gelassen reagieren, denn keiner wird persönlich angegriffen. Die Umweltministerin will nur ein Bewusstsein schaffen – bei den Bauern, aber zugleich auch bei den Verbrauchern, die im Supermarkt ihre Entscheidungen treffen. Kontakt zum Autor

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