
Bielefeld. Die Mietpreisbremse soll seit dem 1. Juni 2015 den rasanten Kostenanstieg für Wohnungen vor allem in Städten beenden. Doch sie birgt Anreize, die genau das Gegenteil bewirken. In deutschen Großstädten hebeln immer mehr Vermieter die Bremse aus, indem sie Wohnungen nur möbliert vermieten. Das zeigt eine Auswertung des Beratungsunternehmens Empirica im Auftrag der "Süddeutschen Zeitung". Dadurch sichern sich die Wohnungsbesitzer üppige Mietzuschläge.
So entfallen in München mittlerweile 60 Prozent aller Inserate auf möblierte Wohnungen - vor vier Jahren seien es lediglich 35 Prozent gewesen. In Stuttgart habe sich der Anteil im selben Zeitraum von 34 auf 61 Prozent erhöht, in Frankfurt von 31 auf 40 Prozent.
Wer Wohnungen möbliert vermietet, darf über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus einen entsprechenden Zuschlag verlangen, dessen Höhe nicht pauschal festgelegt ist - und kann die Mietpreisbremse umgehen. Mieter möblierter Apartments können so schwerer herausfinden, ob die Höhe ihrer Miete gerechtfertigt ist. Der Deutsche Mieterbund (DMB) verlangt deshalb eine Nachbesserung der Mietpreisbremse. "Wir fordern, dass Möblierungszuschläge in Cent und Euro explizit im Mietvertrag ausgewiesen werden müssen", so DMB-Direktor Lukas Siebenkotten.
Grenze der Mietpreisbremse wird in OWL selten eingehalten
Und in OWL? "Es ist weder in Bielefeld noch in Paderborn von uns feststellbar, dass durch Möblierung versucht würde, höhere Mieten durchzusetzen", so Ralf Brodda, Geschäftsführer des Mieterbundes Ostwestfalen-Lippe auf Anfrage. Allerdings hat der Mieterbund ein anderes Problem mit der Mietpreisbremse.
- Elf Bundesländer haben mittlerweile in insgesamt 294 Städten und Gemeinden die Mietpreisbremse eingeführt.
- Darunter sind in OWL Bielefeld und Paderborn.
- Niedersachsen möchte im Herbst 2016 nachziehen.
- Nur Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland verzichten auf die Einführung.
- Wo die Mietpreisbremse greift, dürfen Vermieter zu Beginn eines Mietverhältnisses maximal 10 Prozent über die ortsübliche Miete hinausgehen, wie sie im Mietspiegel festgelegt ist.
"Wir müssen bei Beobachtung der Wohnungsangebote immer wieder feststellen, dass die Grenze der Mietpreisbremse selten eingehalten wird", so Brodda. "Es besteht dringender Nachbesserungsbedarf."
Brodda kritisiert, dass Vermieter bei Nichteinhalten der Mietpreisbremse keine Strafen zu befürchten haben. "Der Vermieter, der sich nicht an die 10-Prozent-Grenze hält, muss allenfalls befürchten, dass der Mieter die zu hohe Miete rügt und ab dem Zeitpunkt der Rüge die angemessene Miete bezahlt", erklärt er. Bis es so weit ist, könne ein Vermieter aber die überhöhte Miete kassieren - "ohne befürchten zu müssen, etwas zurückgeben zu müssen oder bestraft zu werden". Für den Vermieter lohne es sich daher allemal, wenn er eine überhöhte Miete fordert, so Brodda.
Was Mieter tun können
Mieter könnten in der Regel nicht erkennen, ob vielleicht eine Ausnahme des Gesetzes greift und die Mietpreisbremse deshalb nicht wirksam ist. "Zudem scheuen die meisten Mieter gerade zu Beginn des Mietverhältnisses die Auseinandersetzung und akzeptieren die rechtlich eigentlich nicht zulässligen Mieten."
Stellt der Mieter fest, dass seine Miete um mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt, ist diese (abgesehen von den unten aufgeführten Ausnahmen) eine unzulässige Forderung des Vermieters. Der Mieter kann den Betrag, den er zu viel zahlen müsste, einbehalten. Auch wenn er den Mietvertrag mit der höheren Forderung unterschrieben hat.
Wichtig: Der Mieter muss seinen Vermieter in Form einer Rüge auf die überzogene Miete aufmerksam machen. Darin muss er begründen, wie er die ortsübliche Vergleichsmiete und die zu hoch angesetzte Miete festgestellt hat. Dafür muss der Mieter wissen, wie viel sein Vormieter bezahlt hat. Laut §556g BGB ist der Vermieter aber verpflichtet, diese Information herauzugeben. Ist die Rüge erteilt, kann der Mieter die zu viel gezahlten Beträge zurückfordern. Das gilt nicht für zurückliegende Zahlungen. Bei dem Vorgang hilft auch eine Rechtsberatung durch einen Anwalt oder eine Beratung beim örtlichen Mieterverein.
Das sind die Ausnahmen
Der Mieterbund OWL fordert, dass Vermieter, die sich nicht an die Mietpreisbremse halten, verplichtet sein müssen, die Beträge zurückzuzahlen, die die 10-Prozent-Grenze überschreiten - und daher widerrechtlich kassiert wurden. Auch wenn der Mieter das erst zu einem späteren Zeitpunkt nach Mietantritt rügt. Außerdem "müssen auch Sanktionen seitens der Behörden in Form von Bußgeldern möglich sein", ergänzt Brodda. Und: Der Vermieter soll sich nur dann auf Ausnahmetatbestände berufen können, wenn er darüber bereits bei der Vermietung informiert.
Frisch sanierte und modernisierte Wohnungen, bereits bestehende Miethöhen und Neubauten sind per Gesetz von der Mietpreisbremse ausgenommen. Laut Brodda müssten diese Ausnahmen zukünftig enger gefasst werden. Für Neubauten gebe es keine erfassten Vergleichsmieten - "wir könnten uns daher damit arrangieren, dass Neubauten ausgenommen bleiben", so Brodda. "Bei sanierten oder modernisierten Wohnungen sehen wir allerdings keine Notwendigkeit."
Ebenfalls sollte laut Brodda abgeschafft werden, dass Vermieter eine überhöhte Miete nur deswegen auch bei der Neuvermietung verlangen können, weil die sogenannte Vormiete schon zu hoch war. "Damit erhält der Vermieter, der bisher schon unangemessen 'zugelangt' hat einen Vorteil gegenüber dem redlichen Vermieter - was vom Gesetz nicht gefördert werden darf."
Die Mietpreisbremse schnell erklärt:
Mit Material der dpa