Von
Lennart Krause
01.05.2015 | 01.05.2015, 15:05
Bielefeld/Berlin
Lokführer-Funktionär im Interview: "Der Fisch stinkt vom Kopf"
Bielefeld/Berlin. Begleitet von heftigen Angriffen auf die "Bosse" anderer Gewerkschaften hat der Vorsitzende der Lokführergewerkschaft GDL, Claus Weselsky, zu engagierteren Arbeitskämpfen aufgerufen. Anlässlich des Tags der Arbeit am 1. Mai sagte er der Neuen Westfälischen, der zurückgehende Organisationsgrad der deutschen Arbeitnehmer sei "das Grundübel schlechthin".
Weselsky, bekannt für seine oft polternde Art, attackierte seine Kollegen in anderen Organisationen heftig: "Gewerkschaftsbosse machen es sich im System bequem", sagte er, und: "Der Fisch stinkt vom Kopf".
Gewerkschaftsführer äußerten sich heute gerne zu allen politischen Dingen und vergäßen dabei ihren "Hauptjob", sich für Arbeitnehmerinteressen starkzumachen. Dazu gehöre vordringlich auch, Mitglieder zu gewinnen: Es mache ihm Sorgen, dass nur noch 20 Prozent der deutschen Angestellten gewerkschaftlich organisiert seien. Die Arbeitgeber hätten es geschafft, "eine Mitgliedschaft in der Gewerkschaft als nicht mehr notwendig zu erklären". Dem setzten die Gewerkschaften zu wenig entgegen.
Kleine Gewerkschaften wie die GDL befürchten eine Entmachtung. Der Bundesvorsitzende des dbb Beamtenbund und Tarifunion, Klaus Dauerstädt, ließ zum 1. Mai verlauten: "Dass ein solches Gesetz von der einst stolzen Arbeiterpartei SPD mit vorgelegt wird, hätte ich nicht für möglich gehalten."
Dagegen sehen andere Gewerkschafter wieder einen engeren Schulterschluss zwischen Arbeitnehmern und SPD. Frank Bsirske, Vorsitzender der im DGB mächtigen Dienstleistungsgesellschaft Verdi, sagte der Passauer Neuen Presse: "Mit dem Mindestlohn und der Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren sind erste Schritte zur Rückabwicklung der falschen Politik der Agenda 2010 erreicht worden."
Radikaler Protest ist deshalb am Tag der Arbeit kaum zu erwarten, auch wenn die DGB-Gewerkschaften mit markigen Sprüchen zur Teilnahme an ihren Demonstrationen aufrufen. "Adieu, Diktatur der Bosse", heißt es auf einem DGB-Plakat zum 1. Mai.
"Ich habe die Befürchtung, dass die Gewerkschaften in einer Sinnkrise sind", kommentierte der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger, die Wortwahl. Gewalttätige Auseinandersetzungen werden wieder in Berlin befürchtet, wo der 1. Mai traditionell zum Anlass genommen wird für Anti-Staats-Krawalle.
(Mit Material der dpa)
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