
Bielefeld. In Deutschland werden Fremdenhass und Gewalt gegen Flüchtlinge immer extremer. Flüchtlingsheime brennen, „besorgte Bürger" grölen rechte Parolen, und gewalttätige Neonazis liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei. In OWL ist es bisher halbwegs ruhig geblieben. Im Bewusstsein der Bevölkerung ist die Gefahr von rechts noch nicht in Ostwestfalen angekommen. Doch ist das wirklich so? Eine Spurensuche nach den rechtsradikalen Netzwerken in OWL.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes leben derzeit etwa 21.000 Menschen mit rechtsradikaler Gesinnung in Deutschland. Jeder zweite Rechtsextremist sei als gewaltbereit einzuschätzen, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2014 weiter. Im überwiegend ländlichen Ostwestfalen-Lippe haben der Wohlstand der Mittelschicht und die niedrige Arbeitslosigkeit bisher wenig Angriffsfläche für Rechtsradikale geboten.
„Rechtsextremismus entwickelt sich oftmals temporär, geografisch und deliktsspezifisch in Wellen", sagt Rudolf Frühling vom Staatsschutz Bielefeld. „ 2014 befanden wir uns in OWL in einer Talphase, in der es relativ ruhig war. Dies zeigt sich insbesondere in den niedrigsten Straftatenzahlen seit 10 Jahren. Ursächlich waren insbesondere fehlende Rechts-links-Konflikte im Zusammenhang mit dem Demonstrationsgeschehen." Frühling erwartet für 2015 mehr Straftaten: „Die aktuelle Flüchtlingsproblematik und die damit einhergehenden Straftaten – auch von Rechten – werden dieses Jahr sicher in der Entwicklung ein anderes Bild zeigen."
Zahlen
- Politisch motivierte Straftaten in Deutschland 2014: 23.909
- Rechtsextremistische Straftaten in Deutschland: 16.559
- Politisch motivierte Gewalttaten in Deutschland: 2.305 (+13,1 Prozent)
- Rechtsextremistische Gewalttaten in Deutschland: 990 (+23,6 Prozent)
- Politisch motivierte Straftaten in OWL 2014: 410
- Politisch motivierte Gewalttaten in OWL: 25
- Rechtsextremistische Straftaten in OWL: 174 (-17 Prozent)
- Rechtsextremistische Gewalttaten in OWL: 4 (2013: 12)
- Kreis in OWL mit den meisten rechtsextremistischen Straftaten: Kreis Lippe (40 Fälle, Vorjahr: 23)
- Mitglieder in rechten Parteien: NPD 5.200, Pro NRW 950, Die Rechte 500, Der III. Weg 200, sonstige rechtsextremistische Organisationen 2.500
- Rechtsextremisten in Deutschland: etwa 21.000, davon seien gewaltorientiert: etwa 10.500
(Quellen: Verfassungsschutzbericht 2014, Jahresbilanz der Polizei Bielefeld 2014)
Trotzdem treiben verschiedene braune Netzwerke im Untergrund mehr oder weniger öffentlich ihr Unwesen. Nach Informationen des Staatsschutzes zählt die rechte Szene in OWL etwa 50 Personen, die in unterschiedlicher Zusammensetzung und Ausrichtung regelmäßig agieren. Den harten Kern dieser Szene schätzt die Polizei auf etwa 20 Personen.
„Wir müssen nicht denken, dass die Leute nicht mehr da sind"
Der Bielefelder Anwalt Sebastian Nickel beschäftigt sich seit Jahren mit der rechts- und linksextremistischen Szene. Auch wenn die Zahl der rechten Straftaten zurückgeht, sei dies kein Zeichen dafür, dass es die rechte Szene in OWL nicht mehr gibt, sagt er. „Wir müssen nicht denken, dass die Leute nicht mehr da sind, nur weil sie nicht offen in Erscheinung treten. Die Öffentlichkeit bekommt stets nur die Spitze des Eisbergs mit." Laut einer Studie seien rechte Ideologien in den Köpfen von rund 20 Prozent der Deutschen verankert, sagt Rudolf Frühling.
Der Staatsschutz unterscheidet Rechtsextreme in drei Kategorien. Die Aktionsorientierten – diejenigen, die auf Demonstrationen gehen, die Parlamentsorientierten, die Mitglied in einer Partei sind, und die Diskursorientierten, die sich in Gesprächsgruppen und zu Vorträgen treffen. Unser Mitarbeiter Tobias Schreiner hat Daten und Fakten über die braune Szene in OWL zusammengestellt.
Auf den nächsten Seiten lesen Sie neben Daten und Fakten auch jeweils eine Einschätzung des Staatschutzes zu Folgendem:
(2) Die Justizopferhilfe in Löhne
(3) Das Collegium Humanum in Vlotho
(4) Die Normannia Niebelungen in Bielefeld
(5) Rechtsextreme Kindererziehung in Lippe
(6) Die Nationale Offensive in Schaumburg/Minden
(7) Rechte Netzwerke im Süden
(8) Meinolf Schönborn in Herzebrock-Clarholz
(9) Der Stützpunkt Hermannsland und Der Dritte Weg
(10) Die Road Crew in Lage
Außerdem stellen wir vor:
(11) Rechtsradikale Musiker in und aus OWL
(12) Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Detmold