
Düsseldorf/Köln. Der Skandal um den Chef des Flughafens Köln/Bonn wird auch politisch immer brisanter. Dabei geraten Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) und seine Staatskanzlei nach den Befangenheitsvorwürfen gegen die Minister Stephan Holthoff-Pförtner und Christina Schulze Föcking (beide CDU) erneut wegen einer Personalentscheidung unter Druck. Ob der frühere Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Friedrich Merz, jetzt tatsächlich noch, wie von Laschet gewünscht, umgehend neuer Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen GmbH Köln-Bonn werden kann, ist nach der jüngsten Sitzung des Düsseldorfer Landtags eher fraglich.
Doch der Reihe nach: Der Aufsichtsrat der Flughafen-GmbH beurlaubt am 10. November den Vorsitzenden der Geschäftsführung, Michael Garvens (57), der seit 2004 an der Spitze des Flughafens steht, mit sofortiger Wirkung. Hintergrund ist ein vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebener Prüfbericht, in dem Garvens schwere Verfehlungen vorgeworfen werden. Der Flughafen-GmbH soll Schaden in Millionenhöhe etwa durch die teure Freistellung von mehreren Führungskräften und durch Zahlungen an eine Frachtfirma ohne erkennbare Leistungen entstanden sein. Inzwischen ermittelt der Staatsanwalt wegen eines Anfangsverdachts der Untreue gegen den Flughafen-Chef. Garvens lässt über Anwälte alle Vorwürfe zurückweisen.
Was die Sache landespolitisch brisant macht, ist, dass nur wenige Tage vor dem Bekanntwerden des Prüfberichts und vor der Beurlaubung des Beschuldigten Ministerpräsident Laschet eher beiläufig bekannt gibt, dass der prominente CDU-Politiker Friedrich Merz nicht nur Brexit-Beauftragter der Landesregierung werden soll, sondern auch neuer Aufsichtsratschef des Flughafens Köln/Bonn. Er soll den bisherigen Aufsichtsrats-Chef und Ex-Bundesverkehrsminister Kurt Bodewig (SPD) ablösen, eben jenen Mann, der gerade die Aufklärung der Vorwürfe gegen den Christdemokraten Michael Garvens auf den Weg gebracht hat. Bodewig erfährt von seiner geplanten Ablösung fünf Tage vor der entscheidenden Aufsichtsratssitzung. Klar ist auch, dass Laschet und die Staatskanzlei den Wechsel von Bodewig zu Merz sofort vornehmen wollen. Hinweise, wonach Garvens wenige Tage zuvor in der Staatskanzlei gewesen sei und auf die Ablösung von Bodewig gedrängt habe, werden von der Staatskanzlei als "unzutreffend" bezeichnet.
Bei der Opposition im Landtag ist vor allem wegen dieses zeitlichen Ablaufs der Verdacht entstanden, dass Bodewig möglicherweise nur deshalb so schnell gegen Merz ausgetauscht werden soll, um die Aufklärung der Vorwürfe gegen Garvens zu behindern. Dies zumindest mutmaßten Grünen-Fraktionssprecher Arndt Klocke und SPD-Fraktionsvize Martin Börschel, selbst früher Mitglied des Flughafen-Aufsichtsrats, in einer Aktuellen Stunde des Landtags. Außerdem hegen die Oppositionspolitiker den Verdacht, dass Merz, der an führender Stelle für den weltweit größten Vermögensverwalter Blackrock tätig ist, den Weg für eine Privatisierung der Landes- oder Bundesanteile am Flughafen bereiten soll.
Zu letzterer Vermutung äußerte sich Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) im Landtag nicht. Er betonte, dass auch die Landesregierung ein großes Interesse an einer Aufklärung der Vorwürfe gegen den Flughafen-Chef habe. Zuvor hatte der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Klaus Voussem, den Vorwurf, die Landesregierung wolle die Aufklärung behindern, als "absurd" bezeichnet.
Ob allerdings Friedrich Merz tatsächlich so schnell (möglicherweise schon am 27. November) wie von Laschet gewünscht zum Aufsichtsrats-Chef gewählt werden kann, ist unklar. Martin Börschel, der auch Kölner SPD-Ratsfraktionschef ist, wies darauf hin, dass es bisher gängige Praxis sei, dass der größte Flughafengesellschafter, die Stadt Köln (drei Sitze im Aufsichtsrat), das Vorschlagsrecht bei der Besetzung des Aufsichtsratsvorsitz wahrnehme - meist im Benehmen mit dem Land (drei Sitze). Ob die Kölner - im Stadtrat bilden CDU und Grüne ein Mehrheitsbündnis - aber tatsächlich Merz vorschlagen, bleibt abzuwarten. Das zu verhindern, dafür dürfte sich zumindest der Grünen-Fraktionschef im Landtag, der Kölner Arndt Klocke, einsetzen. Und im Bund (drei Sitze), dem dritten großen Anteilseigner, regiert noch die SPD mit, und bald vielleicht die Grünen. Eine Mehrheit im 15-köpfigen Aufsichtsrat für Merz zu finden, dürfte also nicht so ganz einfach werden.
INFORMATION
Flughafen Köln/Bonn
Der Flughafen Köln/Bonn, der in der alten Bundesrepublik als Hauptstadtflughafen galt und deshalb einer der wenigen deutschen Flughäfen ohne Nachtflugverbot ist, ist in NRW nach Düsseldorf der zweitgrößte und in Deutschland der siebtgrößte Airport.
2016 zählte er 11,9 Millionen Fluggäste und 124.000 Flugbewegungen.
Außerdem ist er mit 786.000 Tonnen Frachtgut der drittgrößte Frachtflughafen Deutschlands.
An der Flughafen GmbH Köln-Bonn sind beteiligt: Stadt Köln (31,12 Prozent), Bund und Land NRW (je 30,94 Prozent), Stadt Bonn (6,06 Prozent), Rhein-Sieg-Kreis (0,59 Prozent), Rheinisch-Bergischer Kreis (0,35 Prozent). (los)