
Düsseldorf/Bielefeld. Die NRW-Landesregierung will mit einem zweistelligen Millionenbetrag Ostwestfalen-Lippe als digitale Modellregion fördern. Wie NRW-Wirtschafts- und Digitalminister Andreas Pinkwart (FDP) im Exklusiv-Interview mit dieser Zeitung sagte, solle die Region zwischen Minden und Paderborn ein wichtiger Partner des Landes bei der Digitalstrategie der neuen Regierung werden.
OWL habe bei der Digitalisierung von Verwaltung, Gesundheitswirtschaft, Mobilität und Stadtentwicklung das Potenzial, als Best-Practice-Beispiel für ganz NRW und darüber hinaus zu dienen. An dem Projekt arbeite sein Ministerium seit der ersten Woche nach der Regierungsbildung unter Hochdruck. Offenbar hat der Minister auch bereits erste vorbereitende Gespräche in OWL geführt.
Pinkwart trat mit der Ankündigung auch der Kritik aus Ostwestfalen-Lippe entgegen, die aufgekommen war, als der Minister sein Projekt „Rheinland Valley" angekündigt hatte. Damit will er die Rheinschiene rund um die Städte Aachen, Bonn, Köln und Düsseldorf zum Gründerzentrum des Landes machen – auf Augenhöhe mit Berlin und München, wie der Minister erläuterte.
Kritiker: Geht nicht weit genug
Oppositionspolitiker aus Ostwestfalen-Lippe hatten ihm deshalb vorgeworfen, er wolle die Region offenbar wirtschaftspolitisch abhängen. Dieser Kritik tritt der Minister nun mit seiner Ankündigung für OWL entgegen.
Einer der Kritiker, Dennis Maelzer (Detmold), Sprecher der SPD-Landtagsabgeordneten aus OWL, räumte ein, es sei positiv, dass der Minister auf die Kritik aus der Region reagiere. Allerdings gehe die Ankündigung nicht weit genug. „Gewünscht hätte ich mir, dass OWL zur Modellregion Arbeit 4.0 wird, um die Digitalisierung stärker im Sinne der Beschäftigten zu gestalten", sagte Maelzer.
Clausen begrüßt Pläne
Und der Bielefelder Landtagsabgeordnete Matthi Bolte (Grüne) meint: „Gerade noch rechtzeitig entdeckt der Minister OWL." Klar sei erst einmal nur, dass Schwarz-Gelb weiter Füllhorn-Politik mache, ohne eine Gegenfinanzierung erkennen zu lassen.
Positiver äußerte sich Bielefelds Oberbürgermeister Pit Clausen (SPD), der auch Vorsitzender des NRW-Städtetags ist. Die Digitalisierung der Verwaltung zum Thema zu machen, halte er für gut und richtig. Hier gebe es bislang ein Förderprogramm des Landes von gerade 500.000 Euro. Dieses Förderprogramm deutlich auszuweiten, könne er nur begrüßen. Schließlich biete die Digitalisierung die Chance, Verwaltung bürgernäher und effizienter zu machen.
KOMMENTAR DER REDAKTION
Jetzt Taten folgen lassen
Die Kritik, die der neuen Landesregierung entgegenschlug, weil in der Ministerriege kein Vertreter aus OWL sitzt und weil Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart bei seiner Modernisierungsstrategie zunächst scheinbar nur auf das Rheinland setzte, hat Wirkung erzielt. Jedenfalls kristallisiert sich langsam heraus, dass Ostwestfalen-Lippe in der Politik der schwarz-gelben Koalition doch eine Rolle spielen soll. Neben der Gründung einer medizinischen Fakultät an der Universität Bielefeld tritt nun als zweites Großprojekt die Förderung von OWL als digitale Modellregion in Nordrhein-Westfalen.Minister Pinkwart, der durch den Zuschnitt seiner Zuständigkeiten der eigentliche Modernisierungsminister im Kabinett Laschet ist, will die Stärken einer Region stärken. Das Rheinland habe starke Voraussetzungen, zu einem neuen Gründerschwerpunkt der Republik zu werden, und Ostwestfalen-Lippe ist so etwas wie das Musterländle in Sachen Digitalisierung.
Bislang allerdings handelt es sich bei den beiden Großprojekten für die Region nur um Ankündigungen. Bei der neuen medizinischen Fakultät in Bielefeld wird es darauf ankommen, wie viel Geld das Land am Ende wirklich dafür locker machen will. Und bei der digitalen Modellregion wird es darauf ankommen, ob durch das Projekt die digitale Durchdringung von Verwaltungs-, Produktions- und Dienstleistungsprozessen wirklich vorangebracht wird.
In Sachen Digitalisierung hat die Region übrigens noch ein anderes, ganz simples Problem. Ostwestfalen-Lippe besteht in weiten Teilen aus ländlichen, sehr ländlichen Gegenden. Und hier fehlt es schlicht und einfach an schnellen Datenleitungen. Was nützt die beste Digitalisierungsstrategie, wenn der Handy-Empfang zu schlecht und das Internet zu langsam ist. Für den ländlichen Raum – nicht nur in Ostwestfalen-Lippe – ist es deshalb von besonderer Bedeutung, dass die neue Landesregierung ein weiteres Versprechen einlöst: nämlich flächendeckend in Nordrhein-Westfalen schnelle Datenleitungen zu installieren. Auch dafür ist der Modernisierungsminister Pinkwart zuständig.
Wenn die neue Regierung wirklich das Vertrauen der am weitesten von Düsseldorf entfernten Region des Landes erwerben will, dann müssen den vielen Worten jetzt auch Taten folgen.