Bielefeld

Scheidungen enden immer häufiger in erbittertem Streit

Beratungsstellen haben deutlich mehr Aufwand mit unschlichtbaren Streitigkeiten zwischen Ex-Paaren. Hauptknackpunkt ist das Sorgerecht

Wenn es kracht, dann richtig: Immer mehr Scheidungen verlaufen konfliktreich. | © picture alliance / PPE

Vivien Tharun
11.04.2017 | 11.04.2017, 06:00

Bielefeld. Ehen in NRW werden zwar tendenziell haltbarer, wenn es kracht, dann aber richtig: Von den 38.312 Scheidungsanträgen 2015 in NRW wurden nur 2.557 von den Ex-Partnern gemeinsam eingereicht. Die Zahl „hochstrittiger Konflikte", bei denen beide Parteien versuchen, sich gegenseitig finanziellen und psychischen Schaden zuzufügen, steige bundesweit, berichtet Psychologin Gesine Götting, Vorstandsmitglied der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung.

Das bestätigt Anne Krüger-Gembus von der Familien- und Krisenberatungsstelle der Diakonie Bielefeld. „In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl dieser Konflikte sehr gestiegen. Die Betroffen versuchen, sich gegenseitig das Leben so schwer wie möglich zu machen." Kinder müssten oft als Druckmittel gegen den Ex-Partner herhalten – allein 2015 mussten bundesweit 132.000 Kinder eine Scheidung der Eltern verkraften.

Es sei besonders perfide, wenn Kinder im Scheidungsverfahren therapeutische Hilfe bräuchten und das vom Ex-Partner umgemünzt werde in den Vorwurf: „Du kannst mit dem Kind nicht umgehen". Männer und Frauen verhielten sich bei so einem Streit ähnlich: „Beide nutzen dieselben Tricks", sagt Krüger-Gembus.

In Zukunft könnte es zu noch mehr Konflikten kommen

Die Betroffenen kämen auf Empfehlung eines Gerichts zu den Beratungsstellen, weil es anders nicht mehr gehe. Die Berater versuchen dann zu vermitteln. „Manchmal wollen die Ex-Partner nicht einmal mehr im selben Raum sitzen. Dann sind zwei Therapeuten und mehrere Termine nötig, um voranzukommen", so Krüger-Gembus.

Dirk Pankok, Teamleiter der Familien-, Ehe-, Kinder- und Jugendberatung des Kreises Lippe, sagt, der Kreis habe eigens ein Kontingent für diese „High Conflicts", wie sie dort heißen. Jährlich seien derzeit 24 Fälle eingeplant. Auch er berichtet von knallenden Türen im Beratungsgespräch. Und er vermutet, dass es zukünftig zu noch mehr Konflikten kommen könnte: Im Februar hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass ein Kind zu gleichen Zeitanteilen bei beiden Eltern wohnen kann, sofern das Kindeswohl nicht gefährdet ist. „Ein Elternteil könnte nun versuchen, dem Ex-Partner Kindeswohlgefährdung nachzusagen, um dieses Modell zu verhindern. Gekämpft wird um das volle Sorgerecht und die komplette Unterhaltszahlung", sagt Pankok.

Im Jahr 2015 ließen sich laut Statistischem Bundesamt bundesweit 163.335 Paare scheiden – auf hundert Eheschließungen kamen statistisch 41 Scheidungen. Mehr als ein Drittel aller Ehen in Deutschland scheitert.

Verweigerter Unterhalt

Eltern, die ihren Unterhaltspflichten nicht nachkommen, kosten den Staat nach aktuellen Zahlen gut 650 Millionen Euro pro Jahr. Die sogenannte Rückholquote – überwiegend bei säumigen Vätern – liegt bei nur 23 Prozent.

Trennungsberatungsstellen

  • Diakonie für Bielefeld, Tel: (05 21) 98 89 25 00
  • Familienberatung Kreis Lippe Tel: (0 52 61) 9 77 20
  • Sozialdienst katholischer Frauen Herford, Tel: (0 52 21)10 37 21
  • Caritasverband Paderborn, Tel: (0 52 51) 68 88 789
  • Beratungsstelle für Schul- und Familienfragen Minden, Tel: (05 71) 80 71 20 00
  • Kinderschutz-Zentrum der AWO Gütersloh, Tel: (0 52 41) 90 35 50
  • Familien- und Lebensberatung Diakonie Höxter, Tel: (0 52 71) 92 19 83