Detmold/Kalkriese. Wo hat Arminius die römischen Legionen wirklich besiegt – zu dieser Frage hat das Museum „Varusschlacht im Osnabrücker Land" in Kalkriese ein neues Forschungsprojekt begonnen. Mit neuester Technik sollen einige der mehr als 5.000 Funde von dem historischen Schlachtfeld im Osnabrücker Land untersucht werden. Vielleicht liefert das Projekt neue Hinweise darauf, wer hier tatsächlich gekämpft hat.
Die Varusschlacht ist ein emotionales Thema in OWL. Seit das Schlachtfeld bei Kalkriese entdeckt wurde, verdichten sich die Zeichen, dass das Hermannsdenkmal am falschen Platz steht. Es gibt keine Belege dafür, dass mit dem „saltus teutoburgensis", den der Römer Tacitus als Ort des Geschehens benennt, der heutige Teutoburger Wald gemeint ist. Der erhielt seinen Namen erst mehr als 1.500 Jahre nach der Schlacht.
Dennoch sind viele Menschen in Detmold und Umgebung bis heute stolz auf „ihren" Hermann. „Das ist hier eine Frage der Identität", bestätigt Michael Zelle, Leiter des Lippischen Landesmuseums. Dort zeigt die Dauerausstellung „Mythos", welche Bedeutung die Varusschlacht und das Hermannsdenkmal im Lauf der Geschichte hatten.
Gewissheiten zerstört
Aber dann kam Kalkriese. Hier ist das nachweisbar, was an allen anderen möglichen Schauplätzen bisher fehlt: ein großes Schlachtfeld, auf dem römische Soldaten gekämpft haben. Hier wurden neben Waffen und Rüstungsteilen mehr als 1.500 römische Münzen gefunden, die alle vor dem Jahr neun nach Christus geprägt wurden, dem Datum der Schlacht – keine einzige davon später. Das traf die Anhänger der Detmold-These hart: „Da wurden alte Gewissheiten zerstört", beschreibt Zelle die Befindlichkeiten.
Aber ob auf dem Schlachtfeld bei Kalkriese wirklich Varus gegen Arminius kämpfte, dafür fehlt bis heute der Beweis. In der Zeit gab es viele Gefechte zwischen Römern und Germanen. Eine Schlacht ereignete sich nur sechs Jahre nach der Niederlage des Varus, als der Feldherr Germanicus gesandt wurde, den Verlust der Legionen zu rächen. Auch er verlor viele Soldaten. Vielleicht habe dieses Ereignis bei Kalkriese seine Spuren hinterlassen, sagen Kritiker der Varusschlacht-These.
Die neuen Forschungen könnten weitere Indizien liefern, sagt Joseph Rottmann, Geschäftsführer des Museums. „Das Projekt ist absolut ergebnisoffen", betont er. Die Metallfunde werden mit Hilfe des Deutschen Bergbau-Museums Bochum analysiert. Die These dahinter ist, dass jede Legion eigene Schmiede mitführte, denen die Metalle anhand ihrer Zusammensetzung zugeordnet werden könnten. Durch Vergleiche ließe sich so im Idealfall ermitteln, woher die Legionen von Kalkriese kamen und damit auch, welche Schlacht dort stattfand.
Alles wird hinterfragt
Michael Zelle blickt ebenfalls gespannt auf das Projekt. „Ich finde es gut, dass alles immer wieder hinterfragt wird." Die neue Technik könnte interessante Ergebnisse liefern, aber mit einem endgültigen Beweis rechnet er so schnell nicht. So hohe Erwartungen möchte auch Heidrun Derks, Leiterin des Museums in Kalkriese, an das Projekt nicht stellen: „Wir betreten damit methodisch echtes Neuland." Was mit den neuen technischen Möglichkeiten ans Licht komme, könne jetzt noch niemand sagen.
Im Rahmen des Projektes werden auch einige rätselhafte Fundstücke näher untersucht. Darunter sind seltsame Augen aus Glas, deren Zweck bisher unbekannt ist, und zusammengedrückte Metallgegenstände, die in einer 3-D-Simulation auseinandergefaltet werden. Denn unabhängig von der Frage, wer hier kämpfte, eröffne das Schlachtfeld von Kalkriese einen spannenden Blick in die Zeit, betont Rottmann: „Hier hat ein Katastrophenszenario einen Tag regelrecht eingefroren."
Deshalb wollen die Forscher die zahlreichen Funde in den Blick nehmen, die nicht zur Kriegsausrüstung gehörten, etwa Alltagsgegenstände. Auch eine neue Ausgrabung steht an. Diesmal könnten Besuchergruppen sogar selbst mitbuddeln, sagt Rottmann.
INFORMATION
Die Suche nach dem Schlachtfeld
- Laut Tacitus befand sich das Schlachtfeld, auf dem Varus fiel, „nicht weit entfernt" von einem Gebiet zwischen Ems und Lippe, wo sich Germanicus aufhielt.
- Das führte zu vielen Spekulationen über mögliche Schauplätze.
- „Wir müssen ein besseres Bild der Gesamtsituation der Zeit haben", sagt Michael Zelle. Helfen könnten weitere Funde römischer Lager in der Region, aber auch die Germanen in OWL müssten noch besser erforscht werden.
