Meinung

Anwesenheitspflicht in Unis: Was spricht dafür - und was dagegen?

Anwesenheitspflicht an der Uni: Ja oder Nein? | © picture alliance / Ulrich Baumgarten

28.09.2017 | 28.09.2017, 18:10

Die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW plant, die 2014 abgeschaffte Anwesenheitspflicht an Universitäten wieder zu ermöglichen. Unsere Autoren und Ex-Studenten streiten, ob das eine gute Idee ist. Was sagt Ihr? Schreibt Eure Kommentare unter den Artikel:

Pro: "Es gibt Gründe, die für eine Anwesenheitspflicht sprechen"

Leandra Kubiak

Ich habe studiert, bevor das neue Hochschulgesetz 2014 in Kraft getreten ist - zu der Zeit gab es die Anwesenheitspflicht also noch. Eine wirklich einheitliche Regelung darüber, ob und wie die Anwesenheit überprüft wird, die gab es an der Uni Köln während meines Studiums jedoch nicht.

In vielen Seminaren und Vorlesungen gingen Anwesenheitslisten herum. Wer mehr als zwei Mal im Semester gefehlt hat, wurde aus der Veranstaltung gestrichen und konnte dort keine "Credit Points" mehr bekommen. Genauso gab es aber auch Dozenten, die sich - aus der Tradition heraus - bewusst dagegen entschieden haben, die Anwesenheit in jeder Sitzung zu überprüfen. Es ist also - so oder so - immer auch eine Frage der tatsächlichen Umsetzung.

Eine verpflichtende Anwesenheit in jeder einzelnen Sitzung halte ich für übertrieben. Wer studiert, der ist schließlich in erster Linie für sich selbst verantwortlich. Ob es aber deshalb nötig war, die Anwesenheitspflicht komplett abzuschaffen, bezweifle ich.

Eine Anwesenheitspflicht ist in manchen Veranstaltungen durchaus sinnvoll. Zum Beispiel dann, wenn in einem Seminar intensiv zusammengearbeitet werden soll und die einzelnen Sitzungen von den Teilnehmern mitgestaltet werden sollen. Wenn da ständig die Hälfte der Teilnehmer fehlt, bremst das den ganzen Kurs aus.

Zum anderen habe ich es oft erlebt, dass Veranstaltungen zu Beginn des Semesters überlaufen waren und nicht alle, die sich für den Inhalt interessiert haben, einen Platz bekommen haben. Im Laufe des Semesters erschien dann der größte Teil eh nicht mehr regelmäßig. Eine Anwesenheitskontrolle mit gewissen Freiheiten hält also vielleicht davon ab, sich für Veranstaltungen anzumelden, die man dann ohnehin nie besucht. Die Plätze in der Veranstaltung bleiben so frei für die, die wirklich teilnehmen wollen - und nicht nur auf dem Papier.

Contra: "Die Anwesenheitspflicht ist ein zahnloser Tiger"

Björn Vahle

Anwesenheitspflicht an Unis - das klingt als Forderung nach konsequenter Hochschulpolitik konservativer Prägung. In Wirklichkeit reicht es, selbst studiert zu haben, um sagen zu können: Ob sie nun gilt oder nicht, ändert am Verhalten der Studenten wenig.

Denn die werden ohnehin kommen, wenn sie können. Und da immer mehr Studenten Nebenjobs annehmen müssen, um überhaupt das Studium finanziert zu bekommen, dürften die Zeitfenster nicht gerade größer werden. Pflicht hin oder her.

Die Pflicht, so sie denn zurückkommt, ist also ein Lösungsversuch für das falsche Problem. Studenten sollen sich mit den Studieninhalten befassen, und zwar so, dass kontrolliert werden kann, ob sie das auch getan haben. So strukturiert hilft das System auch weniger selbstständigen Studenten, nicht zurückzubleiben.

Warum dann nicht mehr Online-Seminare anbieten? Wer sie sich angesehen hat, wird im System vermerkt. Ein paar Kontrollfragen dazu, Hausarbeiten können auf Uni-Server hochgeladen werden - die Möglichkeiten wären da.

Statt zwanghaft zu versuchen, das Hochschulsystem weiter zu verschulen, gäbe es etliche Wege, wie man der vorgeschriebenen Verpflichtung dem Studienerfolg gegenüber mit anderen Mitteln Rechnung tragen könnte. In der Pflicht sind die Studenten ohnehin, wollen sie irgendwann einen Abschluss machen.