Bad Lippspringe. 70 Seiten ist die Denkmalbereichssatzung schwer. Am Dienstagabend stand das Papier im Mittelpunkt einer gemeinsamen Sitzung von Bau- und Wirtschaftsförderungsausschuss. Ziel der Satzung ist es, das besondere Erscheinungsbild der Lippspringer Auguste-Viktoria-Klinik für die Zukunft zu erhalten. Gleichzeitig sollen Investoren nicht verschreckt werden. "Sie spiegelt im Kern die Besonderheiten der Heilanstalt wider, und zwar historisch wie gestalterisch", so Architektin Heike Kussinger-Stankovic.
Das gewachsene Erscheinungsbild der ehemaligen Heilstätte wird demzufolge gebildet aus dem Grundriss der Gesamtanlage, der historisch prägenden Bausubstanz sowie der Grünanlage. Auffällig ist ebenso die rechtwinklige Grundstruktur von Park und Gebäuden. Als besonders schützenswert bezeichnete Kussinger-Stankovic die Südfassade mit Haus I und II, den Mittelbau mit Liegehallen, das Wirtschaftsgebäude sowie zwei Wohnhäuser an der Auguste-Viktoria-Allee - denn eine Denkmalbereichssatzung hat nicht die einzelne Immobilie, sondern das Ensemble im Blick.
Gebäude mache einen maroden Eindruck
Einige Ratsmitglieder meldeten Bedenken an, das 270 Meter lange Hauptgebäude komplett als denkmal- und erhaltenswert einzustufen. Erik Ernst von den Freien Wählern befürchtete: "Am Ende ist der Denkmalschutz so eng gefasst, dass sich wie bisher schon kein Investor findet." Das Gebäude mache bereits einen maroden Eindruck.
Dieter Bursch (Die Linke) ging der Schutz indes nicht weit genug. Der Entwurf sei ein Freibrief, die Klinik doch noch abreißen zu können. Heiner Strate (CDU) sieht in dem Plan ein erhebliches finanzielles Risiko für die Stadt: "Wenn wir tatsächlich so verfahren, droht uns am Ende die Pleite. Dann können wir uns kein Schwimmbad mehr leisten und auch die Vereine müssen auf notwendige Zuschüsse verzichten." Schließlich kostet Pflege. Norika Creuzmann von den Grünen bewertete die geplante Denkmalbereichssatzung dagegen als ausgewogen.
Die Auguste-Viktoria-Klinik mit seiner imposanten Länge sei "ein Koloss", räumte Kussinger-Stankovic ein. Es gebe aber Möglichkeiten, "den Schutznachweis auf das Wesentliche zu reduzieren." Bauamtsleiter Ferdinand Hüpping wurde deutlicher: "Das Sammelsurium von An- und Umbauten ist nicht unbedingt erhaltenswert. Auch das tatsächlich sehr lange Hauptgebäude lässt sich sehr gut in einzelne Teile aufgliedern und kann so unterschiedlich genutzt werden." Dazu würde es beispielsweise ausreichen, die inzwischen zugebauten 16 ehemaligen Liegehallen wieder zu öffnen.
Kein direkter Bezug zum Stift
Von der Denkmalbereichssatzung sind zwei Wohnhäuser an der Auguste-Viktoria-Allee betroffen. Die 1904 beziehungsweise 1924 erbauten Häuser wurden seinerzeit vom Rendanten und dem Chefarzt bewohnt. Richard Wansleben, der Rechtsanwalt des heutigen Eigentümers, bezeichnete die von Stadt und Landesdenkmalamt gezogene Grenzlinie des Bereichs als willkürlich: "Ich weiß nicht, warum die beiden Eckgrundstücke in die Satzung aufgenommen worden sind." Einen direkten Bezug zum Stift sehe er nicht. Und noch etwas sei dem Advokaten aufgefallen: "Es gibt weitere Wohnhäuser an der Vom-Stein-Straße, die aus der selben Zeit stammen und seinerzeit ähnlich genutzt wurden, nach den aktuellen Plänen aber nicht unter Schutz gestellt werden sollen."
Als besonders problematisch bezeichnete Wansleben einen Paragrafen der Denkmalbereichssatzung, der im Kern einen allumfassenden Denkmalschutz bedeute. Sein Mandant müsse beispielsweise selbst dann das Denkmalamt um Zustimmung bitten, wenn er einen Container auf sein Grundstück stellen wolle. Die Bereichssatzung hat auch Auswirkungen auf den bereits beschlossenen Bebauungsplan 64a.
Wie berichtet, soll südlich der Klinik ein neues Baugebiet mit etwa 50 Grundstücken entstehen. Die zukünftigen Eigenheimbesitzer müssen bei ihren Plänen das historisch prägende Erscheinungsbild der Klinik berücksichtigen. So sind Putz-Fassaden in hellen Farben erlaubt, Klinkerbauten dagegen nicht. Die Dächer müssen durchgehend mit roten Pfannen eingedeckt werden. Der Ausschuss stimmte am Ende mit Mehrheit der Offenlegung der vorliegenden Denkmalbereichssatzung zu.