

Bad Oeynhausen. Auf der Hebebühne wird es ernst. Der Querlenker: hat Spiel. Die Bremsleitungen: haben Rost. Die Achswelle: hat ein Öl-Problem. So wirds nichts mit der TÜV-Plakette, sagt Stephan Strothmann, Leiter der TÜV-Station Region Bielefeld, der an diesem Tag in Bad Oeynhausen im Einsatz ist. Im 30-Minuten-Takt prüft er die Fahrzeuge. Citroen, Opel und VW, blau schwarz und rot, alt und neu. Auch der betagte Golf III des Redakteurs ist mit dabei. Datum der Erstzulassung: November 1995.
Sieben Jahre, sagt Strothmann, seien die Autos, die auf seiner Hebebühne landen im Durchschnitt alt. Besagter Golf feiert dieser Tage den 21. Geburtstag. „Ein Klassiker", sagt Strothmann. „Und sogar mit Automatik." Er notiert den Tacho-Stand: knapp über 190.000 Kilometer.
70,7 Prozent der Autos, die im vergangenen Jahr an der TÜV-Station in Bad Oeynhausen geprüft wurden, waren komplett mängelfrei, 77,7 Prozent – jene mit geringfügigen Mängeln mit eingerechnet – bekamen auf Anhieb die neue Plakette. Keine Mängel hat auch der blaue Opel Agila, Erstzulassung 2013, der gerade aus der benachbarten Werkstatt herübergefahren wurde. Licht, Bremsen, Motorraum, Unterboden – alles okay soweit. Dann die Reifen: „Mein Lieblingsthema", sagt Strothmann. 1,6 Millimeter tief muss das Profil sein – laut Gesetz. „Das ist eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Stellen Sie sich den mal auf schneebedeckter Fahrbahn vor", sagt er und deutet auf die Lauffläche. Zwar liegt die Profiltiefe einige Millimeter über dem Mindestmaß, vertrauenserweckend ist das Szenario, dass sich im Kopf des Redakteurs abspielt, dennoch nicht. Aber Gesetz ist Gesetz. Es bleibt bei einem Hinweis im TÜV-Bericht, die Plakette gibt es trotzdem.
Regensensor, ESP, Fernlichtregulierung und Co: „Es gibt so viele Assistenzsysteme", sagt Strothmann. Aber mit am wichtigsten sei die sichere Verbindung zwischen Fahrzeug und Straße. Und das seien nun mal die Reifen.
Um der Elektronik moderner Fahrzeuge Herr zu werden, hat der TÜV seit kurzem ein neues Werkzeug in Betrieb: Den sogenannten HU-Adapter. „Seit 1. Juli 2015 gibts den flächendeckend", sagt Strothmann. Das Gerät – etwas größer als eine Tafel Schokolade – wird per Kabel mit dem Auto verbunden. Über ein eigenes Funknetzwerk und einen Tablet-Computer erhält Strothmann einen Überblick über die verbauten Assistenzsysteme, kann Bremsen, ABS, Licht und Geschwindigkeitsregelung testen. „Das ist heutzutage nicht mehr nur Licht an – Licht aus", sagt Strothmann.
Tierischer Gast im Motorraum
Bei dem Citroen C4, den Strothmann ebenfalls an diesem Tag überprüft – ein Minivan – stimmt mit der Elektronik alles. Dafür hat die Natur zugeschlagen: „Der hatte Besuch", sagt der Prüfer beim Blick unter die Motorhaube. Teile der Isolierung sind zerfetzt, ein Fellbüschel verrät den ungebetenen Gast, wahrscheinlich ein Marder. Die Plakette gefährdet der Schaden allerdings nicht: Wichtige Bauteile sind nicht betroffen. Es bleibt auch hier bei einem Hinweis im Bericht.
Rund zehn Autos überprüft Strothmann pro Tag, seit 15 Jahren ist der gelernte Kraftfahrzeugelektriker für den TÜV als Prüfer tätig. Was sich über die Jahre verändert hat? „Der größte Einschnitt war der HU-Adapter", sagt er. Und weil die Fahrzeugtechnik immer komplizierter wird, würden heute immer weniger Autobesitzer selbst Hand anlegen. Die Tuning-Szene von einst – mit abgesägten Stoßdämpfern und Ähnlichem – sei Vergangenheit. „Heute gehts beim Tuning nur noch um die Optik", sagt Strothmann. „Und wenn jemand tunt, dann nimmt er üblicherweise auch etwas Geld in die Hand."
„Mich wunderts, dass er die Abwrackprämie überstanden hat"
Völlig ungetunt ist der Golf III des Redakteurs. Und die Gänge selbstständig zu schalten – das ist mit das einzige, das dieser Wagen ohne Zutun des Fahrers macht. „Mich wunderts, dass er die Abwrackprämie überstanden hat", sagt Strothmann. Golf III, Polo 6N – das seien typische Kandidaten, die 2009 der Schrottpresse zu Opfer gefallen sind.
Bis auf die Querlenker-Lager und die rostige Bremsleitung sei der Wagen in Ordnung. „Bei der Laufleistung sind solche Schäden ganz normal", sagt Strothmann. „Ich würde überlegen, direkt einen neuen Lenker zu kaufen." Rund 350 Euro, schätzt er, würden für die Reparatur fällig. Noch eine Warnung für die Zukunft: „Irgendwann wird er Ärger mit Rost an den Schwellern bekommen." Das sei typisch für den alten Golf. Nach Beseitigung der Mängel sei der Wagen aber für die kommenden zwei Jahre wieder sicher unterwegs. Bis mindestens zum 23. Geburtstag.
Mehrere Institute am Markt
- Neuwagen müssen nach drei Jahren zum ersten Mal zur Hauptuntersuchung (HU), danach wird die HU alle zwei Jahre fällig.
- Neben dem TÜV (Technischer Überwachungsverein) sind auch die Institute KÜS (Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger), DEKRA (Deutscher Kraftfahrzeug-Überwachungs-Verein) und GTÜ (Gesellschaft für Technische Überwachung) befugt, den Wagen zu prüfen.
- Anhand der Plakettenfarbe ist erkennbar, in welchem Jahr die nächste HU ansteht, die oben stehende Zahl zeigt den Monat an.
- An der Ausrichtung der schwarzen Balken lässt sich auch aus der Ferne ablesen, wann geprüft werden muss – stehen die Balken auf 11 Uhr, ist die Prüfung im elften Monat – im November – fällig.